Die spannendsten Entdeckungen mache ich immer dann, wenn ich ganz unvermutet in einen Ort komme, der mich mit einer unglaublich reichen Geschichte überrascht und zugleich viele Genussmomente bereithält. So erging es mir in Forchheim, und den Namen des Ortes hatte ich noch nie im Leben gehört. Nach Franken lockte mich das Reisebloggercamp, und so begab ich mich auf Entdeckungsreise.
Forchheim liegt zwischen Erlangen und Bamberg, im Tal der Regnitz, und gilt als das Eingangstor zur Fränkischen Schweiz. Archäologen können belegen, dass die Region sehr früh bewohnt war. Bereits im 7. Jahrhundert gab es hier eine Ansiedlung, die sich später wegen der günstigen geografischen Lage zu einem Handelsplatz und dann unter den Karolingern gar zum Königshof entwickelte. Heute ist Forchheim Große Kreisstadt und Verwaltungsstadt.
Das Schöne: Forchheim hat nur gut 32.000 Einwohner und lässt sich perfekt zu Fuß erkunden. Ich mache mich natürlich gleich auf den Weg…
Am Nürnberger Tor
Meinen Zugang zum Ort bildet das Nürnberger Tor, ein gewaltiger Bau aus der Barockzeit. Das 1698 erbaute Tor ist das einzige noch erhaltene der ursprünglich vier Stadttore. Forchheim ist älter als Bamberg oder Nürnberg; es war Residenzstadt, und dadurch standen genügend finanzielle Mittel für den Bau der Festungsmauern zur Verfügung. Das besondere Kennzeichen des Stadttors: der Löwe, der seine Zunge rausstreckt.
In der Fußgängerzone
Über den Paradeplatz, den Aufmarschplatz der Garnisonstruppen, der zugleich Marktplatz ist, mit seiner um 1800 errichteten Hauptwache, gelange ich in die Fußgängerzone von Forchheim. Ich suche mir zunächst einen Platz auf einer gemütlichen Terrasse, um langsam anzukommen und den Ort auf mich wirken zu lassen.
Wasser spielt in der Stadt eine große Rolle und das Fachwerk. Die „Porta Vorcheimensis“ öffnet dem Besucher den Blick in die Geschichte der Stadt. 12 Tafeln zeigen bedeutende Szenen aus der Vergangenheit Forchheims.
Im Schokoladenparadies
Ich habe mich zu einer kulinarischen Entdeckungsreise durch Forchheim entschieden, und die Reise startet in einem veritablen Paradies für Naschkatzen: in der Chocolaterie auf der Forchheimer Hauptstraße. Seit Januar 2021 hat Mathis Albrecht sein kleines Geschäft geöffnet. Feinste Schokoladen, auch weiße und vegane, von Nougat bis zu Sahne-Trüffel – hier bleiben keine Wünsche offen.
Wichtig sind Albrecht fair gehandelte Produkte, und so arbeitet er mit Bauernkooperativen zusammen, die faire Löhne in der Kakao-, Milch- und Rohrzuckerproduktion zahlen. Wir verkosten eine eigens für Forchheim kreierte Nougatpraline.
Mit dieser süßen Kostprobe tauchen wir ein in die Geschichte der Stadt. Im Jahr 805 wurde Forchheim erstmals urkundlich erwähnt, als nämlich Karl der Große den Ort als einen der östlichen Grenzorte des Reichs erwähnt. Forchheim war im frühen Mittelalter Königsstadt und konnte mehrere Königsaufenthalte verbuchen.
Das Stadtwappen zeigt zwei Forellen und man glaubte lange Zeit, dass sich der Ortsname davon ableiten lässt. Heute weiß man, dass der Name vom althochdeutschen foraha stammt – eine Siedlung an einem Föhrenwald.
Beim Bummel durch die Gassen sieht man unglaublich viele Fachwerkhäuser aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert und etliche Marienfiguren. Noch heute ist die Region zu 60 % katholisch.
Hier geht es um die Wurst!
Die nächste Station der Genussreise ist die Metzgerei Schweizer + Reif, ebenfalls auf der Hauptstraße. Hier wird noch traditionell gearbeitet und der Metzgermeister lässt sich bei Workshops auch immer gerne über die Schulter schauen. Regional und hausgemacht, das sind die Schlagworte, und wir probieren – wie könnte es anders sein – die Bratwurst.
Die Vielfalt fränkischer Bratwürste ist legendär, und ich lasse mich gerne verwirren von den Erläuterungen zu den katholischen und evangelischen Varianten der Wurst, zum perfekten Gleichgewicht zwischen fein gekuttertem und grob gewolftem, fettem und magerem Fleisch. Auch die Schlagworte Dreifaltigkeit und vier Himmelsrichtungen fallen – die Wurst ist jedenfalls geschmacklich eine runde Sache – fein gewürzt mit Salz, weißem Pfeffer, Muskat, Zitrone und einem Hauch Majoran.
Im historischen Stadtzentrum
Wir laufen weiter, vorbei am Rathaus, zur Martinskirche und gelangen damit in den ältesten Teil der Stadt. Die Bauteile stammen aus dem 11. bis 16. Jahrhundert, und der Glockenturm ist imposante 57 Meter hoch. Uns fallen die gewaltigen Kratzer im Sandstein der Kirche auf. Handelt es sich hier tatsächlich um Teufelskrallen? Vielleicht schärften hier auch einfach die Garnisonssoldaten ihre Säbel. Dem Sandsteinstaub wurde eine wohltuende Wirkung nachgesagt – man mischte ihn einst der Babymilch bei.
Der nur wenige Schritte entfernte Konradsbrunnen ist dem ersten gewählten ostfränkischen König gewidmet. Der Frankenherzog Konrad I wurde am 10. November 911 in Forchheim zum ostfränkischen König erhoben. Der Brunnen ist ein Werk des Forchheimer Künstlers Hans Dressel, entstanden 1998. Konrad zeigt mit seiner rechten Hand auf den Reichsapfel, den er in der linken hält.
Unsere nächste Station ist die Kaiserpfalz, die eigentlich gar keine ist. Archäologen konnten bislang nicht herausfinden, an welchem Ort sich die historische Pfalz befand. Der Bau, der als Kaiserpfalz bezeichnet wird, ist eigentlich das Bischofsschloss – heute ist hier das Pfalzmuseum untergebracht.
Wunderschön anzusehen ist auch die Marienkapelle, ursprünglich die Kapelle des Bischofsschlosses. Angelegt im 12. Jahrhundert, bekam sie ihr heutiges Aussehen zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert.
Brauerei Neder
Auch wenn die Franken es gar nicht mögen, wenn man sie als Bayern bezeichnet: Forchheim darf sich ´bayerischer Genussort´ nennen. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Forchheim 38 Schankstätten und über 20 Biergärten – bei gerade mal 3.000 Einwohnern. Das Bier wurde entweder privat oder in kommunalen Brauhäusern gebraut. Heute gibt es noch drei Brauereien und sagenhafte 23 Bierkeller.
Unser Ziel ist die Brauerei Neder. Hier wird seit 1554 Bier gebraut! Heute sind 10 Biersorten im Ausschank und ich bin komplett überfordert. Der Seidla genannte Tonkrug hält zwar das Bier schön kalt, aber die Menge an Bier ist für jemanden wie mich, der an schmale Kölschstangen gewöhnt ist, eine echte Herausforderung. Aber das Helle ist schön süffig und wegen der wenigen Kohlensäure auch sehr bekömmlich. Die verwendeten Rohstoffe – Gerste und Hopfen – stammen aus der Region.
Im Inneren der Brauerei kann man noch die Holzbalkendecke aus dem 16. Jahrhundert bewundern. Jedes Fass wird hier mit dem so genannten bayrischen Anstich angestochen – es gibt keine Zapfanlage. Im Wappen der Brauerei ist übrigens ein Schiff zu sehen. Dies erinnert an die Zeit, als im Gasthaus die Schiffer der Regnitz einkehrten.
Die Kaffeerösterei Bogatz
In der Kaffeerösterei Bogatz merke ich gleich, dass man hier mit viel Leidenschaft bei der Sache ist. Sind solche kleinen, inhabergeführten Röstereien nicht wunderbar? Constanze, die Besitzerin, erzählt uns, dass sie seit 13 Jahren hier im Dienste des perfekten Kaffeegenusses tätig ist. Die Geschichte des Unternehmens ist jedoch schon um einiges älter und begann in den 1930er Jahren mit dem Kolonialwarenhandel von Florian Bogatz im schlesischen Pitschen, unweit von Breslau. Damals wurde der Kaffee ganz rustikal im Hinterhof geröstet. Constanze ist wie ihr Mann Dieter Diplomingenieur der Lebensmitteltechnologie, und beide rollen jetzt in Franken den Kaffeemarkt neu auf. Den Rohkaffee bezieht sie von Kaffeespezialitätenhändlern, und die Bohnen durchlaufen bei Röstmeister Dieter dann eine sanfte, langsame Röstung bei maximal 200 °C. Dieses Verfahren erlaubt die volle Entfaltung des Kaffeearomas bei gleichzeitigem Abbau der Säuren, die viele Menschen nicht vertragen.
Blickfang in der Rösterei ist der gusseiserne Trommelröster der Firma Giesen aus den Niederlanden. Bei Röstseminaren zeigt Dieter hier, welche Schritte notwendig sind, um den Kaffeebohnen das perfekte Aroma zu entlocken.
Constanze hält noch eine andere Köstlichkeit für uns bereit: Urrädla, ein fluffig-leichtes Schmalzgebäck, das aus Mehl, saurer Sahne, Butter und Eiern besteht. Ein wunderbares Festtagsgebäck, dessen Rezept bei alteingesessenen Familien von Generation zu Generation weitergegeben wird. Köstlich!
Das ´schiefe Haus´
Wir laufen weiter und gelangen an das kleine Flüsschen Wiesent. Vom Badsteg aus haben wir einen perfekten Blick auf ein wunderschönes Fachwerkhaus, das sich gefährlich in Richtung Fluss neigt. Dies ist die Kammerers Mühle, auch genannt das ´schiefe Haus´. Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1698 und ist üppig verziert. Heute wird es als Eventlocation genutzt und wir sehen tatsächlich eine kleine Festgesellschaft, die die sommerliche Atmosphäre genießt.
Fischerei-Tradition
Wenige Schritte vom schiefen Haus entfernt zeugt eine Kuriosität von der Verbindung Forchheims mit der Fischerei. Uralte Fischkästen mit Metallreusen direkt am Flussufer wurden einst genutzt, um Karpfen oder Forellen bis zur Schlachtung frisch zu halten.
Am Synagogendenkmal
An ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte erinnert das Synagogendenkmal, das zwischen dem schiefen Haus und den Fischkästen liegt. Es erinnert an die Reichskristallnacht, in der die 1771 erbaute Synagoge in der Wiesentstraße geschändet und verwüstet wurde. Das vorläufige Ende einer langen Geschichte, denn die Existenz einer jüdischen Gemeinde in Forchheim ist bereit 1298 belegt.
Wo die Keller oben liegen
Wusstet ihr, dass der größte Biergarten der Welt im Forchheimer Kellerwald liegt? Wir schnaufen bergan, denn diese Kuriosität wollen wir unbedingt mit eigenen Augen sehen: 23 Bierkeller auf einer Fläche von 20.000 Quadratmetern, und zwar oben im Wald. Nur in Franken hört man den Ausspruch „Auf die Keller gehen“.
Die Entstehung des Kellerwaldes ist eigentlich ganz einfach: in einem unterirdischen Labyrinth lagerte einst das Bier bei einer konstanten Temperatur von 6 bis 10°C. Irgendwann hatte man dann keine Lust mehr, die Bierfässer zum Genuss wieder in den Ort zu bringen. Man stellte kurzerhand Tische und Bänke auf und die Kellerwirtschaften waren geboren. Die Saison geht von April bis Oktober, aber manche Gaststätten sind ganzjährig geöffnet.
Der höchste Feiertag im Ort ist das Annafest. Während einer Dauer von 11 Tagen pilgern hier 500.000 Besucher in den Wald. Ach ja, eine Bierkönigin gibt es natürlich auch. Und diese führt uns im Schindler-Keller durch eine Bierverkostung, bei der wir die ganze Vielfalt der fränkischen Biere kennenlernen.
Was in Hollywood der Walk of Fame ist, das ist in Forchheim der Walk of Beer. Eine touristische Themenroute führt zu den Brauereien und zum Kellerwald, wobei die fränkischen Stars die Brauereien sind…
Zum Ausklang des Tages
Ein Tag voller Entdeckungen neigt sich langsam dem Ende zu und uns zieht es erneut zum ´schiefen Haus´. Das Innere ist urgemütlich, recht dunkel, aber die voluminösen Sessel und Sofas laden dazu ein, in ihnen und in einem gemütlichen Plausch mit Freunden zu versinken.
Wo übernachten?
Übernachtet haben wir im urbanen Scheunenflair des The Niu Hop, direkt am Bahnhof. Der Bau ist modern und die Zimmer sind praktisch eingerichtet, mit viel Kupfer, Chrom und Patina. Die Brauereikunst ist auch hier allgegenwärtig – ob in den Zimmern oder am Frühstückstisch. Übrigens, der Name ´Hop´ bedeutet übersetzt ´Hopfen´.
Neugierig geworden?
Falls ihr mehr über Franken erfahren wollt, dann kann ich euch den Band „52 kleine & große Eskapaden in Oberfranken“ aus dem Hause Dumont empfehlen. Die Eskapaden-Reihe stellt Alltagsfluchten von unterschiedlicher Länge vor, je nachdem, ob man einige Stunden, einen Tag oder ein Wochenende unterwegs sein möchte. Im Kapitel zu Forchheim nimmt Autorin Barbara Riedel uns mit auf eine Radtour rund um Forchheim, natürlich mit Halt in den schönsten Brauhäusern. Der Band ist ansprechend gestaltet, und die Texte werden ergänzt durch kleine Karten und Fotos, die Lust machen auf mehr. Auch stehen die Tourendaten zum Download bereit. Barbara Riedel ist übrigens nicht nur Reisebuchautorin, sondern auch Bloggerin – schaut doch mal auf Barbaralicious vorbei!
Offenlegung
Ich war Teilnehmerin des Reisebloggercamps #RBCamp23, das Romy Mlinzk aka Snoopsmaus in Forchheim organisiert hatte. Das Barcamp wäre nicht möglich gewesen, ohne die großzügige Unterstützung durch den Tourismusverband Franken, der mit zwei Vertretern vor Ort war, und Forchheim erleben. Die Website des regionalen Tourismusverbandes liefert eine Fülle an Informationen über die Orte der Region und die großen Themen Erleben, Genuss, Nachhaltigkeit und UNESCO-Welterbe geben. Die Forchheim-Seite ist ganz auf die Königsstadt und ihre Geschichte zugeschnitten. Die Tourismusvertreter der Stadt luden uns zur kulinarischen Entdeckungsreise ein. Das Programm kann auch gebucht werden. Anderthalb Stunden dauert die Tour, die zu vier Genussstationen führt. Für mich zeigt sich in Forchheim der ganze Reiz des Unbekannten – ich hatte den Namen des Ortes noch nie gehört. Wer sich speziell über die fränkischen Städte informieren möchte, für den gibt es eine weitere Website – mit einer Vielfalt an Informationen zu Bamberg oder anderen Städten der Region. Ich danke Dumont für den Eskapaden-Band zu Oberfranken. Ich komme garantiert wieder!
Danke für den wunderbaren Beitrag. Ich liebe Forchheim und die fränkische Schweiz
Korrekduur: das Seidler issa Seidla und wir genn auf die Keller und ned auf den Keller 😉
Frängisch gschriem.
Danke für die Korrektur, lieber Peter! Dialekt nach Gehör mitzuschreiben ist gar nicht so einfach, aber ich korrigiere das natürlich gleich.