Geschichtsstunde auf Martinique: ´La Savane des Esclaves´

La Savane des Esclaves, MartiniqueLa Savane des Esclaves, Martinique

Ist es euch auch schon einmal passiert, dass euch eine persönliche Begegnung zutiefst beeindruckt und euer Bild einer Destination nachhaltig geprägt hat? So ist es mir ergangen, als ich Gilbert Larose getroffen habe – ein im ganz positiven Sinne einfacher, bescheidener Typ in Jeans und T-Shirt, die Sonnenbrille auf der Stirn. Ich kann mir nicht vorstellen, das er viel  Aufsehen um seine Person macht. Für mich ist er dennoch einer der ganz Großen auf Martinique.

Gilbert Larose

Gilbert Larose

Denn Gilbert Larose ist ein Mensch mit einer Mission. Ursprünglich war er Landwirt und wollte nur Gemüse verkaufen. Was ihm jedoch aufstieß: die jungen Martiniquais wissen nichts über ihre eigene Geschichte – so seine Diagnose. Vielleicht liegt es am französischen Schulsystem, das mit der Lebenswirklichkeit der Franzosen fern vom Hexagon vielleicht nicht allzu viel zu tun hat… Aber auch die internationalen Besucher von Martinique lernen eher das Leben der Sklavenhalter und die prächtigen Herrenhäuser kennen, erfahren jedoch nur wenig über das Leben der Sklaven. Und so hat Gilbert Larose sich entschlossen, ein Freilichtmuseum aufzubauen, die ´Savane des Esclaves´, in dem er das miserable Leben der Sklaven zeigt, nachdem Colbert mit dem Code Noir den Sklavenhandel perfektioniert hatte, und ihr Leben, nachdem sie am 22. Mai 1848 die Freiheit erlangten.

La Rue Case-Nègre

La Rue Case-Nègre

Die ´Rue Case-Nègres´ wird aus einer Reihe einfachster Hütten gebildet, in denen die Sklaven Unterkunft fanden. Hier nimmt niemand Anstoß am Namen ´Straße der Negerhütten´, weil es schlicht der damaligen Realität entsprach. Holzpalisaden, der Boden aus gestampftem Lehm, die Dächer aus Zuckerrohrblatt – das ist das Dorf Antan Lantan, was man übersetzen könnte mit ´damals, weit weg´. Die Hütten der Sklaven lagen ganz nah bei den Feldern, aber weit entfernt von den Häusern der Kolonialherren, die das Elend wahrscheinlich nicht direkt vor Augen haben wollten.

 

Das Freilichtmuseum ist heute drei Hektar groß und Besucher erleben auf ihrem Parcours über das Gelände 400 Jahre Geschichte. Die Idee zum Geschichtsmuseum reifte im Jahr 2000 in Gilbert Larose, bei den örtlichen Behörden stieß er jedoch nicht auf Gegenliebe. Das Thema der Sklaverei verstörte und  so begann er, allein mit der Unterstützung von Freunden und Familie, sein Land zu bearbeiten. Heute besteht das Gelände aus 20 Hütten, ergänzt durch einen prachtvollen Gemüse- und Heilkräutergarten. Der Erfolg des Freilichtmuseums hat alle überrascht und Gilbert freut sich ganz besonders über die zahlreichen Schülergruppen, die sein Sklavendorf besuchen.

Auch ein Besucher

Auch ein Besucher

Ein Blick in die Geschichte der Insel zeigt, wie sehr Martinique durch die Sklaverei geprägt war – mit Nachwirkungen bis in die heutige Zeit. Erste Besiedlungen sind ca. 4.000 v. Chr. nachgewiesen. 100 v. Chr. kamen die Arawak aus dem heutigen Venezuela, es folgen die Kariben im 10. Jahrhundert. Christopher Kolumbus war der erste Europäer, der Martinique betrat – am 15. Juni 1502, während seiner vierten Reise. Es hat in der Folge nur 160 Jahre gedauert, die Urbevölkerung zu vertreiben. 1635 wurde Martinique von Frankreich kolonisiert. Es folgten wechselnde Koalitionen und Kriege europäischer Länder, die auch im karibischen Meer ausgetragen wurden. 1685 schließlich wurde durch den ´Code Noir´ das System der Sklaverei bestätigt und gefestigt. Sklaven waren wichtig für die Wirtschaft auf der Insel und wurden in den Zuckerrohrplantagen eingesetzt. Rund 100 Jahre später gab es ca. 60.000 Sklaven auf Martinique – eine unfassbar hohe Zahl für eine so kleine Insel. 1789 schließlich stellte die Französische Revolution das alte System auf den Kopf und  die Sklaverei wurde abgeschafft. Eigentlich, denn Napoleon führte sie 1802 in den Überseegebieten wieder ein. Die Martiniquais sind übrigens gar nicht gut auf Joséphine zu sprechen, denn die Frau Napoléons verhinderte aus purem Egoismus die Abschaffung der Sklaverei. Sie war die Tochter eines Zuckerrohrplantagenbesitzers, der auf die Arbeitskraft der Sklaven angewiesen war. Umso mehr wird Victor Schoelcher verehrt, der ursprünglich aus dem Elsass stammte. Als Abgeordneter der Nationalversammlung für Martinique war er der Initiator des Dekrets zur Abschaffung der Sklaverei aus dem Jahr 1848.

 

Nach der Sklavenbefreiung

Nach der Sklavenbefreiung

Nach der Befreiung der Sklaven wurden die Hütten etwas komfortabler. Gekocht wurde auf Feuerstellen vor den Hütten und auch die Gärten bekamen eine ganz neue Bedeutung. Noch heute ist das Wissen um Heilpflanzen auf Martinique weit verbreitet.

Kochstelle

Kochstelle

Das vielleicht Verstörendste beim Besuch der ´Savane des Esclaves´ ist der Film im Kopf, der startet, sobald man sich sich vorstellt, unter welchen Bedingungen die Sklaven ihr Dasein fristen mussten. Denn das Gelände liegt inmitten prächtiger Natur und es gibt so viele pittoreske Szenen, die man mit der Kamera einfangen möchte. Nicht umsonst wird Martinique ja auch die Blumeninsel genannt. Alles wächst und gedeiht, aber auch im Paradies war nicht immer alles in Ordnung. Umso wichtiger ist es, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen.

 

Der Besuch in der ´Savane des Esclaves´ lohnt sich für jeden, der in der Karibik nicht nur schöne Strände sucht, sondern auch etwas über die reiche Geschichte Martiniques erfahren will. Das Gelände entwickelt sich ständig weiter, das Wiederkommen lohnt sich also. Aktuelle Informationen finden sich auf der französischsprachigen Website: La Savane des Esclaves und erste Eindrücke gibt es auf dem Instagramaccount: Instagram La Savane des Esclaves

Sklavenhütte

Sklavenhütte

Offenlegung: ich habe die ´Savane des Esclaves´ gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Journalisten besucht, die vom Comité Martiniquais du Tourisme empfangen wurde, und danke Gilbert Larose für seine eindrucksvolle Führung. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.

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2 Kommentare

  1. Hallo Monika,

    Danke für diesen „anderen“ Reisebericht von Martinique! Schade, dass ich auf meiner Reise nicht die Chance hatte, auch diese Seite von Martinique kennen lernen zu dürfen. Aber hoffentlich auf der nächsten Reise…

    • Hallo Ingo,

      so hast du einen guten Grund, noch einmal nach Martinique zu reisen! Und Spuren der Geschichte findet man tatsächlich an vielen anderen Stellen auf der Insel…

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