Rostock rustikal

Rostock und die zwei Kräne im StadthafenRostock und die zwei Kräne im Stadthafen

Die Entdeckungsreise an der Ostsee geht weiter! Nachdem ich dem Charme von Lübeck und Wismar verfallen bin, fahre ich weiter nach Rostock, Hanse- und Universitätsstadt und mit knapp 210.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Rostock ist keine Stadt, die ihre Schönheit auf den ersten Blick enthüllt – zumindest nicht, wenn man mit dem Zug anreist. Vor dem Bahnhof stehen die üblichen Imbissbuden und es gibt viel Freifläche. Auch auf dem Weg in die Innenstadt sehe ich – ganz anders als in Stralsund – noch keine attraktive Architektur, sondern im Gegenteil moderne Bauten, groß geplant und groß gebaut, aber ohne besonderen Reiz. Ich ahne, dass Rostock eine wechselvolle Geschichte erlebt hat.  

Stadt am Wasser

Sehr schnell wird mir klar: das Herz von Rostock schlägt am Wasser! Zwischen dem Stadthafen und dem Ostseebad Warnemünde, das zum Rostocker Stadtgebiet gehört, kann man die ganze Bandbreite maritimer Kultur erleben. Vom kleinen Segelboot bis hin zum Kreuzfahrtschiff… 

Am Stadthafen Rostock - hier lässt es sich gut aushalten!

Am Stadthafen Rostock – hier lässt es sich gut aushalten!

Eyecatcher am Stadthafen, am Ufer der Warnow, sind die beiden imposanten historischen Kräne auf der Haedgehalbinsel. Hier ist viel Freifläche und ich stelle mir vor, dass hier einst große Mengen an Gütern umgeschlagen wurden, mit Hafenarbeitern, die zwischen Containern umherwuseln. Der Güterumschlag wurde 1960 an den Seehafen verlegt. Heute ist der Stadthafen vor allem die Flaniermeile Rostocks. 

Rostock und die zwei Kräne im Stadthafen

Rostock und die zwei Kräne im Stadthafen

Um den Erhalt historischer Wasserfahrzeuge und die Pflege des maritimen Erbes geht es im Museumshafen. Ein eingetragener Verein hält hier die Werte von Schiffbaukunst, Marinetraditionen und der Geschichte des Handels und der Fischerei sowie die Arbeitswelt des Menschen hoch. 

Der Museumshafen in Rostock

Der Museumshafen in Rostock

 

Pralles Leben im Stadthafen Rostock

Pralles Leben im Stadthafen Rostock

Auch einen echten Eisbrecher kann man bewundern: die Stephan Jantzen, Baujahr 1967, ist 68 Meter lang und war in der Lage, 2,5 Meter dickes Packeis zu durchbrechen. In der Admiralitätswerft Leningrad erbaut, war der Eisbrecher bis 1990 für das Seefahrtsamt der DDR unterwegs. Die DDR ist untergegangen und die weitere Geschichte des Eisbrechers wechselvoll: von einer griechischen Reederei ersteigert, nach Panama umgeflaggt, dann Spielzeug eines amerikanischen Immobilienhändlers – es folgen eine erneute Umbenennung und unklare Besitzverhältnisse, bis die Stadt Rostock den Eisbrecher 2018 für einen Schnäppchenpreis ersteigert. 

Eisbrecher Stephan Jantzen

Eisbrecher Stephan Jantzen

Ein weiterer Hingucker ist die Santa Barbara Anna – ein wunderbarer Dreimast-Toppsegelschoner. Auch die Geschichte dieses Schiffes ist wechselvoll, denn es wurde ursprünglich, 1951 als Vanessa Ann in England als Dieseltrawler für den Hochseefischfang im Nordatlantik gebaut. Im sog. Kabeljaukrieg beschädigt, sollte es als Werkstattschiff im Südpazifik genutzt werden. So weit kam es nicht, und es folgte 1984 / 1985 ein Umbau in Cornwall. Man wollte feierwillige Tagesgäste befördern und unter Deck entstanden eine klimatisierte Diskothek und eine Bar. 1985 folgten die ersten Versuche als Segler, doch mit der Karriere in der Karibik wollte es nicht so recht klappen – die dortigen Touristiker wehren sich gegen die unliebsame Konkurrenz. Auftritt der Kelly Family: 1993 kauft Joey Kelly das Schiff und lässt es für die singende Großfamilie umbauen. Barbara Anna ist übrigens der Name der Mutter des Kelly-Clans. 1995 kommt das Schiff erstmals nach Rostock. Da die Kellys es nicht oft nutzen können, kümmert sich seit 2014 ein gemeinnütziger Verein um den Erhalt des Großseglers. Wer mag, kann einen Segeltörn auf der Santa Barbara Anna buchen. 

Die Santa Barbara Anna

Die Santa Barbara Anna

Ein Straßenschild an der Kaikante nimmt mich mit in die Literaturgeschichte: Kempowskiufer. Walter Kempowski wurde 1929 in Rostock geboren und verbrachte hier seine Kindheit und Jugend. Er macht die Stadt in einigen Bänden seiner autobiografischen Romanreihe der ´Deutschen Chronik´ zum Schauplatz der Handlung. Das Kempowskiarchiv beherbergt heute Teile seines Werkes. 

Die Hafentreppen auf der Silohalbinsel

Die Hafentreppen auf der Silohalbinsel

Und schon komme ich zur Silohalbinsel, wo die Hafentreppen der ideale Ort sind, um den Tag ausklingen zu lassen. 

Stadt der Geschichte

Rostock erhielt 1218 die Stadtrechte und zählt zu den Hansestädten. Bereits im 12. Jahrhundert gründeten Kaufleute aus verschiedenen Hafenstädten eine Schutzgemeinschaft, die zum Ziel hatte, den Handel sicherer zu machen. Rostock war hier ganz weit vorne und man baute das Gemeinwesen und die Stadt nach den Bedürfnissen des Handels aus. Große Märkte in Hafennähe, breite Hauptstraßen und ein gitterförmiges Straßennetz zeugen noch heute davon. Rostock wurde schnell eine der größten, reichsten und fortschrittlichsten Metropolen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Zu Hochzeiten segelten 370 Schiffe unter städtischer Flagge. 

Markttreiben auf dem Neuen Markt

Markttreiben auf dem Neuen Markt

Der Neue Markt ist der Markt der ehemaligen Mittelstadt, riesig groß und vom Möwenbrunnen mit seinen griechischen Götterwelten dominiert. Auf einem Teil des Platzes findet ein Markt statt und ich schaue mir das Angebot an Waren an. Die Terrassen der Cafés sind gut besucht – die Gäste folgen hier dem Lauf der Sonne.

 

Der Reichtum der Hanse zeigt sich am Rathaus aus dem Jahr 1270 mit seinen sieben Türmen und der Schauwand aus Backstein. In späteren Jahren kamen ein barocker Laubengang und sieben Bögen hinzu. Bald entstanden auch prächtige Häuser der Patrizierfamilien und der reichen Handwerker. 

Das rosa Rathaus in Rostock

Das rosa Rathaus in Rostock

Die Kröpeliner Straße kann heute als Lebensader Rostocks gesehen werden. Die Einkaufsstraße führt vom Neuen Markt zum Kröpeliner Tor, einem sechsgeschossigen Tor, in dem man eine Ausstellung zur Stadtbefestigung anschauen kann. 

Die parallel verlaufende, näher am Wasser gelegene Lange Straße zeugt von einer anderen Epoche. Sie ist die längste Straße im historischen Stadtkern und wurde zu DDR-Zeiten als Aufmarschstraße mit monumentalen Bauten im hanseatischen Stil umgestaltet.  

DDR-Architektur an der Langen Straße

DDR-Architektur an der Langen Straße

Die Wallanlagen verlaufen auf der anderen Seite ungefähr parallel zur Kröpeliner Straße und sind unter anderem vom Kröpeliner Tor aus zugänglich. Früher dienten die Befestigungsanlagen dem Schutz vor Eindringlingen und heute ist hier ein Naherholungsgebiet entstanden, in dem Blumenrabatten die Besucher empfangen. Es gibt alte Bäume und einen Rosengarten, auch einen Durchgang zur Universitätskirche. 

Naherholungsgebiet Wallanlagen

Naherholungsgebiet Wallanlagen

Der Papst gab seinen Segen: im Jahre 1419 beschloss der Rostocker Rat die Gründung der ersten Universität Nordeuropas. Das Hauptgebäude liegt zentral in der Stadt, nahe der Petrikirche und dem Zisterzienserkloster Zum Heiligen Kreuz. Es wurde 1870 im Stil der mecklenburgischen Renaissance erbaut. Die Figuren an den vier Pfeilern des Gebäudes verkörpern die alten Fakultäten – Medizin, Jura, Philosophie und Theologie. 

Das Hauptgebäude der Universität Rostock

Das Hauptgebäude der Universität Rostock

Detail des Portals

Detail des Portals

Stadt der Kirchen

Direkt am Neuen Markt liegt die Marienkirche, die größte und vielleicht schönste Kirche Rostocks. Bei all der prächtigen Ausstattung ist die astronomische Uhr ein ganz besonderer Hingucker. 

Blick vom Neuen Markt zur Marienkirche

Blick vom Neuen Markt zur Marienkirche

Die Astronomische Uhr in St. Marien

Die Astronomische Uhr in St. Marien

Die St. Nikolaikirche ist die älteste noch erhaltene Hallenkirche im Ostseeraum. Baubeginn war im Jahr 1230; heute begegnen sich hier Kirche, Kunst und Kultur. 

Am Alten Markt liegt die St. Petrikirche, die höchste Kirche der Stadt, die auch für Seeleute weithin sichtbar war. Der Turm ist ganze 117 Meter hoch. Hier wirkte ab 1523 Joachim Slüter als Kaplan. Er wurde durch seine niederdeutschen Predigten zum Vermittler des lutherischen Glaubens. Rostock wurde zur ersten lutherischen Stadt in Mecklenburg und zum geistigen Zentrum der Reformation.

Stadt der Kunst

Eine ganz unverhoffte Entdeckung ist das Kloster zum Heiligen Kreuz, das sich direkt an den Wallanlagen befindet. Das Zisterzienserkloster wurde 1270 durch die dänische Königin Margarete gestiftet und benannt nach einem Splitter vom Kreuz Christi, den Margarete der Legende nach von einer Pilgerfahrt nach Rostock gebracht haben soll. Das Kloster ist wird heute als Kulturhistorisches Museum Rostock genutzt. Zur Klosteranlage gehören die heutige Universitätskirche, der Kreuzgang und das Refektorium. 

Einst Kloster, heute das Kulturhistorische Museum Rostock

Einst Kloster, heute das Kulturhistorische Museum Rostock

Die Königin im Hof des Klosters, den Nonnen das Reliquiar überreichend

Die Kunsthalle Rostock – schöne Lage im Schwanenteichpark

Die Sammlung ist unglaublich vielfältig und reicht von sakraler Kunst über niederländische Meister hin zu Kultur- und Stadtgeschichte. 

Eine Wohnzelle der Nonnen, mit Ausmalung aus dem 16. Jahrhundert

Eine Wohnzelle der Nonnen, mit Ausmalung aus dem 16. Jahrhundert

 

Ernst Barlachs ´Rächer´

Ernst Barlachs ´Rächer´

Ganz viel Charme haben die kleinen Wohnhäuser aus dem 18. Jahrhundert, die sich im Klosterhof finden. Sie werden ganz unterschiedlich genutzt, und so gibt es hier nicht nur ein kleines Café, sondern auch das Kempowski-Archiv. 

Das Café Kloster lädt zum Verweilen

Das Café Kloster lädt zum Verweilen

Charmanter Innenhof

Charmanter Innenhof

Kein Städtetrip ohne Museumsbesuch, und so steht der Besuch der Kunsthalle Rostock auf meinem Programm. Die Sonderausstellung fasziniert mich sofort, denn Udo Lindenberg erkor Rostock zur panischen Kulturhauptstadt 2023 und eine farbenfrohe und laute Ausstellung lockt unzählige Besucher. 

Die Kunsthalle Rostock zeigt die größte Ausstellung zu zeitgenössischer Kunst in Mecklenburg-Vorpommern und ist zugleich der einzige Museumsneubau der DDR. Erbaut wurde die Kunsthalle 1968 / 1969 im Stadtteil Reutershagen am Schwanenteich – nicht in der Innenstadt gelegen, aber gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der ostdeutschen Moderne und der Kunst des Ostseeraums. 

Architektur und Kunst - Kunsthalle Rostock

Architektur und Kunst – Kunsthalle Rostock

Eine Pause von der Kunst

Eine Pause von der Kunst

Gut gefällt mir die kontrastierende Optik: der Bau ist zweigeschossig, mit rotem Klinker und viel Glas im Erdgeschoss sowie einer weißen Strukturplattenverkleidung im Obergeschoss. Das untere Stockwerk ist höher und nutzt das Tageslicht, wobei die Ziegelmauern zu einem langsamen Wärmeaustausch führen. Mittlerweile ist der ganze Bau generalüberholt und energetisch saniert. Er bietet 1.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche und einen schönen Außenbereich, der zu einer Pause einlädt. 

Blick in die Kunsthalle: Fotografien von Dietmar Riemann

Blick in die Kunsthalle: Fotografien von Dietmar Riemann

Fotografische Nostalgie

Fotografische Nostalgie

Blick ins Schaudepot

Blick ins Schaudepot

Worauf ich nicht vorbereitet war: in Rostock sehe ich meinen ersten Nazi. Zumindest den ersten Nazi, dem man seine Gesinnung so überdeutlich ansehen kann, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes auf Abstand gehe. Es geschieht auf einem S-Bahnsteig in in der Nähe der Kunsthalle, Richtung Warnemünde. Ein junger Typ, vielleicht zwanzig Jahre alt, mit einem Haarschnitt, der zu Zeiten der Hitlerjugend der letzte Schrei war, kommt die Treppe herunter auf den Bahnsteig. Er trägt ein schwarzes T-Shirt auf dem ´Vizeweltmeister 1945´ zu lesen ist, darunter ein deutschen Kreuz. Für seine Begleiter scheint dieser Aufzug normal. Wenige Haltestellen weiter liegt Rostock Lichtenhagen. Hier fanden 1992 über mehrere Tage hinweg die schlimmsten rassistischen und fremdenfeindlichen Ausschreitungen seit Gründung der Bundesrepublik statt. 

Weiter geht meine Reise. Ich unternehme einen Ausflug in die DDR – ins Seebad Warnemünde.

Neugierig geworden?

Wenn ihr mehr über Rostock wissen wollt, dann schaut doch einmal auf der Website der Tourist Information vorbei. Was Mecklenburg-Vorpommern zu bieten hat, das verrät diese Website

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert