Ostalgie in Warnemünde

Warnemünde - die Westmole mit grünem, die Ostmole mit rotem LeuchtturmWarnemünde - die Westmole mit grünem, die Ostmole mit rotem Leuchtturm

Da, wo die Warnow in die Ostsee mündet, da liegt Warnemünde. Heute ein winzig kleiner Ort mit knapp 6.000 Einwohnern, der aber 1195 erstmals in dänischen Urkunden erwähnt wurde. Seit 1323 ist Warnemünde ein Stadtteil von Rostock, konnte jedoch vom Reichtum der Hansestadt nicht profitieren. Ursprünglich ist Warnemünde ein kleiner Hafen- und Fischerort – bis 1821 der Tourismus aufkommt. Bereits wenige Jahre später kommen auf die 1.500 Einwohner sagenhafte 1.000 Badegäste. 1886 werden Eisenbahnverbindungen nach Rostock und nach Berlin eröffnet, ebenso eine Verbindung mit dem Postdampfer nach Dänemark. Heute ist Warnemünde neben Kiel der bedeutendste Kreuzfahrthafen Deutschlands. Ich habe das Gefühl, in einer anderen Welt gelandet zu sein.

Sommerfrische

Sommerfrische

Mittelmole und Cruise Center

Mit der S-Bahn aus Rostock kommend, lande ich auf der Bahnhofshalbinsel und damit auch im neueren Teil des Hafens von Warnemünde. Der Neue Strom wird seit dem Hafenumbau 1903 als neue Schifffahrtsverbindung zum Stadthafen Rostock genutzt. Auf der Bahnhofshalbinsel liegt die Mittelmole mit dem bunten Fischmarkt. Fischrestaurants auf der einen, Fischbuden auf der anderen Seite, zum Wasser hin, locken Gäste an. Täglich gibt es hier Räucherfisch und fangfrischen Fisch aus der Ostsee. Auf der anderen Seite der Bahnhofsinsel wurde beim Bau des Überseehafens 1960 östlich des Neuen Stroms der Seekanal als tiefere und breitere Hafeneinfahrt gebaut. Hier fahren die Fähren auf die gegenüberliegende Seite des Seekanals, nach Hohe Düne, und die Fahrgastschiffe nach Rostock ab. 2005 wurde am Passagierkai ein moderner Kreuzfahrtterminal eröffnet. Ich muss an meine erste Kreuzfahrt denken… Damals ging die Reise nach Kiel.

Auf der Mittelmole

Auf der Mittelmole

Am Alten Strom

Über eine Holzbrücke laufe ich wenige Schritte zum Alten Strom, dem ursprünglichen Mündungsarm der Warnow. Der seit 1423 existierende Wasserarm war über Jahrhunderte die Schifffahrtsverbindung zur Ostsee und zum Rostocker Stadthafen.

Maritimer Charme in Warnemünde

Maritimer Charme in Warnemünde

Blick über den Alten Strom in Richtung Mole

Blick über den Alten Strom in Richtung Mole

Prächtige Häuser ´Am Strom´

Prächtige Häuser ´Am Strom´

Auf Plattdeutsch lautet der Name der Straße ´Vörreeg´ – vordere Reihe. Und hier wimmelt es vor Menschen. Die Straße ist auch wirklich schön anzusehen. Eine bunte Flaniermeile mit prachtvoll wiederhergerichteten Kapitäns- und Fischerhäusern, unzähligen Cafés, Kneipen und Boutiquen. Viel Sehnsucht nach längst vergangenen Zeiten ist hier zu spüren. So wird zum Beispiel für ein DDR-Softeis geworben. Leckeres Eis in einem Land, das von Mangel bestimmt war? Und was zeichnet die Ost-Berliner Currywurst aus? Egal, was man sich an einem der Verkaufsstände gönnt: man muss sein Essen gut vor den begehrlichen Blicken der Möwen schützen. Hier am Alten Strom starten auch die Hafenrundfahrten.

Backfisch & Co. - hier bleibt niemand hungrig

Backfisch & Co. – hier bleibt niemand hungrig

Auf der Westmole

Am Fuß der alten Lotsenstation führt die Westmole 500 Meter auf die Ostsee hinaus. Die Mole bildet den Schutz für die Hafeneinfahrt. Ich bin froh, dass es langsam ruhiger wird. Buden und Boutiquen liegen hinter mir, und damit auch das Gewusel an Menschen. Nur recht wenige Besucher nehmen den Weg zur Mole auf sich. Obwohl es Sommer ist, pfeift hier ein ordentlicher Wind, der mich kräftig durchpustet – wunderbar! Ab und zu fährt ein Schiff vorbei, ich höre eine Möwe kreischen. Vor mir nur Wasser, Wellen und Wind. Wie es hier wohl im Herbst oder Winter ist?

Auf dem Weg zur Westmole

Auf dem Weg zur Westmole

Leuchttürme an der Hafeneinfahrt Warnemünde

Leuchttürme an der Hafeneinfahrt Warnemünde

Windiger Ausblick

Windiger Ausblick

Leuchtturm & Teepott

Ich mache mich auf den Weg zurück in den Ortskern. Eins der Wahrzeichen von Warnemünde ist der 31 Meter hohe Leuchtturm aus weiß glasierten Ziegelsteinen. Er wurde in den Jahren 1897 / 1898 erbaut und kann von Ostern bis in den Herbst hinein auch besucht werden.

Architektur als Exportschlager der DDR

Architektur als Exportschlager der DDR

Direkt daneben steht der sog. Teepott aus dem Jahr 1968, ein dreigeschossiger Rundbau mit äußerst eigenwilliger Dachkonstruktion. Der Bau wurde von Ingenieur Ulrich Müther erdacht und steht seit 1984 unter Denkmalschutz. Warum? Die Dachkonstruktion ist ein Beispiel für die  Hyparschalenarchitektur – drei hyperbolische Paraboloidschalen, die eine architektonische Alternative zur DDR-Plattenbauweise darstellen und zum Exportschlager wurden. Das Dach hat einen Durchmesser von 30 Metern und zugleich eine hohe Standsicherheit. 2002 wurde er nach zehnjährigem Leerstand renoviert – heute befinden sich hier mehrere Restaurants.

Zwei Wahrzeichen: Leuchtturm und Teepott

Zwei Wahrzeichen: Leuchtturm und Teepott

Auf der Seepromenade

Ich flaniere ein Stückchen auf der Strandpromenade. Sie wurde vor gut 100 Jahren parallel zur Ostsee erbaut. Zahlreiche Hotels und Pensionen säumen den Weg und viel klassische Bäderarchitektur ist zu sehen. Der Blick auf Strand ist großartig – feiner, weißkörniger Sandstrand, der zum Teil 200 Meter breit ist. Übrigens: die Strandkörbe wurden hier 1882 erfunden. Korbmacher Wilhelm Bartelmann fertigte 1882 auf Wunsch einer rheumakranen Dame einen Windschutz, damit sie trotz ihrer Krankheit die Ostsee genießen konnte. Der erste Strandkorb bot einer einzelnen Person Platz, und ab 1902 entstanden die bis heute gebräuchlichen und kommunikativeren Zweisitzer.

An diesem Ostseestrand versteckt sich ein Hotel

An diesem Ostseestrand versteckt sich ein Hotel

Hotel mit Historie

Am Strand fällt ein Bau allein wegen seiner Größe auf: das Hotel Neptun. Ich frage mich, wer solch einen Kasten mit 68 Metern Höhe an den Ostseestrand setzt. Tatsächlich handelt es sich um ein Haus mit spannender Geschichte. Heute ist das Neptun ein Tempel der Gastlichkeit mit 5 Sternen, der Erholung durch Thalassoanwendungen verspricht. Eröffnet wurde das Hotel vor mehr als 50 Jahren, nämlich 1971. Die Website des Hotels schwärmt von 2,2 Millionen Gästen aus 122 Ländern und gelebter Gastfreundschaft, von Mitarbeitern, für die das Haus Lebensinhalt geworden sein. Man kann jedoch auch eine andere Geschichte erzählen, nämlich die eines Stasi-Hotels am Ostseestrand. Warnemünde war ein beliebter Badeort im Arbeiter- und Bauernstaat, das Neptun ein Quell des Luxus inmitten der DDR-Tristesse. Das Hotel zog vor allem auch West-Urlauber an. Fidel Castro, Uwe Barschel und Willy Brandt zählten zu den Gästen, auch Udo Lindenberg und Angela Merkel. Alexander Schalck-Golodkowski hatte eine ständige Suite im Hotel. Hier konnten Ost-West-Kontakte gepflegt und der Handel zwischen den beiden deutschen Staaten gefördert werden – ein Fest für die Stasi, deren Spitzel mittendrin saßen. Die Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte ist ganz sicher eine Mammutaufgabe für Historiker der kommenden Generationen.

Hotel mit Historie: das Hotel Neptun

Hotel mit Historie: das Hotel Neptun

Malerisch: die Alexandrinenstraße

Äußerst malerisch ist die Alexandrinenstraße. Der Name lautet auf Plattdeutsch ´Achterreeg´, was soviel wie hintere Reihe bedeutet. Hier wohnten eins Fischer, Seeleute und Lotsen in kleinen Giebelhäusern. Das viele Fachwerk gefällt mir ausgesprochen gut, ebenso die kleinen Vorgärten und der alte Baumbestand. Über Querstraßen gelangt man zur Vörreeg.

Die malerische Alexandrinenstraße

Die malerische Alexandrinenstraße

Hausnummer 31: das Heimatmuseum

Hausnummer 31: das Heimatmuseum

Ich muss sagen, dass Warnemünde mich ein wenig ratlos zurückgelassen hat. Gibt es sie wirklich, die Sehnsucht nach der alten DDR? Oder ist es eine Sehnsucht nach der Unschuld der Kindheit, wenn mit DDR-Eis geworben wird? Ossis wissen sicherlich um die Bedeutung der Architektur oder auch des Stasi-Hotels. Heute kommen sicher auch viele Wessis als Touristen – ich würde ihre Neugierde nutzen, und sie an die Hand nehmen, um viel mehr über die Geschichte der DDR zu vermitteln – im Guten wie im Schlechten. Wir müssen noch viel voneinander lernen. Die Entdeckungsreise geht weiter.

Neugierig geworden?

Falls ihr mehr über Warnemünde wissen wollt, dann schaut euch auf der Website der Tourist Information Rostock und Warnemünde um. Alles, war Mecklenburg-Vorpommern sonst noch zu bieten hat, erfahrt ihr hier.

Das Fischbrötchen immer im Blick!

Das Fischbrötchen immer im Blick!

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