Die Sommebucht – eine Reise ins Licht

Einfach magisch: Der Blick über die SommebuchtEinfach magisch: Der Blick über die Sommebucht

Wie schön es ist, morgens in einer neuen, unbekannten Umgebung aufzuwachen! Wir waren im Dunkeln in unserer Unterkunft am Cap Hornu angekommen. Nur die Umrisse des Hotels ließen sich erahnen, aber wir sahen in der dunklen Nacht rein gar nichts von der Umgebung. Nicht schlimm, denn nach einem langen Tag in den wunderbaren Gärten der Abtei von Valloires wollten wir nur in aller Ruhe etwas essen und trinken, die Ereignisse des Tages Revue passieren lassen, freuten uns ansonsten auf eine ruhige Nacht. Zu hören war nur das Geschrei der Möwen und der Geruch der jodhaltigen See lag in der Luft. Über uns ein Himmel voller Sterne.

Was uns am nächsten Morgen erwartet, das ist eine der schönsten Buchten der Welt: die Somme-Bucht. Wie auch an der deutschen Nordseeküste, ist es die unglaubliche Weite, die mich sofort begeistert. Das Licht ist noch ein bisschen diffus, aber es gibt nichts, was den Blick aufhält. Ich verstehe sofort, was die Maler und Fotografen aus aller Welt nach Nordfrankreich lockt.

Eine der schönsten Buchten der Welt

Eine der schönsten Buchten der Welt

Eine der schönsten Buchten der Welt

72 Quadratkilometer groß ist die Somme-Mündung, und wir stehen fast ganz alleine an der Wasserkante. Aus den Dünen grüßt eine Frau, die mit ihrem Hund unterwegs ist; ansonsten ist kein Mensch zu sehen. Unser Blick gleitet über die flache Landschaft und die Wasseroberfläche. Wir entdecken ein dunkles Köpfchen im Wasser und wissen zunächst gar nicht, ob wir unserem Blick trauen können – eine Robbe! Sie ist Teil der größten Robbenkolonie Europas. Mir kommt ein altes Kinderlied in den Sinn: „Auf den hohen Felsenklippen sitzen sieben Robbensippen, die sich in die Rippen stippen, bis sie von den Klippen kippen.“ Die Sommebucht ist ein besonderes Biotop, in dem zwei Robbenarten leben: die Kalbsrobbe mit rund 500 Tieren und die Kegelrobbe mit rund 200 Vertretern. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten sie die Küsten des Nordens verlassen, seit den 1980er Jahren jedoch hat sich der Bestand erholt – zur Freude der Besucher. Daneben gibt es hier Wasservögel und die Zugvögel machen auf ihrem Weg in den Süden hier Halt.

Lichtzauber über der Sommebucht

Lichtzauber über der Sommebucht

Zwei unterschiedliche Milieus finden sich hier: das Wattenmeer, das täglich den Wechsel von Ebbe und Flut erlebt, und der Küstenstreifen mit den Salzfeldern, die nur bei schweren Fluten überschwemmt werden.

Wusstet ihr, dass es einen Club der schönsten Buchten der Welt gibt? Ich nicht, aber hier erfahre ich, dass die Sommebucht seit mehr als 20 Jahren dazugehört. Seit 2011 gilt die Bucht als Grand Site de France; sie gehört der Ramsar-Konvention der Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung an und bildet den Regionalen Naturpark Baie de Somme – Picardie Maritime. 134 Kommunen gibt es im Bereich des Naturparks – wir werden später eine davon besuchen. Zunächst aber wollen wir von einer höher gelegenen Position auf die Bucht blicken. Wir machen uns auf den Weg zu einer kleinen Seefahrerkapelle.

Ausblick von Cap Hornu

Ausblick von Cap Hornu

Die Kapelle der Seefahrer

Die Kapelle Saint-Valery trägt den Beinamen der Kapelle der Seefahrer und liegt auf den Höhen des Cap Hornu. Eigentlich hatten einst die Gemüsebauern die Kapelle errichten lassen, aber es waren die Seefahrer, die das Geld für die aufwändige Renovierung der Kapelle spenden konnten. Von hier bietet sich einer der schönsten Ausblicke über die Sommebucht.

Die Kapelle der Seefahrer

Die Kapelle der Seefahrer

Die Kapelle wurde einst errichtet, um die sterblichen Überreste des Eremiten Walric aufzubewahren. Dieser war im Jahr 611 in die Sommebucht gekommen, um die Region zu evangelisieren. Das heutige Aussehen der Kapelle geht auf einem Neubau zurück, der 1880 fertiggestellt wurde. Ich sehe kariert: weißer Stein ist abwechselnd mit Feuerstein verbaut.

 

Malerisches Fischerdorf: Saint-Valéry-sur-Somme

Nach dem Blick über die Sommebucht von dieser erhöhten Position aus, machen wir uns auf den Weg in den kleinen Fischerort Saint-Valéry-sur Somme. Wir gehen hinunter zur Wasserkante und laufen vorbei an wunderschönen Belle-Epoque-Villen, bis uns am Ortseingang unser Guide in Empfang nimmt. Véronique und Saint-Valéry verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, denn ihre Vorfahren kamen bereits 1626 in den Ort und waren als Seeleute oder Bootsbauer tätig – so genau weiß man das nicht mehr. Wir lassen jedenfalls La Ferté, die neuzeitliche Unterstadt, links liegen und machen uns auf zur Entdeckung der mittelalterlichen Oberstadt.

La Buvette de la Plage - Vorfreude auf die neue Saison

La Buvette de la Plage – Vorfreude auf die neue Saison

Magische Lichtstimmung

Magische Lichtstimmung

Die Altstadt war seit dem 11. Jahrhundert von Befestigungsanlagen und Gräben umgeben. Der Zugang zur Stadt erfolgte über die gewaltigen Tours Guillaume, und weiter unten über die Porte de Nevers. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts wurden die maritimen Befestigungsanlagen weitgehend zerstört.

Die Porte de Nevers leuchtet!

Die Porte de Nevers leuchtet!

 

Die Ursprünge des Ortes sind eng mit der geografischen Lage verbunden. Menschliches Leben gab es wohl seit der Frühgeschichte und es heißt, auch die Griechen haben hier gesiedelt – das konnte jedoch nie durch archäologische Funde belegt werden. Leuconaus war der Name der Siedlung. Es folgten die Römer und später die Gallier.

Die Eglise St. Martin mit ihren schwarz-weißen Steinen

Die Eglise St. Martin mit ihren schwarz-weißen Steinen

Die Eglise St. Martin ist wie auch die Kapelle der Seeleute in einem Schachbrettmuster aus weißen Stein und Feuerstein gestaltet. Ihre Besonderheit sind die beiden gleich großen Kirchenschiffe. Die Kirchenfenster stammen aus dem 19. Jahrhundert, und man kann hier wunderschöne Votivschiffe anschauen.

Prächtige Votivschiffe sind im Kircheninneren zu sehen

Prächtige Votivschiffe sind im Kircheninneren zu sehen

Im Hafen von Saint-Valéry-sur-Mer sammelte einst Wilhelm der Eroberer seine Flotte, ehe er im Jahre 1066 zu Eroberung Englands an- und übersetzte. Im Inneren der Kirche ist heute noch eine Kopie des berühmten Teppichs von Bayeux zu sehen, um an diesen historischen Moment zu erinnern.

Wilhelm der Eroberer - eine Kopie des berühmten Teppichs

Wilhelm der Eroberer – eine Kopie des berühmten Teppichs

 

An der Außenseite des Kirchenbaus erkennt man noch die Spuren eines kleinen Hauses, das quasi an die Kirchenmauer angelehnt war. Hier wohnte einst eine Witwe, deren Aufgabe es war, das Regenwasser aufzufangen und an die Bewohner des Ortes zu verkaufen.

Stein - Grün - Bucht

Stein – Grün – Bucht

Der Blick über die Sommebucht mit dem Strandlokal im Winterschlaf

Der Blick über die Sommebucht mit dem Strandlokal im Winterschlaf

Eine weitere Persönlichkeit der französischen Geschichte war im Dezember 1430 in Saint-Valéry zu Gast, allerdings nicht freiwillig: Jeanne d´Arc. Die Gefangene wurde von Le Crotoy auf der gegenüberliegenden Seite der Sommebucht nach Rouen überstellt.

Durch dieses Tor schritt Jeanne d´Arc

Durch dieses Tor schritt Jeanne d´Arc

 

Die Anfänge des Tourismus in Saint-Valérie-sur-Somme gehen auf den Beginn des 19. Jahrhunderts zurück. Mediziner rühmten die Wohltaten eines Bades im Meer und die Literatur der Romantik feierte die maritimen Landschaften. Hinzu kam der Bau der Eisenbahnlinie Paris – Boulogne-sur-Mer, der die Orte an der Sommebucht leichter zugänglich machte. Fortan schwappte jeden Sommer eine Welle von Aristokraten, reichen Bürger, Künstler und Schriftsteller in den Ort. Es entstanden schmucke Villen, Casinos und Hotels, zu deren Gästen Jules Verne, Colette, Victor Hugo, Anatole France, Edgar Degas und Julien Green zählten.

Prächtige Villen mit Blick über die Bucht

Prächtige Villen mit Blick über die Bucht

Das Haus des Malers Louis Braquaval

Das Haus des Malers Louis Braquaval

Auch Heinrich Böll war in Saint-Valéry-sur-Somme, er kam allerdings nicht als Tourist. Der spätere Literaturnobelpreisträger war von Juni bis September 1940 und von Mai 1942 bis Oktober 1943 in Le Tréport, Saint Omer und Cap Gris Nez stationiert, und diese Erfahrung prägte sein ganzes späteres Leben. Die Geschichte ist überall präsent und ich muss daran denken, welche enorme Bedeutung der Gedenktourismus für Nordfrankreich  hat. Die Friedhöfe, die an die Schlachten des Ersten Weltkriegs erinnern, haben mich bei früheren Reisen schon enorm beeindruckt, gerade auch in ihrer Unterschiedlichkeit. Ich nehme mir vor, Bölls ´Brief an die Mutter´ noch einmal lesen.

Der unglaubliche Charme alter Steine

Der unglaubliche Charme alter Steine

 

In den 1980er Jahren wurde man sich bewusst, welchen Naturschatz die Sommebucht darstellt. Der Bau des Tunnels unter dem Ärmelkanal führte zu einem Aufschwung der Sommebucht als Destination des Naturtourismus.

Anstieg mit Ausblick über die Bucht

Anstieg mit Ausblick über die Bucht

Orientierung: Im Parc du Marquenterre

Orientierung: Im Parc du Marquenterre

Im Vogelreservat Parc du Marquenterre

Der Parc du Marquenterre ist ein ganz besonderes Fleckchen Erde, gelegen im Nordosten der Sommebucht, und umfasst rund 200 Hektar Dünen, Wälder und Sumpfgebiet, gelegen zwischen Meer und Binnenland. Ein geschützter Raum, der seit 1973 mehr als 300 Vogelarten einen Lebensraum gibt. Ursprünglich sollte das Gebiet eine ganz andere Bestimmung haben: Michel Jeanson wollte in der Polderlandschaft Tulpen und Hyazinthen züchten. Doch die Konkurrenz aus den Niederlanden war übermächtig und so können sich heute die Besucher heute je nach Kondition und Interesse, mit einem Fernglas ausgestattet, auf verschiedene Rundwege begeben. Insgesamt 13 Beobachtungsposten verraten viel Wissenswertes über die Vogelwelt und Ranger stehen bereit, um ahnungslosen Stadtbewohnern Fragen zu beantworten. Ein ´Trail Book´ enthält zudem Fotos von all den Vögeln und Pflanzen, auf die man bei der Entdeckungsreise in die Natur stoßen kann. Eine magische Reise!

Die Aussichtsplattform bietet einen prachtvollen Blick über das Vogelschutzgebiet

Die Aussichtsplattform bietet einen prachtvollen Blick über das Vogelschutzgebiet

Die Dämmerung setzt ein im Vogelschutzgebiet

Die Dämmerung setzt ein im Vogelschutzgebiet

Uns erwartet mit beginnender Dämmerung ein ganz besonderes Erlebnis: der Küchenchef des Restaurants La Tablée du Marquenterre demonstriert uns sein Verständnis einer nachhaltigen, saisonalen und in der Region verwurzelten Gastronomie. Wir kosten eine Blumenkohlcreme mit geräucherter Forelle, rote Bete mit Ziegenfrischkäse, ein Kürbissüppchen mit gereiften Ziegenkäse und schließlich Lauchgemüse mit Muscheln und Sonnenblumenkernen. Bei jedem einzelnen Produkt kann Benoit Varlet einiges über die Produzenten erzählen und ihn für uns geografisch in der Sommebucht verorten. Serviert werden all diese Köstlichkeiten in Weckgläschen, die Benoit in Deutschland gefunden hat. Und das Beste: diesen Apéritif auf einer Terrasse mit Ausblick können auch Besuchergruppen buchen. Oder die Köstlichkeiten im Restaurant genießen.

Eine Adresse für Feinschmecker

Falls ihr jetzt richtig Hunger gekommen habt: im quirligen Zentrum von Le Crotoy lockt das Carré Gourmand Gäste mit einer überaus kreativen und leckeren Küche an. Nur wenige Plätze hat das Restaurant, und Chef Philippe Carré kann auf ein ganzes Netzwerk an regionalen Produzenten zurückgreifen, um seinen Gästen feine Gerichte auf den Teller zu zaubern. Einfach köstlich, diese Sommebucht!

Küche vom Feinsten im Carré Gourmand

Küche vom Feinsten im Carré Gourmand

Ein Dessert geht immer, oder?

Ein Dessert geht immer, oder?

Offenlegung

Ich hatte das große Glück, eine Gruppe deutscher Journalisten und Fotografen auf einer Pressereise begleiten zu dürfen, zu der der Tourismusverband der Region Hauts-de-France in Kooperation mit Somme Tourisme eingeladen hatte. Ich danke Myriam Maes und Céline Florek für das phantastische und entdeckungsreiche Programm. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.

You´ll never walk alone

You´ll never walk alone

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2 Kommentare

  1. Schöner Artikel! Bei mir in der Nähe (Atlantikküste, Südbretagne) gehört auch die Bucht von La Baule zu den „Schönsten Buchten der Welt“.

    • Monika

      Das wusste ich nicht, liebe Andrea! Dabei habe ich auch die Bucht vor Jahren einmal gesehen.

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