Heute nehme ich euch mit auf eine Weltreise! Genauer: Eine Reise entlang des Längengrades 8 Grad und 34 Minuten Ost, einmal rund um die Welt. Ihr braucht dafür noch nicht einmal Taschen voller Geld und könnt sogar ganz bequem auf dem Sofa sitzen bleiben, denn es geht virtuell ins Klimahaus nach Bremerhaven. Die Seestadt Bremerhaven war eine ganz große Überraschung für mich. Nicht nur die Verheißung von Meeresrauschen und Fernweh und dieses magische Licht – viele historische Boote und ganz moderne Schiffe sorgen für ein maritimes Flair, das mein Herz sofort aufgehen lässt. Das Auswandererhaus ist mit Sicherheit eines der schönsten und beeindruckensten Museen, die ich je besuchen durfte; es nimmt die Besucher mit auf eine sehr persönliche Reise in eine neue Welt. Auswanderung und Migrationsbewegungen sind ein ganz aktuelles Thema unserer Zeit. Doch es gibt noch ein zweites Museum, das ganz dicht am Puls der Zeit ist.
Konzept Klimahaus
Andreas Döll, als Ausstellungsmitarbeiter zuständig für die Bildungsprogramme, gibt uns eine Einführung in das Konzept des Klimahauses, bevor wir unsere persönliche Expedition starten. Die Idee entstand um die Jahrtausendwende. Der Gedanke war, einen Ort zu schaffen, an dem man über das Klima sprechen und nachdenken konnte. Herausgekommen ist eine Reise entlang des 8. Längengrades. Der Parcours, den Besucher heute absolvieren, ist nur zwei Kilometer lang, führt aber über acht Stationen auf fünf Kontinenten. Diese Etappen sind das Kondensat der Reise, die Axel Werner und sein Kamerateam in den Jahren 2004 und 2005 absolvierten. Werner ist eigentlich Architekt, arbeitet in Bremen, hat aber die besondere Fähigkeit, gut auf Menschen zugehen zu können. Und der Mensch steht tatsächlich im Mittelpunkt dieser Reise. Jeder Ort, den Axel Werner besuchte, wird durch ganz konkrete Menschen erlebbar gemacht. Der Besucher des Klimahauses erfährt viel über die Herausforderungen, denen diese Menschen sich in verschiedenen klimatischen Umgebungen stellen müssen.
Einmal um die ganze Welt
Von Bremerhaven geht es zunächst in die Schweiz, nach Isenthal zu Familie Infanger, deren Bergbauernhof von der Gletscherschmelze bedroht wird. Der Besucher sieht Kühe und hört das Gebimmel von Kuhglocken, aber man merkt, dass es die heile Heidi-Bergwelt nicht mehr gibt.
Weiter geht die Reise nach Sardinien, wo wie mit dem Vergrößerungsglas auf die Welt der Insekten geschaut werden kann. Besucher können hier spielerisch die Großwetterlage in Europa ändern und Hitze, Regen oder Wind erzeugen.
Trockenheit, Dürre und Hitze, Sand und Wind – die nächste Station ist die Sahel-Zone; wir sind in Niger angekommen. Die nördliche Sahara war einst eine grüne Region, und heute leben Tuareg in diesem lebensfeindlichen Klima. Wir lernen Mariam kennen, ein 11-jähriges Tuaregmädchen, das einen ledernen Wassersack siebzig Meter herunterlassen muss, um aus einem Brunnen Wasser zu schöpfen.
Über zu wenig Wasser kann man sich an der nächsten Station nicht beklagen, ganz im Gegenteil. Überall ist Wasser; es tropft von den Blättern und prasselt auf die Dächer. In Kamerun genieße ich das feucht-heiße Klima. Der Regenwald mit seiner unglaublichen Pflanzen- und Tierwelt hat es mir ja auch auf Martinique angetan und ich kann mich kaum sattsehen an diesem unglaublichen Grün und der üppigen Vegetation.
Der Temperaturschock kommt prompt an der nächsten Station: – 7 Grad! Im Nullkommanix habe ich 8.400 Kilomter zurückgelegt und finde mich in der Antarktis wieder, in der Neumeyer-Station III. Axel Werner bibbert in seinem Zelt vor Kälte, ansonsten ist kein menschliches Leben zu sehen, dafür Weiß in allen Schattierungen. Das Alfred-Wegener-Institut – Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung betreibt die Neumeyer-Station und hat seinen Sitz in Bremerhaven. Ein Blick auf die Website des Instituts lohnt sich!
Die nächste Station hat wieder Temperaturen, die mir eher gefallen: Samoa! Hier werden Südseeträume wahr, und bei Temperaturen, die ganzjährig über 30° liegen, würde ich am liebsten ins Wasser springen und zur exotisch-bunten Fischwelt abtauchen. Doch das Paradies gibt es längst nicht mehr – das Korallenriff ist nicht mehr gesund.
In der Beringstraße erzählen zwei Jungs vom Abschmelzen des Permafrosts, wodurch Methan freigesetzt und die Erderwärmung beschleunigt wird. Das ist das Konzept des Klimahauses: die Menschen in Bildern und Filmen kennenlernen, die Axel Werner auf seiner großen Reise getroffen hat. Übrigens: Werner will seine Reise wiederholen und schauen, was sich in der Zwischenzeit verändert hat.
Die letzte Etappe meiner Reise ist die Hallig Langeneß, im norddeutschen Wattenmeer unweit von Sylt gelegen. Bewohner wie Jutta müssen hier mit Sturmfluten und dem stetig steigenden Wasserpegel leben.
Strapazen der Reise
Andreas Doll hatte uns erzählt, dass die Reisezeit einmal um die Welt zwei Stunden betrage. Ganz ehrlich: es ist mir ein Rätsel, wie man diese Vielfalt in so kurzer Zeit bewältigen soll. Es ist wie so oft: man kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen. Ich lese mich schnell fest oder merke gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht.
Das ganze Klimahaus ist eine perfekte Inszenierung verschiedener Lebensräume. Allzu oft möchte ich mich einfach hinsetzten und die Umgebung auf mich wirken lassen. Manchmal möchte ich auch einen Moment aussteigen und bei etwas Ruhe neue Kräfte tanken. Diese Reisestrapazen! Ich bin halt nicht mehr die Jüngste… Der Weg durch das Klimahaus ist eine permantente Reizüberflutung – so viele ganz unterschiedliche Eindrücke, Bilder und Geräusche prasseln auf den Besucher ein. Und ich habe das sichere Gefühl, gar nicht alles gesehen und wahrgenommen zu haben.
Leckeres am Längengrad 8
Seid ihr genauso erschöpft wie ich nach dieser unglaublichen Expedition? Dann lasst uns etwas essen gehen! Reisen macht ja bekanntlich hungrig. Wundert es euch noch, dass das Restaurant des Klimahauses ´Längengrad´ heißt? Es gibt Speisen, die entlang des 8. Längengrad gegessen werden.
Offshore-Center
Meine Entdeckungstour geht im eher wissenschftlich-sachlichen Teil des Klimahauses weiter. Eins hat der hohe Norden dem Süden ja voraus: Windkraft. Wie entstehen Windparks? Welche Vision steht dahinter und welche Schritte braucht es bis zur Umsetzung? Ich hätte ja große Lust, den bayerischen Ministerpräsidenten mal in den Hubschrauber-Simulator einzuladen, zu einem Rundflug aufs Meer hinaus, zu den großen Offshore-Windparkanlagen.
World Future Lab
Das ´World Future Lab´ ist der jüngste Ausstellungsbereich. Hier steht die Erde mit ihrem Durchmesser von drei Metern im Mittelpunkt. Jeder Besucher kann mit seiner Spielentscheidung das Weltklima verändern. Spannend zu sehen, was das Drehen an kleinsten Stellschrauben ändern kann
Perspektiven
In diesem Ausstellungsbereich dreht sich alles um die Arbeit der Klimaforscher und zugleich wird anschaulich, wie schwierig die Einschätzung der aktuellen Lage, erst recht aber eine Prognose der zukünftigen Entwicklung ist.
Mir fällt auf, dass es in diesem wissenschaftlichen Teil der Ausstellung im Klimahaus deutlich weniger Besucher gibt als während der Weltreise. Ich glaube, es liegt an purer Erschöpfung. Es gibt so viel zu entdecken und die vielen Eindrücke, die man in diesem außerschulischen Lernort gewinnen kann, wollen ja auch verarbeitet werden.
Zahlensalat
Das Klimahaus wurde im Juni 2009 eröffnet und konnte seither mehr als 5 Millionen Besucher begrüßen. Alleine 460.000 Besucher waren es im Jahr vor Corona. Die äußere Form verrät schon die gewaltigen Ausmaße: 11.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche warten auf den Besucher. Die äußere Hülle, die mich ein klein wenig an einen gestrandeten Walfisch oder aber ein Pantoffeltierchen denken lässt, besteht aus 4.700 unterschiedlich geformten Glasscheiben und einer Trägerkonstruktion aus Aluminium. Die Innenkonstruktion aus Beton ist 125 Meter lang und 82 Meter breit. Es gibt 143 Ausstellungsräume mit 57 unterschiedlichen Höhenniveaus. Es stimmt, man geht permanent hinauf oder hinunter, und an Orientierung ist überhaupt nicht zu denken. Zum Glück kann man sich nicht wirklich verlaufen.
100 Millionen Euro Baukosten, dabei eine Bauzeit von drei Jahren. Rund 140 Mitarbeiter arbeiten heute im Klimahaus. 250 Tierarten leben hier, weshalb das Klimahaus auch als Zoo gilt und Aufzuchterfolge vorweisen kann. 2023 werden übrigens weitere 11 Millionen investiert, um einen Ausstellungsbereich zum Thema Extremwetter zu gestalten.
Grün unterwegs: Auf zum Resteessen!
Noch an anderer Stelle in Bremerhaven macht man sich Gedanken über die Herausforderungen der Gegenwart: in unmittelbarer Nachbarschaft des Klimahauses, im Atlantic Hotel Sail City nämlich. Bei einem 4 Sterne-Hotel denke ich vor allem an sorglosen Luxus und perfekten Service. In Bremerhaven ist man hier schon ein Stück weiter und erhebt ein Resteessen zum Incentive. Was für eine großartige Idee!
Der Hintergrund ist allerdings ernst, denn es werden Unmengen an Lebensmitteln einfach entsorgt. Gemüse, das nicht der Norm entspricht, und die sprichwörtliche krumme Gurke finden selten den Weg in den Supermarkt. Auch zuhause kommen wir nicht umhin, ab und zu Lebensmittel, die im Kühlschrank ganz nach hinten gerutscht oder im Schrank schlicht vergessen worden waren, zu entsorgen. Gerade in der Hotellerie ist die Verschwendung groß, denn wie viele Lebensmittel – die Frühstücksbrötchen wie Gerichte vom Buffet – werden schlicht entsorgt?
Küchenchef Dominik Flettner ist ein begnadeter Erzähler und er lässt uns staunen, als er berichtet, dass man sich im Atlantic Hotel Sail City daran gemacht hat, den Müll auszuwiegen, um dann zu schauen, wo Einsparpotential liegt. Ein sorgsamer Umgang mit Lebensmitteln bei gleichzeitiger Schulung des Personals haben dazu geführt, dass der Lebensmittelabfall pro Gast auf einen Wert zwischen 70 g und 81 g reduziert werden konnte. Allein beim Frühstücksbuffet konnten gut 32 % eingespart werden.
Herausgekommen ist das Konzept ´Resteessen – zu gut für die Tonne´, das für Gruppen ab 20 Personen gebucht werden kann. Warum nicht für einzelne Reisende? Ganz einfach: die Vorbereitung ist aufwändig, denn das Küchenteam muss jeweils schauen, was an Resten anfällt und daraus ein Menü kreieren.
So werden nun die Enden der Tomaten, die früher entsorgt wurden, zu Bruscetta verarbeitet. Die Wasserbüffel, die als Hauptspeise serviert werden, sind im Naturschutzgebiet im Bremerhavener Fischereihafen zuhause – angelegt durch die Hafengesellschaft als ökologische Ausgleichsfläche. Auch die Äpfel des Desserts haben keine weite Reise hinter sich.
Ich würde sagen: trommelt ein paar Freunde zusamment und probiert es aus! Und lasst euch auf ein kleines Gedankenspiel ein: Was wäre, wenn es mehr Initiativen dieser Art gäbe? In Bremerhaven kann man erleben, dass Nachhaltigkeit ein Prozess ist. Im Atlantic Hotel ist weniger mehr, und man hat zum Beispiel die Auswahl auf dem Frühstücksbuffet reduziert. Exotische Früchte sind mit dem grünen Gedanken nicht vereinbar, und stattdessen gibt man regionalen Produkten des Vorzug. Eine Strategie, auch auf die Stadt und das Umland wirkt.
Neugierig geworden?
Falls ihr mehr über die wunderbaren Entdeckungen wissen wollt, die ihr in Bremerhaven machen könnt, dann schaut doch einmal auf der Website des Klimahauses vorbei! Die Adresse lautet übrigens: Am Längengrad 8! Wissenswertes über die Seestadt Bremerhaven findet ihr hier. Mein Hoteltipp ist das Atlantic Hotel Sail City, mit einem wunderschönen Ausblick auf´s Wasser. Und hier kommt die Einladung zum Resteessen. Bon appétit!
Offenlegung
Im Rahmen der Jahreshauptversammlung 2021 der VDRJ, der Vereinigung deutscher Reisejournalisten, durfte ich Bremerhaven entdecken. Ich bin Mitglied des PR-Kreises des Verbandes. Der Besuch im Klimahaus war wie das Resteessens Teil des VDRJ-Programms. Ich danke den Mitarbeitern beider Häuser für die spannenden Einblicke und Dörte Behrmann, der Pressesprecherin von Erlebnis Bremerhaven, dafür, dass sie mich in die Seestadt gelockt hat. Ich komme garantiert wieder! Die beschriebenen Eindrücke sind wie immer meine eigenen.
Moin liebe Monika,
auch wenn ich das Klimahaus sehr gut kenne – dein Beitrag hat mich nochmal mitgenommen in diese spannende Wissens- und Erlebniswelt und dafür sage ich herzlich DANKE! Auch dafür, dass du dich so wunderbar hast inspirieren lassen. Dein Beitrag trifft genau den Kern und ich wünsche dir viele Leser:innen. Komm‘ gern als Bloggerin wieder, um deine Bremerhaven-Eindrücke zu vertiefen.
Herzlich, Dörte
Pressereferentin Erlebnis Bremerhaven GmbH
Hallo liebe Monika, schöne Fotos, tolle Gedanken und Eindrücke von deiner Seite. Macht Lust, alles mal in naher Zukunft kennenzulernen.
LG von Klaus
Hallo Monika, super, ein guter Bericht. LG Gerald