Arcachon – allein der Klang des Namens verheißt unbeschwertes Sommervergnügen. Wer denkt hier nicht an erfrischendes Badevergnügen im Atlantik, viel gutes Essen und sommerliche Unbeschwertheit? Was mich in den französischen Südwesten lockt: ich möchte verstehen, wie aus einem einst unbedeutenden Fischerdorf einer der luxuriösesten Ferienorte Frankreichs werden konnte. Die Zahlen sind beeindruckend: gerade einmal 11.000 Einwohner hat Arcachon, aber im Sommer wächst die Stadt auf ein Vielfaches an. Rund 150.000 Menschen lassen sich in der Saison beim Office de Tourisme beraten.
Sommerfrische in Arcachon – die Ville d´été
Arcachon liegt etwa 60 Kilometer südwestlich von Bordeaux, am südlichen Ufer des Beckens von Arcachon. Wir sind von Bordeaux aus mit einem Nahverkehrszug, einem TER, angereist. Gerade einmal 45 Minuten dauert die Fahrt und ich werde vom Trubel der Großstadt mitten in die Sommerferien gekickt. Der Ort ist klein, der Bahnhof zentral gelegen und es sind nur wenige Schritte bis zum Hotel. Schon auf dem Weg dorthin fallen mir die vielen schmucken Villen mit ihren blühenden Gärten auf.
Vom Fischerdorf zum prestigereichen Badeort
Der französischer Südwesten ist in vielerlei Hinsicht eine perfekte Urlaubsregion. Es gibt nicht nur spannende Städte wie Bordeaux, Poitiers und Angoulême zu entdecken, sondern auch viel Natur und natürlich das Meer. Die Atlantikküste der Region Nouvelle-Aquitaine erstreckt sich über 720 Kilometer, von La Rochelle über das Mündungsdelta der Gironde bis hin nach Biarritz und zur spanischen Grenze.
Arcachon und das Becken von Arcachon sind bekannt für die Austernzucht. Spannend ist es zu sehen, welche Entwicklung der Tourismus hier genommen hat. 1825 wurde die erste Badeanstalt am südlichen Rand des Beckens von Arcachon errichtet. Im Stadtzentrum fällt sofort das Casino ins Auge – ein wuchtiger Bau, der ursprünglich nach seinem Erbauer Château Deganne benannt und 1853 errichtet wurde. Hier verbrachte Napoleon III 1863 seinen Urlaub – jeder, der etwas auf sich hielt, folgte diesem Beispiel und Arcachon erblüht zum mondänen Badeort.
Der heutige Stadtkern wird auch Ville d´été genannt, übersetzt Sommerstadt. Hier finden sich weite, weiße Strände, die auch in der Hauptsaison nicht überlaufen sind, Sie werden akzentuiert von den Jetées genannten Seebrücken. Zentral liegt die Jetée Thiers, östlich davon die Jetée Pierre Letaillade – von beiden fahren die Shuttleboote ab, die das Becken durchqueren und zum Beispiel das mondäne Cap Ferret ansteuern. Etwas weiter westlich liegt die Jetée de la Chapelle.
Die Strandpromenade ist sehr gut ausgebaut, mit viel Platz für Fußgänger und Radspuren in beide Richtungen für die zahlreichen Fahrradfahrer. Es gibt Unmengen an Restaurants und Cafés, aber auch viele Sitzbänke. Was mir ausgesprochen gut gefallen hat: der parallel zur Strandpromenade verlaufende Boulevard de la Plage wird in den Sommermonaten weitgehend für den Autoverkehr gesperrt. Nur Morgens ist Lieferverkehr und Durchfahrt möglich – was für ein Traum für Fußgänger!
Eine schöne Markthalle gibt es natürlich auch, nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt. Ich genieße den Trubel rund um die bunten Marktstände und kann mich gar nicht satt sehen an den vielen Produkten.
Die Ville d´hiver – ein Spaziergang durch vergangene Zeiten
Arcachon wurde 1841 an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Vorher mussten Reisende die mühselige Fahrt mit einer Postkutsche auf sich nehmen, waren über Nacht unterwegs und dem Risiko ausgesetzt, von Plünderern überfallen zu werden.
Es waren die Brüder Emile und Isaac Pereire, die mit ihren Bankinstituten aktiv den Bau von Eisenbahnlinien weit über die Grenzen Frankreichs hinaus förderten. Ab 1861 fanden sie in Arcachon ein neues Betätigungsfeld. Die gute Luft des Atlantiks als wirksames Mittel gegen Tuberkulose, gepaart mit einen kleinen Finanzspritze der Pereire-Brüder – bald strömten Kurgäste aus ganz Europa in die Winterstadt.
Ein Spaziergang durch die Ville d´hiver, also die Winterstadt, kommt einem Spaziergang durch längst vergangene Zeiten gleich. Auf einem Gebiet, das rund 10 Hektar groß ist und sich in einer Höhenlage rund um die Avenue Victor Hugo und ihre Seitenstraßen erstreckt, finden Architekturliebhaber ihr Paradies. Die Belle Epoque zeigt sich hier in den rund 300 Villen von ihrer allerschönsten Seite, und die Villen aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert sind originell bis exzentrisch.
Die unterschiedlichsten Einflüsse werden hier sichtbar. Es gibt Häuser, die an Schweizer Chalets denken lassen, gotische Landhäuser, maurische Pavillons – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt Türmchen und Säulen, extravagante Dächer, prächtige Verzierungen – all das umgeben von üppig blühenden Gärten. Die Straßen sind schmal und gepflastert, der Baumbestand uralt. Hier wurde eindeutig nicht gebaut, um schnell mit dem Haus fertig zu werden.
Eine der ältesten Villen der Winterstadt ist die Villa Bacon, die Emile Pereire selbst gehörte. Sie wurde bereits 1865 erbaut und hatte fast bescheidene Ausmaße, bis sie dann 1911 und 1914 erweitert wurde
Ein besonderes Schmuckstück mit auffälligem Lambrequin ist die Villa Humboldt. Der Name ist auf einer Keramiktafel an der Fassade zu erkennen – eine Hommage an Alexander von Humboldt, den berühmten, 1769 in Berlin geborenen Naturforscher.
Im Namen der Villa Chopin klingt Musik mit. Sie scheint wie gemacht für große Empfänge und rauschende Feste. Die Architektur ist verspielt, mit Türmchen und Terrassen, der umgebende Park eine Wucht.
Eine der schönsten Villen in Arcachon ist vermutlich die Villa Alexandre Dumas. Sie wurde 1895 von dem Architekten Jules de Miramont erbaut – eine Mischung aus italienischem Stil mit hispanischen Elementen, mit Erkern, Ornamenten und Nischen.
Der Parc Mauresque
Ein Hort des Friedens und der Ruhe inmitten all dieser Villenpracht ist der Parc Mauresque. Das vier Hektar große Gelände ist ideal für eine Ruhepause in farbiger Blütenpracht und unter uralten Bäumen. Hier befand sich einst auch das maurische Casino, das 1977 durch einen Brand zerstört wurde.
Basilika Notre Dame
Nur wenige Schritte vom Park entfernt, befindet sich die Basilika Notre-Dame, die zwischen 1858 und 1860 errichtet wurde. Von hier aus sind es nur wenige Schritte hinab bis zum Wasser und zur Jetée de la Chapelle.
Das Bassin d´Arcachon mit dem Fahrrad
So schön die alten Villen sind – es wäre schade, würde ich nur sie sehen. Und so leihe ich mir bei Beach Bikes in der Fußgängerzone ein Fahrrad aus und mache mich auf zu einer Radtour. In Arcachon selbst gibt es 22 Kilometer Radwege, am Bassin d´Arcachon insgesamt 220 Kilometer. Die Form des Beckens lässt mich an den Kopf eines Golfschlägers denken. Die komplette Umrundung entspricht einer Strecke von rund 80 Kilometern. So weit komme ich nicht – es gibt zu viel zu sehen und zu viele Fotostopps müssen eingelegt werden.
Es tut so gut, auf dem Rad unterwegs zu sein und sich den Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen! Ich radle zunächst zum Hafen von Arcachon. Hier kann man nicht nur Unmengen schicker Jachten sehen, sondern auch Wassersportlern und Segelschülern bei ihren ersten Versuchen zuschauen. Das Wasser ist tiefblau und ruhig. Sagenhafte 2.700 Liegeplätze gibt es im Hafen von Arcachon, womit er nach Brest zum zweitgrößten Hafen der Atlantikküste wird.
Weiter geht es zu den Salzfeldern von La Teste-de-Buch, einem geschützten Naturraum. Rund um den Hafen von La Teste sind die Hütten der Austernzüchter zu finden. Zwischen 8.000 und 10.000 Tonnen Austern werden jährlich im Becken produziert, und wer will, kann auch mit einem Produzenten hinausfahren zu den Austernbänken.
Ich genieße die Radtour, den Fahrtwind und die langsam vorbeiziehende Landschaft. Hier sind Genussradler, keine Kampfradler, unterwegs und nur ganz wenige Radler tragen Helm.
Irgendwann mache ich kehrt und radle zurück in Richtung Hafen. Hier wird gerade der Nationalfeiertag vorbereitet; in einer großen Halle wird später ein Menü serviert und viele helfende Hände bereiten alles für den Ansturm der Besucher vor. Am Abend soll ein großes Hafenfest steigen. Mich lockt der Flohmarkt an – eine Fundgrübe an Altertümchen und Trödelschätzen.
Auf der Terrasse des Saint Ferdinand wird mir deutlich, wie mondän es hier an der Atlantikküste zugehen kann. Während ich entspannt mein Kaltgetränk schlürfe, tafelt nebenan eine Gesellschaft. Ich vermute, dass es sich um eine Familienfeier handelt, und ich kann mehrere Generationen ausmachen. Die Gäste sind trotz der hochsommerlichen Temperaturen festlich gekleidet, die Damen alle im Kleid und mit hohen Schuhen, die Herren zum Teil sogar mit Krawatte. Serviert werden natürlich Meeresfrüchte und Foie Gras. Nur die Kinder langweilen sich ganz offensichtlich. Ein Knirps von vielleicht sechs oder sieben Jahren scheint jetzt schon mit dem Leben fertig – darauf lässt zumindest sein Gesichtsausdruck schließen – und kippt sich den Inhalt eines Salzstreuers in den Hals. Die Mutter ist nicht amüsiert… Ich genieße den Blick über das Hafenbecken.
Abendstimmung auf der Uferpromenade
Abends bin ich zurück in Arcachon. Die Uferpromenade ist voller Leben, die Restaurants gut gefüllt. Eine Band hat ihre Instrumente aufgebaut und spielt ein jazziges Repertoire von Police bis George Benson, während über dem Atlantik die Sonne untergeht. Das Leben kann so schön sein!
Neugierig geworden?
Falls ihr mehr wissen wollt über Arcachon, dann schaut euch doch einmal die Website des Tourismusverbandes an. Auch das Bassin d´Arcachon bietet eine informative Seite mit Besichtigungsvorschlägen im Rhythmus der Jahreszeiten. Die Website des Tourismusverbandes der Region Nouvelle-Aquitaine ist unter anderem in Deutsch verfügbar und bietet eine ganze Rubrik über die Atlantikküste. Auch das Département Gironde hält auf seiner Website viele Anregungen bereit. Für mich steht fest: ich komme wieder, und dann steuere ich die Düne von Pilat und Cap Ferret an. Es gibt noch viel zu entdecken!
Offenlegung
Ich hatte das Glück, für meinen Arbeitgeber Atout France eine Pressereise begleiten zu dürfen, zu der der Tourismusverband der Region Nouvelle-Aquitaine gemeinsam mit der Bahn nach Bordeaux und Soulac eingeladen hatte. Den Ausflug nach Arcachon habe ich privat organisiert und selbst finanziert.
Wunderschön.
Danke für Fotos und Artikel und den Tip mit Nachtzug.
Sonnige Grüsse Daniela
Vielen Dank, liebe Daniela, für dein Feedback! Es handelt sich allerdings nicht um einen Nachtzug. Die Abfahrt in Frankfurt ist morgens gegen 7 Uhr und man kommt gegen 14 Uhr 30 in Bordeaux an. Die Rückfahrt ab Bordeaux startet gegen 16 Uhr.
Sehr schön erzählt. Da hat mann lust um hin zu gehen.
Danke dir, liebe Joke!
Sehr reizvolle Story, liebe Monika. Am liebsten würde ich gleich los. Schade, dass der TGV nur in der Hochsaison unterwegs ist. Viele Grüße, Kiki
Danke dir, liebe Kiki! Die Fahrten in diesem Sommer sind ein Test, um zu schauen, ob die Verbindung angenommen wird. Wenn die Wirtschaftlichkeit erwiesen ist, müssen Kapazitäten auf den Schienen gefunden werden. Aber klar, es wäre toll, diese Verbindung zumindest zwischen Frühjahr und Herbst zu haben.
Schöne Beschreibung und noch so viel zu sehen…
Schön, dass du da warst, bis zu nächsten Mal.
Wunderbar Monique