Besucherzentrum Wilhelmshaven – UNESCO-Welterbe Wattenmeer

Das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrum in WilhelmshavenDas UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrum in Wilhelmshaven

Die Norddeutschen gelten ja gemeinhin als eher wortkarg, und sie machen kein großes Aufheben um sich. Und auch nicht um den enormen Schatz, den sie oben im Norden hüten: das Weltnaturerbe Wattenmeer.

Weltnaturerbe Wattenmeer

Vielleicht habt ihr euch ja immer schon gefragt, warum ein Urlaub an der Nordsee so wahnsinnig erholsam ist. Vielleicht geht es euch ja so wie mir. Kaum stehe ich am Wasser, schon ist all die Hektik der Großstadt und der Stress bei der Arbeit vergessen, und ich schaue wie gebannt in die Weite der Landschaft und des Himmels. Zuletzt hatte ich dieses Erlebnis, als ich hoch über der Sommebucht, in Nordfrankreich, stand, und auf die Köpfchen der Robben schaute. Das Licht, die Weite und das Naturerlebnis sind hier, im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, ähnlich, aber dennoch ganz einzigartig. Die Landschaft bleibt sich ganz sich selbst überlassen, auf einer großen Fläche und ohne den Eingriff von Menschen. Das Landschaftsbild wandelt sich dabei ständig. Als Besucher, der vielleicht am Südstrand in Wilhelmshaven oder an der Wasserkante in Horumersiel spazieren geht, ahnt man gar nicht, dass sich genau hier eine der letzten intakten Naturlandschaften Europas befindet. Der UNESCO ist das sehr wohl bewusst, und so wurde das Wattenmeer 2009 auch als Weltnaturerbe ausgezeichnet.

Das Wattenmeer erstreckt sich auf einer Fläche von fast 11.000 Quadratkilometern und auf einer Länge von rund 500 Kilometern an der Küste Dänemarks, Deutschland und der Niederlande und ist damit das größte zusammenhängende Wattgebiet der Welt. Der Lebensraum ist dabei unglaublich vielfältig – schier unendliche Wattflächen, blühende Salzwiesen, Strände und Dünen – und bietet Lebensraum für mehr als 10.000 Tier- und Pflanzenarten.

Der Jadebusen von oben gesehen

Der Jadebusen von oben gesehen

Projekt Umweltbildung

Die UNESCO nahm das Wattenmeer 2009 mit in die Liste des Welterbes auf – in illustrer Gesellschaft des Grand Canyon in den USA oder des Great Barrier Reef in Australien. Die Gemeinsamkeit: es handelt sich um einzigartige Naturphänomene, die als Erbe der gesamten Menschheit erhalten werden müssen. Verbunden mit der Auszeichnung ist die pädagogische Aufgabe, über die Einzigartigkeit der Landschaft zu informieren.

Das Wattenmeer Besucherzentrum in Wilhelmshaven

Wer mehr über das Weltnaturerbe Wattenmeer erfahren will, der kann eine spannende Entdeckungsreise im Besucherzentrum am Südstrand in Wilhelmshaven beginnen.

Im Mai 2022 und pünktlich zum 25. Geburtstag des Hauses wurde das Wattenmeer Besucherzentrum nach umfangreichen Umbauarbeiten neu eröffnet. Auf mehr als 2.000 Quadratmetern kann man hier im wahrsten Sinne des Wortes in den Lebensraum Wattenmeer eintauchen. Bei der Entdeckungsreise werden dabei alle Sinne angesprochen: es gibt interaktive Mitmach- und Hörstationen.

Der Pottwal von Baltrum

Der Pottwal von Baltrum

Walverwandtschaften

Der Eyecatcher gleich zu Beginn der Ausstellung ist ein 14 Meter langes Pottwal-Skelett. Der Wal scheint vom ersten Stockwerk des Hauses in Richtung Erdgeschoss abzutauchen. Ich wollte mir nie die Körperwelten-Ausstellungen anschauen, aber Gunter von Hagen ist auch dafür verantwortlich, dass dieser Pottwalbulle, der im Jahr 1994 vor der Insel Baltrum gestrandet war, für die Nachwelt präpariert und konserviert wurde. Was für ein Glück, denn heute können Besucher sich den anderthalb Meter langen Schädel des Wals oder seinen gewaltigen Rippenbogen anschauen und auch einen Blick ins Innere mit den plastinierten Organen werfen. Biologieunterricht der anderen Art.

So nah kommt man einen Wal nie!

So nah kommt man einen Wal nie!

Knochengerüst mit Durchblick

Knochengerüst mit Durchblick

Organgewirr im Rippenbogen

Organgewirr im Rippenbogen

Im Jadebusen werden immer wieder Schweinswale gesichtet. Es versteht sich von selbst, dass den Meeressäugern in der Ausstellung besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die Sichtung von Schweinswalen ganz alltäglich. Später machten die Tiere sich rar, und erst um das Jahr 2000 wanderten sie wieder in die südliche Nordsee ein. Rund 28.000 Tiere leben heute in der Nordsee, aber sie sind nicht einfach zu sichten, da sie sich unauffällig im Wasser bewegen.

Faszination Biologie! Das Blasloch eines Wals

Faszination Biologie! Das Blasloch eines Wals

Der Delphin von Wangerooge strandete im Jahr 1958. Ein Schüler der Humboldtschule in Wilhelmshaven fand das Tier und informierte seinen Lehrer. Der holte den Kadaver nach Wilhelmshaven und präparierte das Tier gemeinsam mit seinen Schülern. 1979 verschwanden die Knochen aus der Sammlung der Schule und tauchten später im Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven wieder auf. Und heute sind sie wieder in Wilhelmshaven zu sehen.

Der Delfin von Wangerooge

Der Delfin von Wangerooge

Schulunterricht Ende der 1950er Jahre

Schulunterricht Ende der 1950er Jahre

Wasser, Watt und Salzwiesen

Nichts ist so beständig wie der Wandel und das gilt besonders im Wattenmeer mit seinen verschiedenen Lebensräumen – Watt, Salzwiesen und Dünen.

Mit einem Ranger zu den Salzwiesen

Mit einem Ranger zu den Salzwiesen

Das eigentliche Watt ist die Fläche, die bei Flut überschwemmt wird und bei Ebbe trocken liegt – rund zwei Drittel des Wattenmeers. Der Name leitet sich vom altfriesischen ´wad´ ab, was mit ´seicht´ übersetzt werden kann. Wattflächen entstehen da, wo der flache Boden die Kraft von Wellen und Strömung abbremst. Feste Bestandteile, die vom Wasser herangetragen werden, können hier absinken und es entsteht ein Lebensraum mit enormem Nahrungsreichtum und und einer Fülle an Leben: Mikroalgen, Muscheln und Sandwürmer.

Eine Graugans in den Salzwiesen

Eine Graugans in den Salzwiesen

Die Salzwiesen sind ein ganz besonderer Lebensraum, zwischen Land und Meer gelegen. Im Frühjahr erwacht hier das Leben und alles blüht und gedeiht. Das Besondere an den Pflanzen: da sie Salzwasser bekommen und auch regelmäßig überflutet werden, sind sie sehr fest und derbe. Sie müssen sich mit dicken Stängeln und festen Blättern gegen das Salzwasser schützen.

Gestatten, der Rotschenkel

Gestatten, der Rotschenkel

Die Salzwiesen sind ein wahres Paradies für Insekten und ebenso für Enten, Gänse und Watvögel. Der Rotschenkel ist ein ganz typischer Vertreter. Warum muss ich nur gerade an die köstlichen Gerichte mit Salzwiesenlämmern denken oder an so manchen Rum aus Martinique, bei dem man schmeckt, dass das Zuckerrohr in Salzwasser stand?

Zugvögel und Fischerei

Auch internationale Besucher machen sich den Nahrungsreichtum im Watt zunutze. Unfassbare 12 Millionen Zugvögel rasten hier und tanken Energie auf ihren jährlichen Flügen zwischen den Brutgebieten im Norden und den Überwinterungsgebieten im Süden. Es gibt kaum vogelreichere Gegenden auf der Welt.

Zugvögel über dem Wattenmeer

Zugvögel über dem Wattenmeer

Spannend zu lernen, dass sich die Vogelarten durch die Länge und Form ihres Schnabels unterscheiden. Jeder Vogel gelangt an seine Leibspeise – ob es sich um einen Wurm handelt oder an eine Beute, die sich unter der Oberfläche verbirgt. Vielleicht ist auch eine harte Schale zu knacken.

Mehr Flausch geht kaum!

Mehr Flausch geht kaum!

Dieser Zugvogel ist angekommen

Dieser Zugvogel ist angekommen

Auch die Fischerei spielt an der Nordsee eine bedeutende Rolle. In der Nähe der Küste werden vorrangig Garnelen und Miesmuscheln gefischt, in den Außenbereichen des Wattenmeers dann Plattfische. Der Klimawandel macht sich auch hier schon bemerkbar. Kälteliebende Arten wie der Kabeljau ziehen sich nach Norden zurück, während verstärkt mediterrane Sorten wie Sardinen ins Netz gehen.

Fischerei in der Nordsee, damals und heute

Fischerei in der Nordsee, damals und heute

An Bord von Krabbenkutter Daggi

An Bord von Krabbenkutter Daggi

An Bord eines alten Krabbenkutters

An Bord eines alten Krabbenkutters

Interaktive Mitmachstationen

Das Besucherzentrum Wattenmeer versteht sich auch als pädagogische Einrichtung, und so gibt es zahlreiche Mitmachstationen, an denen sich Eingriffe in die Natur simulieren lassen.

Kannst du Wilhelmshaven retten?

Kannst du Wilhelmshaven retten?

So leid es mir tut, ich habe die Sturmwarnung wohl gesehen, konnte aber nicht verhindern, dass Wilhelmshaven in den Fluten absäuft…. So ist das, wenn man versucht, das Smartphone, einen Kuli und ein Blöckchen in den Händen zu halten und gleichzeitig die Welt zu retten. Meine Generation hat es wohl vergeigt.

Sturmwarnung!

Sturmwarnung!

Jens Wand – Vogelkönig von Norderoog

Spannend zu sehen ist auch die Hütte von Jens Wand – 12 Quadratmeter für den Vogelschutz. Jens Sörensen Wand wohnte jahrzehntelang, jeweils vom Frühling bis zum Herbst, als Vogelwart auf der Hallig Norderoog. Böse Zungen könnten behaupten, dass er diese Arbeit annahm, um seiner Frau und den sieben Kindern auf dem Festland zu entkommen. Wand fand jedoch tatsächlich hier seine Berufung und setzte sich mit unkonventionellen Methoden und auch körperlicher Kraft für den Schutz der Seevögel ein. Vogeleier galten damals als Delikatesse und die Federn der Seevögel fanden in der Hutmode Verwendung. Jens Wand starb im Alter von 75 Jahren, als er nachts versuchte, das Watt zwischen den Halligen Hooge und Norderoog zu durchqueren. Ich kann mir gut vorstellen, dass das ein Tod war, so wie er ihn sich immer gewünscht hat.

Spartanisch: Die Hütte von Jens Wand

Spartanisch: Die Hütte von Jens Wand

Auch die Hütte hat eine bewegte Geschichte, denn sie wurde bereits 1866 als Unterkunft für Arbeiter und Hirten errichtet. Nach einem Brand wurde sie neu aufgebaut und diente ab 1909 als Vogelwärterhütte. Wenige Jahre später war sie schon baufällig, aber die Eichenpfähle und der Balkon stammen noch aus der Zeit. Man verstärkte die Seiten mit Wellblech, um sie vor Wind zu schützen. Die Ausstattung ist jedenfalls mehr als spartanisch – ein Bett, ein Schrank und ein Tisch. Fließendes Wasser gab es selbstredend nicht, so dass neben der Hütte eine Tonne stand, um das Regenwasser aufzufangen. Ein Toilettenhäuschen war in geruchssicherer Entfernung zu finden. Bis 1977 wurde die Hütte von Vogelforschern genutzt und dann durch einen komfortableren Wohncontainer ersetzt. Die alte Hütte von Jens Ward wurde 1995 abgebaut und im Besucherzentrum originalgetreu wieder zusammengesetzt.

Lebenswerk: der Schutz der Seevögel

Lebenswerk: der Schutz der Seevögel

Neugierig geworden?

Wenn ihr mehr über das Wattenmeer Besucherzentrum wissen wollt, dann schaut euch doch einmal auf der Website um. Träger des Besucherzentrums ist übrigens ein gemeinnütziger Verein, zu dessen Mitgliedern an der Küste aktive Naturschutzverbände und die Stadt Wilhelmshaven gehören. Ergänzt wird das Angebot des Besucherzentrums durch Naturerlebnisveranstaltungen wie die Südstrandsafaris zu den ´Small Five´ oder Fahrten zu den Seehundbänken mit der MS ´Harle Kurier´.

Wilhelmshaven ist übrigens Teil des Verbandes der niedersächsischen Städte, about cities. Weitere Mitglieder dieses illustren Kreises sind zum Beispiel so unterschiedliche Städte wie Bremerhaven oder Göttingen. Im Norden gibt es viel zu entdecken!

Informationen über den Nationalpark Wattenmeer bietet diese Website. Was für ein schönes Motto: Meeresgrund trifft Horizont.

Die Kegelrobben sind zurück

Die Kegelrobben sind zurück

Offenlegung

Für mich gehörte der Besuch des Wattenmeer Besucherzentrums zum Rahmenprogramm des Tourismuscampus, der regelmäßig von der Jade Hochschule ausgerichtet wird. Ich danke den Sponsoren für die Möglichkeit, das Zentrum nach einem mehrere Jahre zurückliegenden Besuch ganz neu entdecken zu dürfen. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.

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