Marburg an der Lahn – das Städtchen stand nie auf meiner Bucketlist. Aber jetzt habe ich doch die Gelegenheit bzw. das #9EuroTicket genutzt und mich auf den Weg gemacht, dieses mittelhessische Örtchen zu erkunden. Von Frankfurt aus bin ich fix dort und schon vom Zug aus sehe ich die Burg hoch über der Stadt thronen. Beim Weg in die Stadt überquere ich dann auch gleich die Lahn. Grün und wasserreich ist es hier im Lahntal!
Kunstmuseum Marburg
Mein erstes Ziel ist das Kunstmuseum Marburg, im Zentrum der Stadt und nur wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt gelegen. Das Museum ist neben dem Landgrafenmuseum einer der beiden Standorte des zur Philipps-Universität Marburg gehörenden Museums.
Spannend ist die Architektur des Hauses, denn hier zeigt sich die ganze Modernität der Architektur der Weimarer Republik. Architekt Hubert Lütcke experimentierte mit neuen Formen der Ästhetik und schuf den Bau im Jahr 1927 zum 400. Jubiläum der Universitätsgründung 1527. Die Fassade zeigt einen klaren Rhythmus und Säulen wie ein antiker Tempel. Der rote Sandstein hingegen stammt aus der regionalen Architektur. Ergänzt wird das Ganze durch Art Déco-Elemente.
Die Sammlung des Kunstmuseums ist klein, aber fein und konzentriert sich auf die Kunst der Weimarer Republik. Die ausgestellten Künstler sind mir längst nicht alle ein Begriff, aber das Schöne ist ja, dass man mit jeder Reise, mit jedem Museumsbesuch etwas dazulernt. Von einer hessischen Künstlerkolonie im Dörfchen Willingshausen hatte ich nie zuvor gehört.
Zu sehen ist im Kunstmuseum unter anderem die Sammlung Hilde Eitel. Hilde war studierte Designerin und im Familienunternehmen tätig, der Marburger Tapetenfabrik. Sie konnte sich für Farben, Formen und Strukturen begeistern. Sie vermachte 57 Werke der Avantgarde von 1945 bis die in 1970er Jahre dem Museum – unter anderem Jean Dubuffet, Yves Klein und Niki de Saint Phalle.
Der vielleicht schönste Saal des Museums findet sich im ersten Stock und zeigt an seinen Wänden die Kunstströmungen, die parallel die 1920er Jahre prägten. Eine große Experimentierfreude war angesagt in diesen Jahren nach dem Ende des Kaiserreichs und den Schrecken des Ersten Weltkriegs. Die Kultur demokratisierte sich und verschiedene Stilrichtungen standen nebeneinander: abstrakte Malerei, Neue Sachlichkeit und Expressionismus, Nachwirkungen des Impressionismus sowie Symbolismus und Jugendstil – zweifellos eine spannende Zeit.
Ich träume ja auch immer davon, ganz alleine in einem Museum zu sein. Im Kunstmuseum Marburg wurde dieser Traum Wirklichkeit, was aber vielleicht auch an der frühen Tageszeit meines Besuchs lag…
Ein weiteres Architekturhighlight zeigt sich übrigens im Treppenhaus. Die charakteristischen Lütcke-Zacken prägen hier die Stuckarbeiten, und dazu sorgen expressive Leuchter für eine ausgesprochene Eleganz.
Studierende der Philipps-Universität genießen übrigens freien Eintritt im Museum und können das Angebot einer Kunstpause nutzen: jeden Mittwoch erläutert ein Museumsmitarbeiter die Besonderheiten eines einzigen Werks. Später kann man die digitale Pause dann auf der Website einlegen – hier etwa zum Baccanal von Lovis Corinth.
Grüne Oase: der Alte Botanische Garten
Ich verlasse das Museum und laufe in Richtung der Oberstadt – so wird in Marburg die Altstadt genannt. Doch gleich lockt mich ein Wegweiser weg von meiner eigentlichen Strecke, zum Alten Botanischen Garten.
Auch der botanische Garten gehört zur Philipps-Universität, deren Bauten über das ganze Stadtgebiet verteilt sind. Seit rund 200 Jahren befindet sich der Garten am Pilgrimstein, die umfangreiche Pflanzensammlung wurde jedoch 1970 in den Neuen Botanischen Garten ausgelagert. Der alte Garten ist heute ein Naherholungsgebiet und zudem die einzige Grünanlage im Stadtgebiet.
Auf zum Landgrafenschloss
Vom Alten Botanischen Garten aus mache ich mich jetzt auf den Weg, den höchsten Punkt Marburgs zu erreichen – das Landgrafenschloss. Ich passiere die Dominikanerpforte und über einen geschwungenen Weg geht es langsam in die Höhe bis hin zur Burganlage.
Oben angekommen, kann ich nur sagen: Hier lässt es sich aushalten! Alte Bäume spenden Schatten, und Wanderer können sich entweder auf Bänken direkt unter den Bäumen ausruhen oder aber einen ruhigen Platz in der schön angelegten Gartenanlage suchen.
Der älteste Teil der Marburg geht auf das späte 10. und frühe 11. Jahrhundert zurück. Der erste hessische Landgraf Heinrich I lässt die Burg dann in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ausbauen. Heute befindet sich hier das Museum für Kulturgeschichte. Für ein zweites Museum reicht jedoch meine Energie nicht – ich brauche einen Kaffee. Und habe einen guten Grund, einmal wiederzukommen.
Die perfekte Adresse für eine Kaffeepause hatte ich schon auf dem Weg bergan entdeckt. Knapp unterhalb des Landgrafenschlosses bietet der Bückingsgarten nicht nur einen wunderschönen Ausblick über das Lahntal, sondern auch einen ganz hervorragenden Rhabarberkuchen.
Fachwerkromantik
Das quirlige Herz von Marburg ist sicherlich der Marktplatz mit dem historischen Rathaus, erbaut in den Jahren 1512 bis 1527. Die spätgotische Architektur erschien den Marburgern wohl zu schlicht, so dass sie später noch ein Renaissancetürmchen aufsetzen ließen.
Kleine Anekdote am Rande: auf dem Marktplatz fand 1248 auch die Gründung des Landes Hessen statt. Sophie von Brabant, die älteste Tochter der heiligen Elisabeth, soll hier ihren erst 4-jährigen Sohn zum Landgrafen ausgerufen haben. Der kleine Heinrich hatte jedoch ordentlich zu kämpfen und musste noch einige Erbstreitigkeiten bewältigen, bevor er 1292 Marburg zur Residenzstadt ausrufen konnte.
Der Markplatz ist ein guter Ausgangspunkt zur Erkundung der Marburger Fachwerkpracht. Am besten ist es, sich einfach treiben zu lassen und durch die kleinen Gassen zu schlendern.
Der Grimm-Dich-Pfad
Als ob Marburg noch nicht genug ´Trimm dich´ wäre – es gibt auch den Grimm-Dich-Pfad! Marburg ist neben Hanau, Kassel und Steinau eine Grimm-Stadt, denn die beiden Brüder verbrachten hier Anfang des 19. Jahrhunderts einige Ausbildungsjahre. Sie studierten bei einem Rechtsgelehrten, dessen Schwager der romantische Dichter Clemens Brentano war. Und der weckte in den Brüdern Grimm die Begeisterung für Volkslieder und Märchen. In Marburg wurde so der Grundstock für ihre Sammlung gelegt. Besucher der Stadt können heute an verschiedenen Stellen Figuren und Szenen der Märchen der Gebrüder Grimm entdecken.
Jakob Grimm zog 1802 in die Barfüßerstraße 35, wo er direkt unter dem Dach wohnte. 400 Jahre jung ist das Fachwerkhaus, das heute prachtvoll anzusehen ist. Damals jedoch war die Oberstadt übel beleumdet, die Gassen schmutzig und schlecht beleuchtet. Jakob konnte jedenfalls nicht ohne seinen Bruder sein und war froh, als dieser ihm nach Marburg folgte.
Neugierig geworden?
Wenn du neugierig geworden bist, dann schau doch einmal auf der Website von Marburg Tourismus vorbei. Hier finden sich auch alle Informationen zum 800. Stadtjubiläum 2022. Wissenswertes zum Kunstmuseum und auch zum Landgrafenschloss findet sich auf den Seiten der Universität. Wer gerne auf sonnigen Terrassen gepflegt seine Zeit vertrödelt, der ist auf der Seite des Bückingsgartens gut aufgehoben. Ich komme wieder!
Eine interessante Beschreibung die besondere Neugier erweckt, nach Marburg zu fahren. Sieht schön und einladend aus. Ob ich allerdings soviel sehe wie die Monika Fritsch in einem Tag, da brauche ich eine ganze Woche für.
Danke, Maria! Ich glaube, in einer Woche könnte man sich noch weitaus mehr ansehen und vielleicht auch auf der Lahn paddeln gehen.
Hallo, schön das sie sich die Mühe gemacht haben und eine kleine Auswahl ihrer Eindrücke hier schildern. Es sind aber nicht die „Gebrüder Grimm „ sondern Brüder Grimm! Übrigens waren noch viele weitere Persönlichkeiten in Marburg. Leider hat die Unistadt auch recht negative Anzeichen die man auch gut sehen kann. Anders als Touris sehen wir als Bewohner die Stadt und da wäre einiges zu verbessern.
Danke für diesen Kommentar! Ganz klar, ich war zum ersten Mal in Marburg und habe nur einen allerersten Eindruck bekommen. Die Perspektive eines Bewohners ist sicher anders, und ich kann mir gut denken, dass die vielen Touristen auch stören. Bei meinen Fotos und Berichten möchte ich mich jedoch auf das beschränken, was mir gut gefällt. Und ich komme auch sicher einmal wieder, um noch weitere Entdeckungen zu machen.