Rumproduzent und Kunstmäzen: die Fondation Clément

Zeitgenössische Kunst in moderner Architektur - Fondation ClémentZeitgenössische Kunst in moderner Architektur - Fondation Clément

Habt ihr auch diesen einen Ort, der euch ganz besonders in den Bann zieht? Der euch vom ersten Besuch an so vollkommen fasziniert, dass ihr immer wiederkommt und tatsächlich auch immer neue Facetten entdeckt? Bei mir ist dieser Ort die Fondation Clément auf Martinique.

Martinique ist reich an faszinierenden Orten und atemberaubenden Panoramen, aber die Fondation Clément kommt meiner Vorstellung vom Paradies auf Erden ziemlich nahe. Hier finden sich alle Themen vereint, die es mir besonders angetan haben: die überbordende Natur tropischer Gärten, alte Industrieanlagen, die an die großen Zeiten der Rumproduktion erinnern, und zeitgenössiche Kunst karibischer und afrikanischer Künstler, die in Europa vielleicht nur wenigen eingeweihten Experten überhaupt bekannt sind.

Martinique ist bunt!

Martinique ist bunt!

Ein tropischer Traumgarten

Das Erste, was der Besucher sieht, sobald er das Gelände getritt, ist der Garten. Der Begriff ´Garten´ ist eigentlich zu schwach, zu harmlos, um zu beschreiben, was man entdecken kann: ein Meer an Grün. Ein Grün von enormer Farbintensität, aber nicht in tropischer Wildnis. Die ordnende Hand des Menschen ist klar erkennbar, und ich wüsste zu gerne, wie viele Gärtner damit beschäftigt sind, das Gelände so gut in Schuss zu halten. Das französische Ministerium für Kultur und Kommunikation hat dem Garten der Fondation Clément 2015 das Label ´Jardin remarquable´ verliehen, also soviel wie ´bemerkenswerter Garten´- vollkommen zu recht.

Der Baum des Reisenden

Der Baum des Reisenden

Das Gelände ist sagenhafe 16 Hektar groß, und die Besucher können mehr als 300 Arten tropischer Pflanzen entdecken. Es blüht und wächst überall – was für eine Pracht!

Grazile Baumschönheiten in der Fondation Clément

Grazile Baumschönheiten in der Fondation Clément

Ein ganz eigenes Naturdenkmal ist der ´figuier maudit´, der verfluchte Feigenbaum. Ficus citrifolia lautet der lateinische Name dieses endemischen Baums der Karibik. Er hat die unangenehme Eigenschaft, alles, was sich ihm in den Weg stellt, mit seinen enormen Wurzeln im wahrsten Sinne des Wortes zu erwürgen und den Lebenssaft abzudrehen. Dank seiner Luftwurzeln schafft der Baum es, sich überall anzusiedeln, wenn der Same einmal von Vögeln weitergetragen wurde. Und das Exemplar im Park der Fondation Clément ist besonders schön mit seinem beeindruckenden Wurzelwerk.

Le Figuier Maudit

Le Figuier Maudit

Der neue Park wurde ab 1990 auf den alten, stillgelegten Industrieflächen der Habitation Clément angelegt. Die Rumproduktion war verlegt worden und es gab Brachland, das nach einer neuen Nutzung verlangte. Die alten Wasserbecken wurden zu Teichen umfunktioniert. Ich persönlich glaube ja, dieser Teich wurde nur angelegt, um die wunderschöne Spiegelung der mächtigen Bismarckpalmen zu ermöglichen!

Ein tropischer Traumgarten

Ein tropischer Traumgarten

Natürlich kann man auch Zuckerrohr sehen – das grüne Gold der Insel.

Ein Museum unter freiem Himmel

Als ob Schönheit und Vielfalt des Gartens nicht schon genug wären: Kunstfreaks können hier auch ein wunderschönes Open Air-Museum entdecken. Eingefügt in das satte Grün der Gartenanlage finden sich im Skulpturengarten faszinierende Werke zeitgenössischer Kunst. Eine erste Andeutung, was den Besucher später noch erwartet.

Miguel Chevalier auf Martinique

Miguel Chevalier auf Martinique

Schier unglaublich sind die Größenverhältnisse. Die Skulpturen, die hier ausgestellt sind, sind nicht klein, im Gegenteil. Aber neben den mächtigen Bäumen und Palmen müssen sie fast um Aufmerksamkeit ringen.

 

Ein Teil des Gartens erinnert an die industrielle Vergangenheit der Habitation: hier werden alte Maschinen ausgestellt. Ein Freilichtmuseum für die Gerätschaften, die zur Rumproduktion gebraucht wurden – Dampfmaschinen und Heizkessel lassen grüßen.

 

Industriekultur: die alte Destillerie

Der Rum hat über Jahrhunderte den Reichtum Martiniques gewährleistet. Jemand musste den Preis für diesen Reichtum zahlen, und am Thema Rum kann man sehr gut auch die Geschichte der Sklaverei studieren, die Gilbert Larose in seiner ´Savane des Esclaves´ eindrucksvoll nacherzählt.

Elf aktive Destillerien gibt es heute noch auf Martinique, und jede einzelne lohnt den Besuch, da sie tatsächlich alle unterschiedlich sind. Der Rum von Martinique trägt das AOC-Label und gilt als der Beste der Welt, da er alleine aus Zuckerrohrsaft destilliert wird und damit eine ganz besondere Qualität hat.

 

Seit dem 18. Jahrhundert gab es einige kleine landwirtschaftliche Betriebe auf dem Gelände der heutigen Fondation. Im Jahr 1847 erreicht die Domaine de l´Acajou durch den Zukauf einiger Grundstücke die heute Größe. Nur ein Jahr später werden die Karten durch die Abschaffung der Sklaverei neu gemischt; die Produktion ist durch die gestiegenen Produktionskosten nicht mehr rentabel und das Unternehmen muss Konkurs anmelden. 1887 betritt Homère Clément die Szenerie: er kauft das Gelände bei einer Versteigerung. Erst 30 Jahre später, nämlich 1917, errrichtet er eine Destillerie auf dem Gelände der alten Domaine de l´Acajou. Sein Sohn und Erbe Charles entwickelt zunächst die Rum-Marke Acajou, bis dann schließlich 1945 der Name Clément und der Rhum Clément zu einer Marke wird.

 

Reifungslager der Fondation Clément

Reifungslager der Fondation Clément

 

2005 wurde die alte Destillerie in das umgewandelt, was die Franzosen ein ´centre d´interprétation´ nennen. Will heißen: hier kann man alles über die Rumproduktion lernen, auch wenn seit 1988 direkt auf dem Gelände kein Rum mehr destilliert wird. Dies geschieht mittlerweile einige Kilometer entfernt. Aktiv genutzt werden noch die Reifungslager – keine Reifungskeller, denn die Lagerung erfolgt ebenerdig.

Ein Charakterkopf der Rumproduktion

Ein Charakterkopf der Rumproduktion

Was mir besonders gut gefällt: es wird nicht nur die Geschichte der Rumproduktion erzählt, sondern auch die Erinnerung an die Arbeiter wachgehalten. Der Gang durch die alten Industrieanlagen lässt die Besucher immer wieder ausdrucksstarke Portraits der Menschen entdecken, die hier einst alles am Laufen hielten. Echte Charakterköpfe.

Das alte Herrenhaus: die Habitation Clément

Das alte Herrenhaus bildet das historische Herz der Habitation Clément. Die Familie Clément wohnte hier fast 100 Jahre lang, von 1887 bis 1986. Errichtet wurde das Herrenhaus auf einer Anhöhe, von der aus man die umgebenden Ländereien überblicken kann.

Prachtvolle karibische Architektur: die Habitation Clément

Prachtvolle karibische Architektur: die Habitation Clément

Was die Habitation so besonders macht: das Haus ist vollständig und original möbliert. Im Erdgeschoss finden sich die Wohnräume und das Büro, im Obergeschoss die Schlafräume. Die Bauweise ist licht und luftig und ein schönes Beispiel für die kreolische Bauweise und die perfekte Anpassung der Architektur an das Klima.

Der Speisesaal der Habitation Clément

Der Speisesaal der Habitation Clément

 

Ich frage mich oft, ob ich – wenn ich in der Karibik leben würde – genauso hart arbeiten würde wie in Deutschland. Wahrscheinlich nicht. Aber ein gutes Argument, auch auf Martinique wild in die Tasten zu hauen, ist sicherlich solch ein Schmuckstückchen von Schreibmaschine. Was für ein Schätzchen!

 

Die alten Schreibmaschinen sind das eine, aber mindestens genauso faszienierend sind die Fußböden. Solltet ihr einmal in einem der alten Herrenhäuser jemanden auf Knien rumrobben sehen, auf der Suche nach dem perfekten Blickwinkel für das Foto – das bin wahrscheinlich ich.

 

Seit 1996 ist der Bau denkmalgeschützt. Was für ein Glück, denn nur so kann diese Pracht erhalten bleiben.

Eine edle Bettstatt, auch wenn die Bettwäsche einmal glattgezogen werden müsste

Eine edle Bettstatt, auch wenn die Bettwäsche einmal glattgezogen werden müsste

Von der Terrasse des Herrenhauses aus blickt man auf einige Nebengebäude – ein sehenswertes Ensemble mit Wirtschaftsgebäuden, blühenden Sträuchern und schattigen Eckchen. Der alte Baumbestand umfasst Flammenbaum, Mahagonibaum und Brotbaum. Und vorbei am früheren Pferdestall gelangt man in wenigen Schritten zu dem kleinen Gebäude, wo sich nach dem Zweiten Golfkrieg George Bush senior und François Mitterand zu Gesprächen trafen.

Ein Schaufenster für die Kunst der Karibik

Die Feststellung ist eigentlich ganz einfach: Künstler in der Karibik leben zwar auf zumindest für Festlandeuropäer paradiesisch scheinenden Inseln, vor allem aber ganz weit ab vom Schuss – weit weg vom Kunstmarkt, von potentiellen Käufern und Sammlern, von eventuell an Werken interessierten Museen.

Afriques - in der Fondation Clément

Afriques – in der Fondation Clément

Die Fondation Clément – heute im Besitz der Gruppe GBH – will nicht nur die Erinnerung an das kulturelle Erbe Martiniques wachhalten, sondern auch ein Schaufenster für die aktuelle Kunst der Karibik sein. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich als Mäzen für junge Talente einzusetzen und die enorme Kreativität der Künstler der Karibik oder solcher, die mit der Karibik in Verbindung stehen, einem internationalen Publikum vorzustellen.

Ausstellungs-Gelb - Fondation Clément

Ausstellungs-Gelb – Fondation Clément

2007 wird die frühere Cuverie in einen Ausstellungsbereich umgewandelt, aber schnell folgen zwei weitere, ultramoderne Bauen aus Beton, Lavastein und perforiertem Stahl – ein Spiegel für die umliegenden historischen Bauten und vor allem die üppige Natur.

 

Verschiedene spannende Ausstellungen habe ich in der Fondation Clément bereits anschauen können – zum Beispiel eine Hommage an Louis Laouchez, einen Künstler aus Martinique, der seinen Weg über Frankreich nach Afrika und zurück in die Karibik gemacht hat.

Louis Laouchez - in der Fondation Clément

Louis Laouchez – in der Fondation Clément

Oder die Ausstellung ´Afriques´ – von traditionellen afrikanischen Masken bis hin zu neuen Sichtweisen auf klassische Rollenmodelle. Ein Bruch mit traditionellen Sichtweisen und unheimlich spannend.

 

Kleine Kostprobe?

Wenn man schon mal in einer Rumdistillerie ist, dann kann man ja auch eine kleine Kostprobe nehmen, oder? Ich will wirklich niemanden zu ungezügeltem Alkoholkonsum animieren, aber man muss Rum tatsächlich probieren, um festzustellen, wie unterschiedlich die verschiedenen Marken eigentlich schmecken.

 

Ich hatte vor meiner ersten Reise nach Martinique tatsächlich noch nie Rum probiert und das Bacardi-Feeling ist komplett an mir vorbeigegangen. Aber was soll ich sagen? Man wächst an seinen Aufgaben und es gibt wirklich äußerst leckeren Rum. In der Boutique der Habitation Clément wird der Rum, wie überall auf der Insel, großzügig angeboten und man findet, wenn man verschiedene Qualitäten nacheinander probiert, schnell seinen Favoriten. Und man lernt mit jedem Schluck….

 

Neugierig?

Die Fondation Clément gehört zur kleinen Gemeinde Le François an der Ostküste Martiniques. Bis zur Inselhauptstadt Fort-de-France sind es rund 20 km. Mein Tipp: plant für den Besuch unbedingt einen ganzen Tag ein. Es gibt so enorm viel zu sehen. Die Fondation Clément verfügt über eine sehr gut und übersichtlich gestaltete Website, die in Französisch und Englisch verfügbar ist. Ferner kann man sich eine App herunterladen sowie sämtliche Audioguides und  thematische Parcours.

Offenlegung: ich hatte das große Glück, die Fondation Clément mehrfach gemeinsam mit kleinen Gruppen von Journalisten besuchen zu dürfen, die vom Comité Martiniquais du Tourisme empfangen wurden, und danke unseren Guides und Begleitern für die spannenden Führungen und tiefen Einblicke. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.

 

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert