Ich habe mir zum Ziel gesetzt, alle Destillerien auf Martinique zu besuchen, und bei meinem jüngsten Besuch auf der Insel bin ich diesem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen: in der Distillerie La Mauny durften wir sogar eine Rumverkostung unter der fachkundigen Anleitung eines Weltmeisters machen!
Rum-Industrie
Wir fahren durch üppiges Grün nach Rivière-Pilote, im Süden von Martinique. Das Gelände ist so weitläufig, dass Besucher mit einem kleinen touristischen Zug zur Produktionsstätte gefahren werden. Und die hat nun gar nichts Malerisches. Ganz im Gegenteil: hier erkennt man, dass die Rumproduktion eine Industrie ist.
Still ist es, denn Zuckerrohr wird zwischen Februar und Juli angeliefert. Jetzt nimmt man sich die Zeit für die Wartung der Anlagen. Etliche der Maschinen sind auseinandergenommen. Die Einzelteile liegen entweder sorgsam sortiert auf großen Tischen oder – falls es sich um große Teile handelt – auf der Wiese.
Das Kennzeichen des Rums von La Mauny ist die rote Farbe – ein Hinweis auf den Lehmboden, der den Süden der Insel prägt. Hier herrscht ein ganz besonderes Mikroklima. Es ist sonniger als im Rest der Insel, zudem regnet es weniger.
Ein Ausflug in die Geschichte
Die Geschichte der Maison La Mauny geht auf das Jahr 1749 zurück. Ferdinand Poulain, Comte de Mauny, gehört dem bretonischen Adel an und dient dem französischen König als Berater. Er heiratet die Tochter des Besitzers der Domaine in Rivière-Pilote und gibt dem Betrieb seinen Namen.
Bis zum Jahr 1820 wird hauptsächlich Zucker produziert, dazu kleine Mengen von Tafia, einem Vorläufer des Rums. Im Jahr 1820 beginnt dann die Produktion von ´rhum agricole´ aus dem frischen Saft des Zuckerrohrs der Domaine.
1883 taucht dann ein Name in der Geschichte der Distillerie auf, der auf Martinique eine große Bedeutung hat – allerdings nicht unbedingt im positiven Sinne. Die Familie Tascher de la Pagerie – Tochter Joséphine de Beauharnais ist Frau von Napoléon und Verfechterin der Sklaverei – möchte die Domaine kaufen, kann sich allerdings nicht mit den Erben des Comte de Mauny einigen.
Im Jahr 1923 ist die 170 Hektar große Domaine dann Besitz der Brüder Théodore und Georges Bellonnie. Die Brüder praktizieren Arbeitsteilung: Georges destilliert und Théodore kümmert sich um den Vertrieb. Nach nur wenigen Jahren wird die Produktion erweitert und modernisiert: mit einer Destilliersäule, neuen Mahlwerken und einer Dampfmaschine. Gerade rechtzeitig, um der Nachfrage auf der Insel gerecht zu werden.
In den 1950er Jahren kann La Mauny dann kräftig expandieren. Die Flaschen werden professionell etikettiert und das Firmenlogo ist in den Cafés, Restaurants und Hotels der Insel zu sehen. Und der Export beginnt. 1996 erlangt der ´rhum agricole´ das AOC-Label.
2014 geht das Unternehmen mit der Gründung des ´Association des Planteurs´ einen gewaltigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Der Verband vereint die Besitzer kleiner Plantagen, mit denen La Mauny seit Jahren zusammenarbeitet, mit dem Ziel, ihnen ein Auskommen zu sichern. Bereits nach wenigen Jahren zählt der Verband 64 Mitglieder, was rund einem Drittel der Zuckerrohrbauern auf Martinique entspricht. Sie bewirtschaften einen Fläche von 550 Hektar zwischen Gros-Morne und Sainte Anne.
Insgesamt gibt es 200 Sorten Zuckerrohr, von denen allerdings nur 15 genutzt werden. Und in der Maison La Mauny sind es nur zwei Sorten, die verarbeitet werden. Das Zuckerrohr wird zerstoßen und zerkleinert, der ´vesou´ genannte Saft abgeleitet, gefiltert und dann zu den Fermentationstanks geleitet.
Die Fermentation ist eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Rumherstellung. 36 Tanks mit je 30.000 Litern Fassungsvermögen gibt es heute auf dem Gelände der Maison la Mauny. Der Prozess, bei dem Zucker durch die Zugabe von Hefe zu Alkohol transformiert wird, dauert zwischen 24 und 36 Stunden. Aus jedem dieser Fässer können später 2.000 Liter Rum destilliert werden. Das Resultat dieses Prozesses hat 55 % Vol. Alkoholgehalt.
Weiter geht es zur Destillation. Das Maison La Mauny besitzt drei Destilliersäulen, darunter eine aus Kupfer für die Rums La Mauny. In den Stahltanks wird der Rum der Marke Trois Rivières hergestellt. Der Zuckerrohrwein wird oben eingefüllt und sucht seinen Weg durch die einzelnen Ebenen nach unten, heizt dabei durch den von unten eingeführten Dampf auf. Die Alkoholdämpfe werden aufgefangen und abgekühlt. Das Resultat ist kristallin und weist einen Alkoholgehalt zwischen 65 und 75 % auf. Dieser wird reduziert, und ein Teil des Rums bleibt weißer Rum, ein anderer Teil wird in Holzfässern oder zu altem Rum ausgebaut.
Kellermeister Daniel Baudin
Die heiligen Hallen der Maison La Mauny leuchten rot in der Sonne und gleich außen am Gebäude wird der Besucher vorbereitet, was ihn hier erwartet. Wir laufen an hohen Reihen voller alter Holzfässer vorbei. Daniel Baudin erwartet uns an einer improvisierten Bar.
Daniel Baudin ist ein echter Weltmeister, nämlich der weltbeste Kellermeister einer Rumdistillerie des Jahres 2019. Daniel erläutert uns mit viel Ruhe die Etappen der Rumproduktion und die Bedeutung seiner Arbeit im Keller. Es braucht viel Leidenschaft und Geduld, um perfekte Rums herzustellen, so Daniel Baudin. Daniel ist als Kellermeister für zwei Marken verantwortlich, nämlich ´La Mauny´ und ´Trois Rivières´.
Die Gruppe wird leicht ungeduldig, denn eine ganze Batterie Flaschen wartet schon darauf, verkostet zu werden. Aber Daniel erklärt uns Laien zunächst, was einen AOC-Rum ausmacht und wie das mit einer Rumprobe eigentlich funktioniert. Das Glas sollte unten breit sein und oben schmal, dabei relativ hoch, damit die flüchtigen Duftstoffe genügend Raum finden. Daniel gibt ein wenig Rum in die Gläser. Zunächst erfolgt eine Sichtprüfung. Ist der Inhalt des Glases klar? Wie sehen die Schlieren aus, die sich am Glasrand bilden? Eher wässrig oder eher ölig?
Es folgt die Geruchsprobe, bei der das Glas nur ganz sanft bewegt werden sollte. Wichtig ist dabei ein ausreichender Abstand zur Nase. Könnt ihr euch vorstellen, dass eure Nasenlöcher unterschiedlich riechen? Probiert es aus – es stimmt tatsächlich! Ein Nasenloch nimmt eher die floralen Aromen wahr, das andere eher den agressiven Alkohol.
Dann ist es endlich so weit: der ´first kiss´! Nur ein ganz klein wenig Rum berührt die Lippen. Erst dann folgt der ´french kiss´, bei dem der Rum an die Zunge gelangt.
Die Flasche der ´Cuvée de l´Océan´ leuchtet strahlend blau. Das Zuckerrohr für diesen Rum gedeiht auf vulkanischer Erde direkt am Ozean. Daniels Empfehlung lautet, diese Köstlichkeit mit Austern und Seafood zu genießen. Nur drei Tropfen des Rums auf noch lebende Austern geträufelt, und die Auster nimmt einen phantastischen Geschmack an.
Weiter geht´s mit La Mauny Ajacia. Hier mischen sich die Aromen von Honig mit denen von Zitrone. Auch wenn man den Rum pur trinkt, hat man so quasi den Ti Punch im Glas. Ideal zu kombinieren mit Roquefort. Wo bekomme ich jetzt bloß ein Stück Käse her?
Als nächstes verkosten wir den Trois Rivières VSOP, der als Assemblage verschiedener Jahrgänge fünf Jahre lang gereift ist. Wir haben Aromen von roten Früchten, Schokolade und Kaffee in der Nase – ein runder und sanfter Rum, der 2018 zum besten Rum der Welt gekürt wurde.
Der jüngste Anteil im XO ist sechs Jahre alt. Ein komplexer, aber sehr feiner Rum, bei dem wir Minze, Rosenblätter, Tabak und Holz in der Nase haben. Es gefällt mir ungemein, den ruhigen Erläuterungen von Daniel Baudin zu lauschen. Man spürt, dass er unglaublich viel Erfahrung mitbringt, sicherlich schon etliche Rums verkostet hat und das, was wir Laien nicht annähernd benennen können, perfekt zum Ausdruck bringt. Weltmeisterlich.
Eine Flasche zaubert Daniel noch hervor, nämlich den ´Ratafia´, für den es den Innovationspreis 2019 gab. Ein idealer Begleiter zu Foie Gras, Dessert und Käse.
Die Produktion von Rum ist eine Wissenschaft für sich. Der Anteil der Engel liegt auf Martinique bei sagenhaften 8 % und der Rum altert vier Mal schneller im karibischen Klima als ein vergleichbares Produkt auf dem französischen Festland. Ein 10 Jahre alter Rum ist damit einem 35 bis 40 Jahre alten Cognac vergleichbar.
Chez Mimi
Uns schwirrt der Kopf von all den Aromen und Informationen. Eine Stärkung muss her und so beschließen wir, Mimi einen Besuch abzustatten. Ich weiß nicht, ob diese Mimi auch nie ohne Krimi ins Bett geht. Eins steht fest: Sie ist ein enorm gut gelauntes Energiebündel und hat sich fest vorgenommen, uns vor dem sicheren Hungertod zu bewahren. Sie tischt karibische Köstlichkeiten in einer Menge auf, die uns an unsere Grenzen und darüber hinaus bringt. Aber es ist alles so lecker und wir müssen ja schließlich alles probieren, was wir nicht kennen, oder?
Cabane à rhum
Wir können Maison La Mauny natürlich nicht verlassen, ohne uns im Shop umgesehen und die eine oder andere Flasche gekauft zu haben… Für alle, die nicht das Glück haben, mit dem Kellermeister eine Verkostung direkt im Alterungskeller zu machen: hier kann auch Rum probiert werden.
Neugierig geworden?
Falls Ihr neugierig geworden seid und mehr über das Thema Rum wissen wollt, dann schaut euch doch auf der perfekt zweisprachigen Website der Maison la Mauny um! Auch das Partnerunternehmen der Trois Rivières hat eine zweisprachige Website. Auf beiden Seiten müsst ihr nur fix eure Volljährigkeit bestätigen und erfahrt dann nicht nur alles über die Herstellung von Rum, die verschiedenen Produkte und die Geschichte der Häuser, sondern findet auch zahlreiche Cocktail-Rezepte, um das Vergnügen zuhause zu verlängern.
Offenlegung
Ich durfte die Distillerie La Mauny gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Journalisten besuchen, die vom Comité Martiniquais du Tourisme im Rahmen einer Pressereise empfangen wurde: Ich danke unsererem Begleiter Ralph Couteperoumal für die informative Führung und natürlich Daniel Baudin für die spannende Verkostung. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.
Ein sehr interessanter Bericht Monika.
Das erinnert mich an unsere Schottland Reisen und die Besuche in den dortigen Destillen.
Danke für deinen Kommentar, Klaus! Ja, ich arbeite daran, alle Destillerien zu besuchen. Sie sind so unterschiedlich, und jede hat einen anderen Schwerpunkt. Und es sind Orte mit viel Atmosphäre – genau so stelle ich mir das auch in Schottland vor.