Pilgerstätte für Nostalgiker: das Flippermuseum in Neuwied

Eight Ball - DetailEight Ball - Detail

Nach und nach sind sie aus dem öffentlichen Raum verschwunden, diese großen, blinkenden und fauchenden Maschinen. Zumindest mir ist es noch nicht einmal richtig aufgefallen, dass es irgendwann keine Flipper mehr gab. Vielleicht lag es auch daran, dass sich mit der Zeit die Lokale änderten, in denen ich meine Zeit verbrachte. Als ich Kind war, waren sie noch überall zu finden – in jeder Gaststätte und in jedem Lokal stand mindestens ein Flipper, der in regelmäßigen Abständen durch Blinklichter und eine helle Tonfolge auf sich aufmerksam machte. Von Zeit zu Zeit warf dann einer der Gäste eine Münze ein und spielte eine Runde. Und wehe, man versenkte zu viele Münzen! Heute gibt es einen Ort, an dem die Erinnerung an die Zeit der Flipper wachgehalten wird: das Deutsche Flippermuseum im beschaulichen Neuwied, in Rheinland-Pfalz.

Ein Flippermuseum?

Die Zeitreise in die magische Welt der Flipper kann man in Neuwied unternehmen. Das Gebäude in der Hermannstraße 9, unmittelbar im Stadtzentrum, sieht von außen recht unscheinbar aus, und auch im Inneren habe ich das Gefühl, in einem verwinkelten Wohnhaus zu sein. Dieses Haus hat es allerdings in sich.

Blick in die Ausstellung des Flippermuseums

Blick in die Ausstellung des Flippermuseums

Die Meilensteine der Flippergeschichte stehen hier bereit, um bestaunt und zum großen Teil auch bespielt zu werden. 150 Exponate von den 1930er Jahren bis in die Gegenwart hinein sind die große Leidenschaft von Axel Hillenbrandt, der zusammen mit Harald Fleischhauer und anderen Mitstreitern zunächst einen Verein und dann ein Museum gründete, um all diese Schätze der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 2006 öffnete das Museum seine Tore.

Frühe Spielgeräte

Kuschelig eng ist es gleich im Eingangsbereich, denn hier stehen dicht gedrängt neben dem Kassentresen auch gleich die ersten Exponate. Der auf der Fensterbank stehende Bajazzo ist eins der allerersten Kugelfangspiele und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in Berlin, Leipzig und Dresden gebaut. Der Favorit stammt aus dem Jahr 1939 und wurde von der Firma Bergmann erdacht. Er funktioniert elektromechanisch, verfügt aber schon über eine Punkteanzeige, die zugleich als Werbefläche dient.

Dinosaurier der Spielgeräte

Dinosaurier der Spielgeräte

Die Firma von Hans Melchers aus Viersen am Niederrhein war führend im Bau der Flipper aus Holz. Sie stammen vom Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre und sehen unglaublich brav und harmlos aus. Der englische Name dieser Geräte lautet Pinball – sie haben noch keinen Flipperfinger. Rennen wurde 1938 von Erich Büttner erdacht. An einem Federturm werden durch den Anschlag der Kugel Punkte gezählt.

Federturmlandschaft

Federturmlandschaft

Pinball!

Victory Ball ist ein früher Vertreter des Pinball – des Nadelspiels. Durch eine Feder wird eine Kugel auf eine schräge Ebene gebracht, um dort – wenn möglich – in einem der Kugelnester zu landen. Hier gibt es keinen überflüssigen Schnickschnack und auf eine künstlerische Gestaltung hat man weitgehend verzichtet. Dieses schmucke Modell stammt aus dem Jahr 1932 und wurde in den USA gebaut. Zwei Spieler konnten nacheinander spielen, und die Punkte musste man selbst zusammenrechnen. Offensichtlich war man mit wenig zufrieden. Immerhin: man konnte schon einen Extraball erspielen.

Victory Ball, 1932

Victory Ball, 1932

Die Flipperherstellung nimmt in den USA Fahrt auf, wobei die Produktion sich um Chicago konzentriert. Die Firmen Gottlieb, Bally und Williams sind die großen Namen. Der erste Flipperfinger wurde im Jahr 1947 entwickelt. Damit bezeichnet man die bewegliche Vorrichtung, mit der man die Metallkugeln immer wieder nach oben schießen und so im Spiel halten kann. Die frühen Flipper waren nach wie vor aus Holz, was allerdings den Nachteil hatte, dass gedankenlose Spieler ihre Zigaretten am Rahmen ausdrücken. Spätere Modelle wurden dann, um Brandschäden zu vermeiden, aus Metall gebaut. Die frühen Geräte funktionieren als elektromechanische Geräte, d.h. Relais und Schalter werden nacheinander aktiviert. Schnell kam die Idee auf, dass man auch zu mehreren spielen kann.

Superflipper

Ein besonderes Highlight der Sammlung ist der Superflipper, der eigentlich gar kein richtiger Flipper ist, sondern der erste Videoflipper weltweit. Ein Videospielautomat in der Gestalt eines Flippers – auf diese Idee muss man erst einmal kommen! Dieser Urahn aller modernen PC-Flipper wurde 1975 von der Chicago Coin Machine Manufacturing Company gebaut. Man weiß weder, wer für das Spieldesign verantwortlich ist, wer den Flipper künstlerisch gestaltet hat oder wie viele Exemplare gebaut wurden. Die Fachleute unter euch werden verstehen, was mit TLL Logik gemeint ist. Rein elektronisch – es gibt keinen Prozessor. Zum Punktezählen wurden Nixieröhren verwandt, die seit der Zeit der Mondlandung bekannt waren. Das Spielfeld wird auf einem 30 Zoll großen Röhrenmonitor angezeigt, d.h. die Spielfläche wird durch einen Röhrenmonitor ersetzt. Spieler steuern über Tasten den Spielverlauf.

Super Flipper

Super Flipper

Flipper-Nostalgie

Auch die Firma Gottlieb ist unglaublich präsent mit äußerst charmanten Flippern. Gegründet wurde das amerikanische Unternehmen bereits 1927 von Daniel Gottlieb. Die Flipper waren zunächst rein mechanische, später elektromechanische Geräte. Mir gefällt die Detailversessenheit der Spielemacher!

Um die Welt mit D. Gottlieb & Co.

Um die Welt mit D. Gottlieb & Co.

For amusement only!

For amusement only!

Freundliche Aufforderung zum Münzeinwurf

Freundliche Aufforderung zum Münzeinwurf

Eight Ball

Ein Flipper, der es mir besonders angetan hat, ist der Eight Ball aus dem Jahr 1977. Die Gestaltung lässt das Lebensgefühl der 1950er Jahre wieder aufleben. Ich muss unweigerlich an die großartigen Filme von James Dean denken. Offensichtlich bin ich nicht der einzige Fan des Billardspiels, denn es wurden mehr als 20.000 Exemplare weltweit gebaut.

Eight Ball

Eight Ball

Eight Ball - Detail

Eight Ball – Detail

Inspiration Film

Oftmals setzen Flipper erfolgreiche Filme in Szene. Spieler können so das Leinwanderlebnis verlängern oder die Spielgeräte liefern einen Anreiz, mal wieder ins Kino zu gehen. Übrigens: Wenn die Spieler in der Hitze des Gefechts zu arg am Flipper rütteln, dann beendet der seinen Dienst und das Spiel ist vorbei – Tilt.

Pirates of the Caribbean und Star Wars

Pirates of the Caribbean

Pirates of the Carribean ist hier ein prominentes Beispiel, 2006 in einer Auflage von 6.000 Exemplaren gebaut. Hier gibt es eine Schatztruhe, die sich öffnet. Ein Schiff, dessen Segel die Spieler zerstören können, bevor sie das ganze Schiff versenken.

Piratendetail

Piratendetail

Apollo 13 wurde in einer Auflage von nur 2.000 Stück gebaut. Das Gerät ist der größte Multiball aller Flipper mit 13 Bällen. Es gibt eine bewegliche Rakete, mit der der Ball gefangen wird, auch einen rotierenden Mond mit Magnet. Durch einen Rüttelmotor im Gehäuse kann ein Erdbeben simuliert werden. Ein großer Spaß für Weltraumfans!

Weltraumphantasien mit Apollo 13

Weltraumphantasien mit Apollo 13

Apollo 13 - Detail

Apollo 13 – Detail

Auch einen Helden meiner Kindheit treffe ich wieder: Popeye. Wie könnte es anders sein: Popeye rettet die Welt. Und zwar mit breiterem Spielfeld und Gehäuse sowie einer zweiten Spielebene.

Popeye!

Popeye!

Was Axel Hillenbrandt ganz wichtig ist: die Besucher sollen die Geräte erleben. Einfach alles ausprobieren und verschiedene Flipper testen. Das Spiel verändert sich und wird im Lauf der Jahre immer schneller. Früher konnte man mit DM-Stücken spielen, doch davon sind nicht mehr genug im Umlauf. Mittlerweile gibt er den Besuchern eigene Spielmünzen.

Um das Thema Glücksspiel und Poker dreht sich Pistol Poker aus dem Jahr 1993. Nur 200 Exemplare wurden weltweit gebaut. Falls ihr euch fragt, wieviel solch ein Flipper wohl kostet: bei einer limitierten Edition kann der Preis durchaus bei 12.000 € liegen.

 

Guns N´Roses

Guns N´Roses-Fans kommen beim gleichnamigen Flipper aus dem Jahr 1994 voll auf ihre Kosten, denn hier haben die Musiker beim Spieldesign mitgewirkt. Unterlegt ist das Spiel natürlich mit Musik der Band.

Für Fans: Guns N´Roses

Für Fans: Guns N´Roses

Von Granny zu Dirty Harry

Irgendwann begann man, Flipper und Computerspiel zu kombinieren. Seit Ende der 1970er Jahren kommt immer mehr Computertechnik hinzu, ebenso wie neue Themen – Horror kann man mögen, muss man aber nicht. Und auch das Frauenbild, das manche Flipper zeigen, ist vollkommen antiquiert. Vermutlich haben Marktforscher herausgefunden, dass nur Männer flippern und dabei vor allem leicht bekleidete Frauen mit üppigen Brüsten sehen möchten. Naja. Ich habe eher ein Faible für die Retro-Geräte, was sicherlich auch daran liegt, dass mir viele der großen Kinoerfolge überhaupt nichts sagen. Eins wird mir jedoch deutlich: die Ballphysik ist entscheidend. Und einen neuen Flipper zu gestalten ist eine Wissenschaft für sich. Es braucht einen Designer für Spielablauf und jemanden, der sich um die Lizenzen kümmert. Moderne Flipper erzählen Geschichten und sind von Missionen geprägt. Da wo´s blinkt, schießt man hin – so wie Dirty Harry.

Granny and the Gators

Granny and the Gators

Um die uramerikanische Institution eines Diner dreht es sich beim gleichnamigen Flipper aus dem Jahr 1990. Zu den Gästen dieses Diner zählen unter anderem die eiserne Lady Maggy Thatcher und Michael Gorbatschow.

American Diner

American Diner

Politikerraten

Politikerraten

Nach zwei Stunden im Flippermuseum brummt mir der Schädel, ich bin ein Opfer der Reizüberflutung. Ich stelle mir vor, das Museum hätte viel Platz, um alle Schätzchen würdig präsentieren zu können. Die Sammlung ist auf jeden Fall sehenswert und lässt ganz sicher die Herzen von Fans höher schlagen. Besuchen kann man das Museum jeweils am Samstag und Sonntag, von 14 bis 18 Uhr. Von Zeit zu Zeit werden auch lange Flippernächte organisiert.

Gibt es eigentlich ein Jukeboxmuseum?

Gibt es eigentlich ein Jukeboxmuseum?

Originell übernachten im Flipperhotel

Besucher, die das Erlebnis im Flippermuseum verlängern möchten, können dies im vermutlich einzigen Flipperhotel der Welt tun. Im obersten Stockwerk des Museums stehen Themenzimmer zur Verfügung. Medieval Madness oder High Speed – die Namen der beiden Zimmer sind eine Hommage an berühmte Spielgeräte und die Einrichtung entsprechend. Die Captain Fantastique Suite bietet Unterkunft für bis zu vier Personen. Schlafen muss man nicht unbedingt: die Gäste können die ganze Nacht zocken, denn in jedem Zimmer steht ein Flipper bereit.

Und sonst noch? Ein Besuch im Zoo!

Falls ihr nach dem Besuch des Flippermuseums etwas Ruhe sucht… Wie wäre es mit einem Besuch im Zoo? Der Zoo Neuwied ist der größte in Rheinland-Pfalz. 1.800 Tiere aus 185 Arten leben hier. Die Besonderheit: es handelt sich um einen privaten Zoo mit nicht ganz unproblematischer Vergangenheit, der aber heute wissenschaftlich geführt wird und sich vollkommen dem Artenschutz verschrieben hat. So leben hier zwei Berberlöwen aus dem Atlasgebirge – ein Geschenk des marokkanischen Königs. Weltweit gibt es nur noch 110 Tiere, keins davon freilebend.

Daniel Waked, Tierarzt und Kurator im Zoo Neuwied

Daniel Waked, Tierarzt und Kurator im Zoo Neuwied

Vielleicht habt ihr das Glück, Daniel Waked zu begegnen, Tierarzt und Kurator des Zoo. Man spürt, dass er für seine Aufgabe brennt, wenn er von den durch den Zoll beschlagnahmten Tieren erzählt oder von der Wildtierauffangstation. Er holt eine Python hervor und spricht von ihren Besonderheiten – um uns die Angst vor Schlangen zu nehmen. Ich muss an ein Erlebnis auf Martinique denken, als uns plötzlich ein Martiniquais mit Rastazöpfchen vorschlug, uns mit einer Tarantel bekannt zu machen.

Übrigens, im Restaurant des Zoos kann man unglaublich leckere italienische Küche und ganz große Gastfreundschaft genießen. Das Gebäude ist absolut unscheinbar und einen Namen hat das Restaurant auch nicht. Die Lasagne allerdings – eine Empfehlung der Küche – war sensationell!

Neugierig geworden?

Wenn ihr mehr über einen Besuch in Neuwied wissen wollt, dann schaut doch einmal auf der Website des Tourismusverbandes Romantischen Rheins vorbei. Oder aber direkt auf der Seite von Neuwied. Bei Mairdumont ist in der Marco Polo-Reihe ein Reiseführer von Holger Bernert erschienen – prall gefüllt mit Tipps und schmal genug für unterwegs. Natürlich werden das Flippermuseum und der Zoo Neuwied vorgestellt, man erfährt aber auch einiges über die Raiffaisenbewegung.

Offenlegung

Ich durfte auf Einladung der Romantischer Rhein Tourismus GmbH einen Tag in Neuwied verbringen, zusammen mit einer bunt zusammengewürfelten Gruppe von Instagramern. Der Romantische Rhein bezeichnet die Regionalagentur für das Mittelrheintal und deckt ein Gebiet von Remagen und Unkel bis Bingen und Rüdesheim ab. Sitz der Agentur ist Koblenz und sie ist Teil des Tourismusnetzwerks Rheinland-Pfalz.

Ich danke Kevin Kalfels und Vanessa Selent für die Einladung, die Organisation des Programms und für die spannenden Einblicke. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.

Habt ihr auch den besonderen Klang im Ohr?

Habt ihr auch den besonderen Klang im Ohr?

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