Zur Blindverkostung in den Dschungel – Habitation Céron

Pracht der Natur: der Zamana der Habitation CéronPracht der Natur: der Zamana der Habitation Céron

Geht euch das auch manchmal so? Ihr besucht einen Ort zum zweiten Mal, glaubt ungefähr zu wissen, was euch erwartet und dann kommt doch alles ganz anders? So ist es mir mit der Habitation Céron auf Martinique ergangen.

Bereits wenige Jahre zuvor hatte ich die Habitation Céron besucht, eine alte Zuckerfabrik in Le Prêcheur, unweit des Strandes von Anse Céron im wilden Norden der Insel. Die Ursprünge der Habitation gehen auf das Jahr 1658 zurück, als sich französische Siedler hier niederließen. Die überbordende Natur hatte mich damals absolut fasziniert, die Kakaoproduktion und nicht zuletzt die Begegnung mit einer freundlichen und ganz harmlosen Tarantel. Hier könnt ihr meine Eindrücke dieses ersten Besuches nachlesen.

Nicht zu übersehen!

Nicht zu übersehen!

Entsprechend war ich voller Vorfreude, als die Habitation Céron erneut auf meinem Reiseprogramm stand. Und was soll ich sagen? Der zweite Besuch konnte den ersten noch toppen! Das Gelände war mir vertraut und zugleich war alles vollkommen anders.

Tropisches Idyll

Tropisches Idyll

Durch den tropischen Wald

Für mich zählt der Garten der Habitation Céron zu einem der schönsten Orte auf Martinique. Wobei das Wort ´Garten´ nahelegt, es handele sich um etwas Überschaubares, Geordnetes. Und das ist dem Anschein nach nicht der Fall, denn alles wächst und wuchert, und ich hattte das Gefühl, ich kann dabei zuschauen, wie alle Pflanzen in die Höhe schießen. Der Bambus, nur als Beispiel, wächt pro Nacht um sagenhafte 40 cm. Und der Mensch ist in all dieser Pracht nur ganz klein.

 

Seit 2015 trägt der Garten das Label eines ´jardin remarquable´, ein ´bemerkenswerter Garten´, und er ist ein wahrer Hotspot der Biodiversität. Es ist klar, dass die ordnende Hand des Menschen dennoch tätig ist. Die Früchte des Gartens werden im Restaurant verarbeitet.

Die alte Zuckerfabrik im tropischen Wald

Die alte Zuckerfabrik im tropischen Wald

 

Mein Freund, der Baum

Die herausragende Sehenswürdigkeit des Gartens ist der majestätische Zamana, der mittlerweile 350 Jahre alt ist. Wir nähern uns staunenend ob der Ausmaße. Würde man die Äste des Baumes aneinanderreihen, dann ergäbe sich eine Strecke von 5 km Länge. Und es braucht 10 Mann, um den Stamm zu umfassen.

Der Mensch, winzig klein

Der Mensch, winzig klein

Der Zamana wird auch ´Regenbaum´ genannt, denn er faltet bei Regen quasi sein Blattwerk zusammen, damit die unter ihm wachsenden Pflanzen und Bäume auch genügend Wasser abbekommen.

Tentakelhafte Äste

Tentakelhafte Äste

Wir umrunden den Zamana während unserer Entdeckungstour und nähern uns aus verschiedenen Richtungen. Erst jetzt wird mir richtig bewußt, dass die mächtigen Äste Lebensraum für andere Pflanzen sind. Eine äußerst angenehme Nachbarschaft hat sich hier herausgebildet!

Pflanzliche Mitbewohner

Pflanzliche Mitbewohner

Blindflug durch die Kulinarik

Eine Runde durch den tropischen Wald macht vor allem durstig, und wir sind froh um die Rast im luftigen Restaurant der Habitation Céron. An diesem Fleckchen Erde lässt es sich aushalten! Allerdings hat man sich dieses Mal etwas ganz Besonderes für uns ausgedacht: ein Überraschungsmenü! Uns erwartet ein ´Menu dégustation à l´aveugle´.

 

Üblicherweise studieren die Besucher und Besucherinnen eines Restaurants aufmerksam die Speisekarte und suchen sich dann ihr persönliches Wunschmenü aus. Und die Speisen werden dann von der Servicekraft präsentiert, wenn es sie den Tisch gebracht werden.

Und hier? Das Personal hüllt sich in Schweigen. Wir werden natürlich freundlich empfangen und sehr herzlich willkommen geheißen, und es entwickelt sich die ganz normale Plauderei zwischen Gästen und Service. Aber dann wird es ernst: Man bringt uns Speisen an den Tisch und lässt uns Rätsel raten, was wir da wohl auf dem Teller haben.

Die kulinarische Entdeckungsreise startet mit einer wunderbar präsentierten Vorspeise aus einem Champignon, einer getrockneten Süßwassergarnele  und einem HäppchenThunfisch. Eigentlich zu schön zum Aufessen. Wir ahnen schon, dass diese Zutaten keine weite Anreise hinter sich haben.

1. Gang: Was Land und Meer hergeben

1. Gang: Was Land und Meer hergeben

Der zweite Gang ist deutlich schwieriger. Wir haben ja schon gelernt, dass der 70 Hektar große Garten quasi die Speisekammer des Restaurants ist. Die Früchte des Gartens werden geerntet, gepresst, fermentiert und miteinander kombiniert, um dann in der Küche verarbeitet zu werden. Dennoch ist es eine echte Herausforderung für uns, den Geschmack auch nur annähernd zu beschreiben. Unsere einheimischen Begleiter sind eindeutig im Vorteil und disktieren eifrig, während ich noch damit beschäftigt bin, meinen Teller zu fotografieren. Des Rätsels Lösung? Dieses wunderbare Gericht besteht aus Süßkartoffel, Avocado, Moringa – Meerrettich- oder Wunderbaum -, Begonia und Champignon. Bitte fragt mich nicht, ob die Früchte, die Blätter oder die Wurzeln des Meerrettichbaums hier verarbeitet wurden! Was ich gelernt habe: es handelt sich um eine nährstoffreiche Pflanze, die auch in der Heilkunde verwendet wird. Und dass Begonien ungefähr die gleiche Verwendung wie Sauerampfer haben, war mir auch neu….

2. Gang: Grün gepudert

2. Gang: Grün gepudert

Das Spiel geht weiter mit Gang 3. Unsere Begleiter fachsimpeln und entwickeln verschiedene Theorien. Die Diskussion erstreckt sich mittlerweile über drei Tische, während sich bei mir große Ratlosigkeit breit macht. Das Servicepersonal scheint das Spiel zu genießen, und kommt an den Tisch, um sich unsere Theorien anzuhören. Das heißt, wir haben gar keine Theorien …. Sehe ich da etwa einen leicht spöttischen Blick? Die Auflösung: Maniokgnocchi, Auberginencreme und ein hier hergestellter Käse, der eine Reifezeit von vier bis sechs Montaten hinter sich hat. Maniok sind tatsächlich ungewohnt für meinen Gaumen, obwohl es sich neben der Kartoffel und der Süßkartoffel um das am häufigsten angebaute Wurzelgemüse der Welt handelt.

3. Gang: Ein Kunstwerk

3. Gang: Ein Kunstwerk

Als nächstes lässt uns der Fleischgang rätseln…. Der Küchenchef hat Mitleid mit uns und enthüllt, was wir genießen: Niedrigtemparaturgegartes Lammfleisch, mit Kürbis und einer Soße aus Flusskrebs und Kokosnuss. Köstlich!

4. Gang: Jetzt gibt´s Fleisch

4. Gang: Jetzt gibt´s Fleisch

Gang Nummer 5 begeistert mich, denn ich esse unheimlich gerne Käse. Dies hier ist ein Schafskäse mit einer Ascheschicht in der Mitte, ganz wie beim Morbier. Der Käse hat rund sechs Monate Reifezeit hinter sich.

5. Gang: Say cheese!

5. Gang: Say cheese!

Nach dem Käse kommt das Dessert, und dieser Gang ist tatsächlich der einzige, dem ich so gar nichts abgewinnen konnte. Das liegt nicht an dem Sorbet aus Ingwerbier und Kakao, sondern an der darüberliegenden Tabakemulsion. Das ist definitiv nichts für Nichtraucher, wobei ich mich frage, ob Raucher gerne eine Überdosis Tabak im Essen haben möchten…

6. Gang: Wahrscheinlich Lieblingsdessert von Rauchern

6. Gang: Wahrscheinlich Lieblingsdessert von Rauchern

Gang 7 bildet den krönenden Abschluss unseres Überraschungsmenüs, und hier kommt die Hand Buddhas ins Spiel. Das tabakbedingte Kratzen im Hals ist schnell vergessen. Die ´main de Bouddha´ stammt aus der Familie der Zitrusfrüchte und wird mit Zitronatzitrone oder Cedrat übersetzt – hier verfeinert mit einem Puder schwarzer Zitrone. So richtig wird mir erst jetzt klar, welch tolles Menü ich hier genießen durfte, denn ich hatte mir die Zutaten zwar aufgeschrieben, aber mir gerade erst Fotos von Buddhas Hand herausgesucht – eine Zitrone mit fingerähnlichen Bestandteilen. Unglaublich. Sehr gut gefallen hat mir übrigens auch die Präsentation der Speisen – dieses Niveau hätte ich mitten im Dschungel nie erwartet.

7. Gang: Hier hat Buddha seine Finger im Spiel

7. Gang: Hier hat Buddha seine Finger im Spiel

Fix und fertig bin ich nach dieser spannenden und lehrreichen Entdeckungsreise durch die kulinarischen Köstlichkeiten der Insel. Die Zusammensetzung des Überraschungsmenüs kann jeden Tag unterschiedlich sein – je nachdem, was der tropische Garten gerade hergibt und woran der Küchenchef sich probieren möchte. Wir sind alle keine Gastrokritiker, aber es macht schon extrem viel Spaß, die Aromen und Texturen zu beschreiben sowie die Gewürze zu erraten. Wir fallen ermattet in unsere Stühle zurück und genießen zum Abschluss noch einen Espresse – aus einer Rösterei in Tartane, knapp 60 km entfernt am Atlantik.

Un café, s´il vous plaît!

Un café, s´il vous plaît!

Family Business

Die Habitation Céron ist ein Familienunternehmen, im besten Sinne des Wortes. Laurence Marraud des Grottes, die Besitzerin, kaufte das verfallene Gelände, in dem die Natur längst die Überhand gewonnen hatte, in den 1980er Jahren; ihr Mann lebt heute nicht mehr. Dafür sind die Kinder mit ins Geschäft eingestiegen. Amélie Marraud des Grottes ist heut die Managerin des Familienunternehmens. hr Sohn macht die Bar, Tochter Julie kümmert sich um die Landwirtschaft und den Service. Küchenchef Hugo ist der Freund von Amélie. Und alle werden vom gleichen Gedanken angetrieben: die schädlichen Spuren des Menschen auf dieser Erde möglichst gering zu halten.

Das kreative Team der Habitation Céron

Das kreative Team der Habitation Céron

Neugierig geworden?

Falls ihr mehr wissen wollt, dann schaut euch doch die Website der Habitation Céron an! Die Blindverkostung muss vorab reserviert werden, und ihr könnt auch Allergien bekanntgeben. Unverträglichkeiten werden berücksichtigt. Auch die Seite des Tourismusverbandes informiert über die Habitation wie über 1.000 andere Orte auf Martinique, die den Besuch lohnen.

Die Dunkelheit des tropischen Waldes

Die Dunkelheit des tropischen Waldes

Offenlegung

Ich hatte das große Glück, die Habitation Céron gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Journalisten besuchen zu dürfen, die vom Comité Martiniquais du Tourisme empfangen wurden, und danke unseren Guides und Begleitern für die spannenden Führungen und tiefen Einblicke. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.

 

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