Ich habe überhaupt keine Lust, Bücher über die Befindlichkeiten von irgendwelchen Menschen zu lesen. So tragisch und rührend persönliche Schicksale sein können – es interessiert mich schlicht nicht. Ich will den Menschen in aller Regel gar nicht so nah kommen. Klar, ich habe die Tagebücher von Captain Cook gelesen und die Autobiografien von Malala Yousafzai und Wolfgang Niedecken, auch Bücher von anderen interessanten Menschen und Autoren. Aber bitte keine Gefühlsduselei.
Es ist wie so oft im Leben: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Von hier bis ans Meer
Nach dem Urlaub erwartete mich im Büro ein Poststapel, der fast einen halben Meter hoch war. Ich habe alles zur Seite gelegt und erst einmal ignoriert. Gedanklich war ich noch ganz in Ostfriesland, und Hunderte von dienstlichen Mails wollten gesichtet und zum einem guten Teil auch bearbeitet werden. Ein Buch fiel mir dann aber doch irgendwann ins Auge, nämlich „Von hier bis ans Meer“ von Christine Cazon. Und als ich die ersten Zeilen las, war klar, dass ich es sofort lesen musste.
Vorletztes Jahr wurde ich mit einer Handvoll anderer Menschen ausgewählt, bei Horst Lichters Fernsehsendung ´Auf der Suche nach dem Glück´ teilzunehmen. Horst Lichter reiste mit seinem Motorrad an der Côte d´Azur entlang, suchte wunderbare Plätze auf und traf sich mit unbekannten Menschen, die dort lebten. Ist man hier glücklich? Oder glücklicher? Und warum? Das war die Frage, die er allen stellte.
Meinen Arbeitstag kann ich im Prinzip nie planen, denn es kommt doch immer alles anders. An die Anfrage vom ZDF kann ich mich aber noch genau erinnern. Es war im Frühjahr 2018 und das Projekt klang äußerst vielversprechend. Horst Lichter kannte ich vor allem als Koch, eine lustige Quasselstrippe mit imposantem Schnauzbart. Und jetzt sollte er auf Glückssuche in Südfrankreich gehen, nachdem er im Vorjahr schon Norwegen bereist hatte und offensichtlich nicht fündig geworden war. Da seine Fremdsprachenkenntnisse, vorsichtig gesagt, ausbaufähig sind, sollte es meine Aufgabe sein, Deutsche an der Côte d´Azur ausfindig zu machen, die er mit seinem Motorradkumpel Hardy Krüger Jr. aufsuchen wollte.
Der Name Christine Cazon stand als einer der ersten auf meinem Zettel. Es gibt einige Deutsche, die in Südfrankeich arbeiten. Sie sind im Tourismus tätig oder auch Hotelbesitzer. Christine Cazon aber ist oftmals meine Geheimwaffe, wenn eine Redaktion einen Geheimtipp für die Côte d´Azur braucht. Auch in diesem Fall war Christine sofort bereit, an dem Film mitzuwirken. Was für ein Glück!
Wie alles begann: die Buchmesse 2017
Wie konnte es dazu kommen, dass eine Krimiautorin im Tourismus mitmischt? Auch dazu gibt es ein schönes Zitat in Christine Cazons Buch, und zwar auf Seite 253. Ich bin rückwärts vom Stuhl gekippt, als ich diese Zeilen las:
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot des französischen Fremdenverkehrsamtes vorsah, dass die Autorin nur vier Wochen später auf der Buchmesse sich und ihre Krimis präsentieren sollte, und als die Autorin das erfuhr, bekam sie fast einen Zusammenbruch. Vor Freude und vor Schreck.
Nie hätte ich mir vorstellen können, einer gestandenen Krimiautorin mit einem kleinen Messeauftritt einen Schrecken einjagen zu können. Um es kurz zu machen und euch jede Befürchtung zu nehmen: es wurde eine grandiose Veranstaltung an einem der Buchmessenabende und insgesamt ein überaus gelungener Messeauftritt.
Frankreich war 2017 Gastland, und die Gastlandhalle war voll mit hochkarätiger Literatur aus Frankreich. Auch der eine oder andere Literaturstar wurde gesichtet. Politikprominenz natürlich auch. Alles sehr intellektuell und bedeutungsvoll.
Wir wollten es eher bodenständig, und so haben wir den Bogen von der hohen Literatur zum Tourimus mit dem Thema Krimis geschlagen. Ihr kennt doch sicher die Tische mit Urlaubslektüre, die im Frühling in fast allen Buchhandlungen zu finden sind. Unfassbare viele Krimis spielen in fast allen Regionen Frankreichs, und gerade der Süden scheint die Autoren zu inspirieren. Wir haben eine Frankreichkarte mit den aktuellsten Krimis erstellt – und selbst Franzosen staunten ob der Vielfalt. Auch wenn viele Autorennamen französisch klingen: oftmals sind es Deutsche, die unter Pseudonym schreiben. Und es gab kaum Lücken auf dieser Karte.
Die Buchmesse war absolutes Neuland für uns und das Abenteuer hätte auch komplett schief gehen können. Unser Gedanke: es könnte doch einmal spannend sein, Krimiautoren einmal mit ihren Lesern zusammenzubringen. An einem Stand, der für das Reiseland Frankreich Werbung macht. Eine absolut positive Überraschung für mich: die Autoren waren total aufgeschlossen. Ich habe ihnen E-Mails geschrieben und sie haben mir geantwortet! Alle haben sich sofort bereiterklärt, etwas Zeit an unserem Stand zu verbringen und uns ein Interview zu geben. Und es wurden überaus tolle Begegnungen.
Wir haben uns wie die Schneekönige gefreut, denn das Konzept ist aufgegangen! Die Besucher kamen tatsächlich, um ihren Lieblingsautor zu sehen, sich ein Buch signieren zu lassen oder ein Selfie zu machen. Und wir konnten viel Frankreichbegeisterung erleben und neue Reisepläne schüren.
Christine Cazon ist, wie eigentlich alle Autoren, die ich treffen durfte, unglaublich sympathisch, sehr aufgeschlossen und immer guter Dinge. Umso erstaunter war ich, zu lesen, wie schwer der Weg war, den sie gehen musste, bevor sie da ankam, wo sie heute steht. Voller Selbstzweifel, am Rande des Burnout und auf der Suche nach Einsamkein. Ich habe „Von hier bis ans Meer“ tatsächlich voller Begeisterung gelesen, will aber natürlich nicht allzu viel verraten. Gerade, wenn ihr die Krimis rund um ihren Kommissar Léon Duval kennt, dann ist dieses Buch eine perfekte Ergänzung. Da, wo sie über die Unterschiede zwischen der französischen und deutschen Mentalität schreibt, hätte ich am liebsten gleich eingehakt und Beispiele aus meinem Arbeitsalltag eingeworfen. Erst dieser Tage zum Beispiel hatte ich mit einer französischen Arbeitskollegin darüber gesprochen, dass ich Mails, die ganz unvermutet mit ´Monika´, aber ohne ´Bonjour´ oder ´Chère´ beginnen, als etwas unhöflich empfinde. Replik der Französin: jedes überflüssige Wort wird in einer Folge von Mails weggelassen, aber durch die Namensnennung will der Absender sicher sein, dass ich mich angesprochen fühle. Darauf ich, sehr deutsch: wenn ich eine Mail bekomme, die an meine Adresse gerichtet ist, dann fühle ich mich angesprochen. Es ist spannend.
Der Kontakt mit Christine Cazon ist nach der Buchmesse, zu der sie übrigens mit Monsieur kam, bestehen geblieben. Es versteht sich von selbst, dass ich jeden ihrer Krimis lese, allerdings nicht während der Arbeitszeit. Sogar bei Pressereisen hat sie mitgewirkt und entweder Gruppen oder einzelne Journalisten begleitet. Es hat sich auch ein stabiler Kontakt zu den Kollegen von Cannes Tourisme entwickelt. Ich war zwar leider noch nie persönlich bei einer der Touren dabei, habe mir aber sagen lassen, dass Christine tolle Führungen durch ´ihr´ Cannes macht, weit abseits von der Pracht der Luxushotels an der Croisette und den Filmfestspielen. Ein absoluter Glücksfall für uns, denn Krimiautoren können dem Tourismus tatsächlich ordentlich Schwung geben.
Übrigens: der Film mit Christine Cazon und Horst Lichter wurde am ersten Weihnachtsfeiertag 2018 ausgestrahlt, zur besten Sendezeit und direkt nach der Ansprache des Bundespräsidenten. Was für ein Glück! Und ich freue mich auf viele weitere spannende Projekte mit Christine!
Offenlegung: Ein Rezensionsexemplar des Bandes ´Von hier bis ans Meer´ wurde mir vom KiWi-Verlag zugesandt. Schaut euch gerne die Infos zu Christine Cazon auf der Website des Verlages an! Hier findet ihr auch Informationen zum allerersten Buch, das die Autorin herausgebracht hatte,´Zwischen Boule und Bettenmachen´ – meine allererste Lesebegegnung, vor x Jahren. Ferner gibt es eine Website von Christine Cazon und auch ein eigenes Blog: Au fil des mots. Keine Angst: nur der Name ist Französisch!
[…] Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Monika Fritsch, die für das Französische Fremdenverkehrsamt Atout France arbeitet, mein Buch überhaupt liest. Allenfalls wird sie es zur Kenntnis nehmen, dachte ich, sie wird es im Hinterkopf behalten, für den Moment, wo diese Info vielleicht gebraucht werden kann. Aber sie hat es gelesen, und das obwohl sie “Gefühlsduseleien” nicht mag. Zweimal sei sie beim Lesen fast vom Stuhl gekippt, schreibt sie. Wenn Sie wissen wollen warum, und wenn Sie die ganze Rezension lesen möchten, dann klicken sie hier! […]
[…] Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Monika Fritsch, die für das Französische Fremdenverkehrsamt Atout France arbeitet, mein Buch überhaupt liest. Allenfalls wird sie es zur Kenntnis nehmen, dachte ich, sie wird es im Hinterkopf behalten, für den Moment, wo Sie diese Info vielleicht gebrauchen kann. Aber sie hat es gelesen, obwohl sie “Gefühlsduseleien” nicht mag. Zweimal sei sie beim Lesen fast vom Stuhl gekippt, schreibt sie. Wenn Sie wissen wollen warum, und wenn Sie die ganze Rezension lesen möchten, dann klicken sie hier! […]
Liebe Christine,
aber natürlich lese ich jedes deiner Bücher! Das ist doch Ehrensache, und ich freue mich auf viele weitere schöne Projekte. Und ich hoffe, dass dein Herzschlag seinen normalen Rhythmus wiedergefunden hat…
Viele Grüße,
Monika
Hach, wie schön! Ich konnte mir schon nach den ersten Seiten nicht vorstellen, dass DIESES Buch NICHT ankommen würde, da wie dort. Es ist nach „Zwischen Boule und Bettenmachen“, das noch eher den leichten Charakter des schönen Landes samt neuer Aufgaben transportiert, eine völlig neue Sicht.
In völlig klarer Sprache transportiert Christine Cazon nicht den Funken von „Gefühlsdusselei“, sondern zeigt, dass hinter allen Sonnenstrahlen eben auch dunkle Wolken sich in einander schieben. Das neben „gut“ immer auch der andere Teil, und manchmal sehr lange und schier ohne Ende, steht, den man zu bewältigen hat. Sie hat es geschafft, das ich, die früher Dauerleserin war und heute meist abends nach erfülltem Tag mit vielen Problemen nach 3 Seiten eines durchaus spannenden Buches selbiges im Einschlafen auf mich fallen spüre, beinahe an einem Tag ihr neuestes durchgelesen hatte. Weil sie ehrlich, offen, liebevoll, aber ohne falsche Rücksichten genau an den richtigen Stellen berichtet, weil sie mit wirklichem Charme -nicht mit dem aufgesetzten, erfolgheischenden und gleichzeitig liebevoll – vom täglichen Leben völlig ungeschminkt berichtet, weil eben das Blau des uns immerwährende Sommerfreude nebst problemlosem französisch-lockerem Leben verheißend nur eine der vielen Facetten ist, die das Leben für sie und bestimmt alle anderen dort hat, besonders Menschen, die aus einem Land in ein anderes, vermeintlich gutes Leben ziehen. Und dieses sich dann also genauso schwierig, wenn nicht schwieriger in manchen Bereichen erweist. Mehr noch beeindruckt mich ihre Standhaftigkeit, mit der sie alle Dinge ertragen, gemeistert hat und nicht verzweifelt, auch wenn es mehr als einmal Anlass gegeben hätte und gibt. Tolles Buch, bewundernswertes Leben. Und dann noch schreiben können…Wowww, Chapeau, Frau Cazon!