Das Tal der Drôme steht nicht nur für die Verheißungen des französischen Südens. Sicher, es gibt die Lavendelfelder in betörenden Farben und weite Felder mit Sonnenblumen – aber es gibt auch Berge und Wald, dazu mit der Synklinale eine geologische Besonderheit, die die Drôme zu einem echten Schatz der Natur macht.
Wir kurven ordentlich durch die Berge. Dabei fahren wir nicht allzu viele Kilometer, aber viele Kurven und Kehren rund um beeindruckende Gipfel. Unser Weg führt über den Pas de Lauzun, vorbei an Lavendelfeldern, über eine ´route remarquable´, die besonders schöne Landschaften kennzeichnet. Für Rennradler und auch Motorradfahrer ist das hier das Paradies, ebenso für Wanderer und Kletterer.
Der Wald von Saoû
Der Wald von Saoû beginnt einige Kilometer hinter dem Dorf Saoû, und er gilt als einer der schönsten Wälder der ganzen Region. Er bedeckt ein Bergmassiv, das von beeindruckenden Kalksteinformationen umgeben ist und sich über eine Fläche von 2. 500 Hektar erstreckt. Aus der Vogelperspektive sieht das Gebiet aus wie ein gestrandeter Schiffsrumpf. Die Seitenwände ragen in die Höhe, aber die Mitte liegt deutlich tiefer. Vom Tal blickt man zu den drei Bergspitzen der Trois Becs – Rochecourbe, Signal und Veyou. Der höchste Punkt liegt auf 1.589 Metern. Die Trois Becs sind ein perfekter Orientierungspunkt, wenn man im Tal der Drôme unterwegs ist.
Der Traum von Maurice Burrus
Wie so oft im Tal der Drôme, sind es die Menschen, die die Region prägen. Im Fall des Waldes von Saoû ist dies Maurice Burrus, ein elsässischer Tabakmagnat, der sich für Philatelie und Archäologie begeistert. Er kauft den Wald 1924, um daraus ein Jagdgebiet zu machen. Burrus pflanzt allerlei Baumarten an und kümmert sich um die forstwirtschaftliche Entwicklung des Tals. Auch eine Schafzucht will er aufziehen, ändert dann aber recht schnell seine Pläne.
Burrus geht die ersten Schritte in Richtung eines grünen Tourismus. Er lässt im Inneren der Synklinale einen Rundweg von 27 Kilometern Länge anlegen, der auch befahren werden kann, und entlang der Strecke Picknicktische aufstellen.
1928 beauftragt Burrus den Architekten Paul Boyer mit dem Bau einer Herberge – der erste Schritt zur Entwicklung des Tourismus. Das Gebäude ist ganz modern aus Beton, aber sowohl die klassizistische Fassade als auch die Innendekoration zeugen von der Inspiration durch das Trianon in Versailles. Den Gästen stehen ein üppig dekoriertes Restaurant und einige Zimmer für Übernachtungen zur Verfügung.
Als wir auf der enorm großen Dachterrasse stehen, sehe ich sofort die rauschenden Partys der Goldenen Zwanziger vor meinem inneren Auge, habe Jazzmusik und Charleston im Ohr. Kostümfeste und Konzerte, rauschende Ballnächte… Die Bourgeoisie kommt zum Feiern in den Wald, aber ebenso Arbeiter und Landbevölkerung auf der Suche nach Erholung. Der Zweite Weltkrieg setzt all dieser Pracht ein Ende. Maurice Burrus hat anderes zu tun. Das Gebäude steht leer und gerät in Vergessenheit.
Mehr als ein Museum – das Tor zum Wald
Seit Anfang Juli 2022 kann man die rundum erneuerte ´Auberge des Dauphins´ besuchen – ein besonderer Ort, der Natur, Kultur und historisches Erbe erlebbar macht. Seit 2003 ist der Wald von Saoû im Besitz des Département Drôme, das ihn als Naturschutzgebiet – ´Espace Naturel Sensible´ – ausgewiesen hat. Das Département Drôme hat in und um die Auberge kräftig investiert, mit Unterstützung der Region Auvergne-Rhône-Alpes und weiterer Partner.
Die Auberge hat ganz klar eine pädagogische Aufgabe und erwartet viele Schulklassen, die etwas über das Ökosystem Wald und die Besonderheiten des Ortes lernen möchten. So stehen Ranger zur Verfügung, die ahnungslose Stadtbewohner in das Leben in und mit der Natur einweisen. Natürlich kann man sich auch für geführte Wandertouren einschreiben. Daneben versteht die Auberge sich als Ort kultureller Veranstaltungen und Begegnungen.
Geologisch auffällig: die Synklinale
Was genau ist nun diese Synklinale? Im mit neuester Technik und Museographie ausgestatteten Ausstellungsraum wird dies anschaulich erklärt. Bereits der Weg hierher begeistert mich, denn es riecht überall nach wunderbar frischem Holz.
Es handelt sich um eine rinnenförmige Falte, deren Kern von geologischen Formationen eingenommen wird, die jünger sind als die Flanken. Sie wird normalerweise von zwei Antiklinalfalten eingerahmt, die in höheren Lagen gipfeln. Man spricht von einer „hockenden Synklinale“, wenn die Erosion, die die Antiklinalen viel stärker angegriffen hat als die Synklinale, den Boden der Synklinale auf einer Höhe belassen hat, die höher ist als die des umliegenden Geländes.
Die geologische Besonderheit liegt im fast vollständigen Abschluss des Tals nach außen hin, mit zwei Nord- und zwei Südflanken – so kann sich eine enorme biologische Vielfalt inmitten unberührter Natur bewahren.
Das neue Restaurant
Das Restaurant ´Le Salon doré´ befindet sich im Erdgeschoss der Herberge. Es besteht aus vier kleineren, jeweils durch Eckpfeiler abgegrenzte Räume und ist mit viel Gold, Spiegeln und üppigen Lüstern dekoriert. Und hier zeigt sich von Neuem die ganze Pracht vergangener Zeiten! Ein Ort, dessen Schönheit wie aus der Zeit gefallen wirkt.
Die Restaurationsarbeiten wurden vom Atelier Marc Lavarenne durchgeführt, das sich darauf spezialisiert hat, alten Dekoren zu neuer Pracht zu verhelfen. Eine enorm mühselige Arbeit, denn zunächst muss der alte Bestand gesichtet und gesichert, dann gereinigt und ausgebessert werden. Vor allem die Decke hatte durch den langen Leerstand gelitten. Ich stelle mir vor, wie hier richtige Wanderer nach einer mehrstündigen Tour vollkommen verschwitzt und mit dreckigen Wanderschuhen unter den korinthischen Kapitellen Platz nehmen…
Im Rhythmus der Jahreszeiten
Die Auberge des Dauphins ist von April bis Ende Oktober geöffnet, für Gruppen auch außerhalb der Saison. Verschiedene Events geben den Takt vor, etwa das ´Fest der Natur´ im Mai, die Tage des Offenen Denkmals im September oder auch der Saisonabschlusstag im Oktober. Alle Informationen, Veranstaltungen und Preise finden sich auf der Website der Auberge des Dauphins. Der Blick auf die Seite lohnt sich auch wegen der alten Fotos aus den Anfangsjahren der Auberge.
Hotel mit Ausblick: das ´Château du Poet-Célard´
Auch unsere Unterkunft lässt uns die ganze Pracht der Natur im Tal der Drôme in vollen Zügen genießen. Wir sind im Château du Poet-Célard untergekommen. Der Begriff ´Château´ ist vielleicht etwas hoch gegriffen – es ist eine Burg, und wie sich das für eine richtige Burg gehört, in der Höhe gelegen, mit Blick auf die umgebende Landschaft. Der Weg hinauf zur Burg ist recht abenteuerlich. Der Zufahrtsweg ist schmal, es gibt einige extrem scharfe Kurven und Kehren, und kurz bevor man oben ankommt, sogar eine Ampelschaltung, um Unfälle unter den Gästen zu vermeiden. Es empfiehlt sich auf jeden Fall eine Anreise mit einem kleinen Auto.
Das Hotel befindet sich im Besitz der Kommune, die sich vorgenommen hat, die Burg in bestmöglichem Zustand zu erhalten. Die Preise für die Übernachtung sind unschlagbar günstig. Die Zimmer sind schlicht und pragmatisch eingerichtet, bieten dabei einen wunderschönen Blick auf die Landschaft. Allein das Eckwaschbecken im Bad ist für meinen Geschmack etwas zu klein ausgefallen, zumal es auch keine Ablageflächen rund ums Becken gibt, aber auch das ist nicht weiter schlimm. Jeden Morgen lockt mich der Duft von frisch gebackenen Croissants und Pain au Chocolat in den Frühstücksraum. Dieser Duft ist so betörend, dass er durch das Treppenhaus und sogar durch die dicken Türen dringt. Kann der Tag besser beginnen?
Offenlegung
Ich durfte das Tal der Drôme im Rahmen einer Pressereise entdecken, zu der der Tourismusverband eine kleine Gruppe von Journalisten eingeladen hatte. Ich war die Begleiterin der Gruppe und staune noch immer über das reiche Programm voller Entdeckungen und Begegnungen, das uns Nicolas Adam, der Leiter des Büros, zusammen mit seinem kleinen, aber ungemein engagierten Team ausgearbeitet hatte. Man kommt als Fremder und geht als Freund – das ist für mich hier tatsächlich wahrgeworden. Ich bin sicherlich nicht zum letzten Mal in diesem wunderschönen Fleckchen Frankreich gewesen. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.