Groningen – Paradies für Fahrradfahrer und Flaneure

Städtetrip in den Norden der Niederlande: GroningenStädtetrip in den Norden der Niederlande: Groningen

Viel zu lange war ich nicht mehr in den Niederlanden! Das wurde mir jetzt bewusst, als ich für ein paar Tage ganz im Norden war, in Groningen. Die Wegweiser nach Groningen hatte ich schon bei meinen Touren durch Ostfriesland gesehen, denn die Stadt liegt gerade mal 75 km westlich von Leer. Von Emden oder auch der Krummhörn aus ist es tatsächlich nur ein Katzensprung über die Ems. 

Vielleicht einer der schönsten Bahnhöfe der Niederlande: Groningen

Vielleicht einer der schönsten Bahnhöfe der Niederlande: Groningen

Groningen – Stadt der Radler 

Schon als ich den Bahnhof verlasse und die riesigen Fahrradparkhäuser sehe, ahne ich es: Groningen ist ein echtes Paradies für Fahrradfahrer! Gefühlt aus allen Richtungen kommen Radler und auf den Straßen herrscht ein ordentliches Gewusel. Menschen aller Altersklassen sind mit dem Fahrrad unterwegs, und die meisten haben ein ordentliches Tempo drauf. Gelebt wird friedliche Koexistenz mit den Fußgängern, die auch mal in einem Bogen umfahren werden, wenn sie ohne zu schauen auf die Straße laufen. In den Tagen, die ich in Groningen war, habe ich nicht einmal erlebt, dass Verkehrsteilnehmer sich gegenseitig anmotzen. Es gibt keine Kamikaze-Kampfradler, die sich für die Könige der Straße halten, im Gegenteil. Die Fahrräder sind ganz normale Verkehrsmittel, die meist täglich genutzt werden. Es wird offensichtlich kein Wert darauf gelegt, das neueste Modell zu besitzen. Eher ist eine auffällige Farbe oder eine individuelle Dekoration sinnvoll, um das eigene Rad nach dem Parken auch wiederzufinden. Die Groningerinnen und Groninger lassen sich auch von schlechtem Wetter nicht abhalten, auf´s Fahrrad zu steigen. Bei Wind und Wetter sind sie unterwegs. Und in den allermeisten Fällen ohne Helm. Eine andere, wunderbare Welt. 

Groningen - Stadt der Fahrradfahrer

Groningen – Stadt der Fahrradfahrer

Es ist großartig zu sehen, dass der Verkehrs in einer Stadt auch anders als rund um das Auto geplant werden kann. So war ich auch als Fußgänger sehr gerne in der Stadt unterwegs. Die Wege sind breit und in gutem Zustand. Fahrradparkhäuser sind ausgeschildert und überall parken Räder. In Groningen war es gegen Ende der 1970er Jahre eine linksgerichtete Regierung, die entschied, dem nicht-motorisierten Verkehr die Vorfahrt zu geben. Die Geografie der Stadt bietet dies allerdings auch an, denn die komplette Innenstadt ist von Wasser umgeben, vom Fluss A. Autos werden auf einen Straßenring außerhalb verwiesen und dürfen allenfalls in die innerstädtischen Sektoren ein-, aber nicht durchfahren. Vorteil Fahrrad – das ist einfach das schnellste Verkehrsmittel. Ein ordentliches Busnetz gibt es natürlich auch, das die Stadt mit dem Umland verbindet.  

Backsteinfassaden vor blauem Himmel - Groningen

Backsteinfassaden vor blauem Himmel – Groningen

Groningen ist eine Stadt der kurzen Wege, und die Hauptsehenswürdigkeiten liegen nur kurze Fußstrecken auseinander. 

Faszinierendes Blau im Deckengewölbe der Martinikerk in Groningen

Faszinierendes Blau im Deckengewölbe der Martinikerk in Groningen

In und auf der Martinikerk

Die Martinikirche ist die älteste Kirche in Groningen. Um das Jahr 800 gab es hier eine Holzkirche, die um das Jahr 1.000 durch ein Gebäude aus Tuffstein ersetzt wurde. Die heutige Martinikirche wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert erbaut und in den Folgejahren mehrfach umgebaut. Nur noch Sonntags finden hier noch Gottesdienste statt, und an anderen Tagen kann die Kirche für Veranstaltungen oder Konzerte anmietet werden. 

 

Der Turm der Martinikirche, der Martinitoren, ist heute mit 97 Metern das höchste Gebäude Groningens. Der erste Turm war 1468 eingestürzt, der zweite Turm bei einem Freudenfeuer versehentlich in Brand gesteckt worden und 1627 neu errichtet. Vielleicht ist es eine Antwort auf den Personalmangel: Karten kann man am Automaten kaufen, und dann geht´s durch ein Drehkreuz. 251 Treppenstufen führen über eine enge Wendeltreppe in die Höhe. Man kann die Glocken aus nächster Nähe betrachten und dann – gut gesichert – die Aussicht genießen. 

 

Die Anstrengung will belohnt sein: Direkt neben dem Turm gibt es ein kleines, aber feines Café, in dem man auch mehrere Etagen hochsteigen kann. Ich hab´s nur bis in den ersten Stock geschafft und mir dann eine köstliche appeltaart met slagroom zu gönnen. 

Einladung zum Verweilen: De Kostery, direkt neben dem Martinitoren

Einladung zum Verweilen: De Kostery, direkt neben dem Martinitoren

 

Das Groninger Museum

Es gibt einige Museen in Groningen, aber das mit Abstand farbenfroheste und auffälligste ist das Groninger Museum, auf der Museumsinsel gelegen und nicht zu übersehen, wenn man vom Bahnhof in die Stadt geht. 

Architektur, die Spaß macht: das Groninger Museum

Architektur, die Spaß macht: das Groninger Museum

Der italienische Designer Alessandro Mendini lud einst einige Architektenkollegen ein, um gemeinsam der Fantasie Flügel zu verleihen. Herausgekommen ist ein langgestrecktes, buntes Gebäude, das aus mehreren Pavillons besteht. Aber auch die ständige Sammlung sowie die Sonderausstellungen sind sehenswert. Und ein Abstecher ins Museumscafé lohnt auf alle Fälle. Falls ihr mehr über das Groninger Museum lesen wollt, dann schaut einmal hier vorbei. 

 

Forum Groningen – Bibliothek und viel mehr

Dass die Groninger viel Sinn für moderne Architektur haben, das zeigt auch das Forum – ein Bau, der mich absolut begeistert hat. Gut, ich frage mich, wie der Architekt es geschafft hat, diesen gewaltigen Klotz zwischen die bestehenden Häuser zu setzen, ohne drumherum alles kaputt zu machen. 

Spannende Architektur - das Forum Groningen

Spannende Architektur – das Forum Groningen

NL Architects aus Amsterdam entwarfen den Bau und gewannen damit 2007 die Ausschreibung der Stadt. Herausgekommen ist ein moderner Monolith, der 45 Meter in die Höhe ragt – zehn Stockwerke und eine Dachterrasse, prall gefüllt mit Leben. Ende November 2019 wurde das Forum für die Öffentlichkeit geöffnet. 

Veranstaltungen, Ausstellungen und Workshops - breites Angebot im Forum Groningen

Veranstaltungen, Ausstellungen und Workshops – breites Angebot im Forum Groningen

Stöbern, lesen, chillen - im Forum Groningen

Stöbern, lesen, chillen – im Forum Groningen

Das Innenleben des Forum ist unglaublich interessant. Als ich das Erdgeschoss betrete, fallen mir zunächst die vielen Rolltreppen auf, die hier scheinbar chaotisch hin und her fahren. Die verbinden den Ost- und den Westturm. Es gibt natürlich auch einen Lift, aber die Rolltreppen sind tatsächlich viel spannender – wegen der unterschiedlichen Ein- und Ausblicke. 

Können Rolltreppen nicht unglaublich faszinierend sein?

Können Rolltreppen nicht unglaublich faszinierend sein?

Erfrischungen und Snacks gibt es an der Bar

Erfrischungen und Snacks gibt es an der Bar

Rolltreppen kreuz und quer - Forum Groningen

Rolltreppen kreuz und quer – Forum Groningen

Über mehrere Etagen erstreckt sich eine Bibliothek, in der es nicht nur etliche gemütliche Leseecken, sondern auch einen Billardraum gibt. Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht! Daneben gibt es ein Kino, Ausstellungen (ok, Donald Trump hat mich dann nicht wirklich gereizt…), ein Museum für Comics mit Namen Storyworld, dazwischen Computerarbeitsplätze und viele Sitzgelegenheiten, die einen Blick nach draußen bieten, auf die Martinikirche zum Beispiel. Auch wer Niederländisch lernen möchte, ist hier richtig. Und das Forum wird gut genutzt – überall sitzen Menschen, auch sehr viele junge Leute. Und ich finde es großartig, dass ich auch als Besucher mir einfach alles anschauen kann. Ich fühle mich gleich an die großartige Stadtbibliothek in Stuttgart erinnert, in der man als Besucher auch einfach reinmarschieren und die besondere Atmosphäre des Baus genießen kann. Gleich im Erdgeschoss des Forums gibt es auch ein Modell der Stadt sowie einen Shop der Touristeninfo. 

Im Restaurant NOK, im 10. Stock des Forum Groningen

Im Restaurant NOK, im 10. Stock des Forum Groningen

Einen schönen Platz, um den Tag ausklingen zu lassen, bietet das NOK Restaurant im 10. Stockwerk. Modern gestaltet, mit gemütlichen Sitzplätzen – hier kann man kleine Speisen genießen. 

 

A room with a view - Ausblick vom NOK auf die Martinikerk

A room with a view – Ausblick vom NOK auf die Martinikerk

Immer am Wasser entlang

Zur Erkundung Groningens bietet sich ein Spaziergang am Wasser an, an dem Flüsschen A. Die alten Speicherhäuser verraten, womit hier in früheren Zeiten Geld verdient wurde, und man kann sich leicht die Betriebsamkeit vergangener Zeiten vorstellen. 

Das Hafenviertel hatte lange Zeit eine direkte Verbindung zum Meer, und so waren auch Ebbe und Flut in der Stadt zu spüren. Entsprechend gibt es einen hohen Anleger, die Hoge der A, zum Laden und Löschen bei Flut sowie auf der gegenüberliegenden, stadtauswärts gewandten Seite des Kanals einen niedrigen Anleger, die Lage der A, zum Laden und Löschen bei Ebbe. Dem Handel ohne Unterbrechung stand nichts im Weg.

Viel Leben am Wasser - am Flüsschen A

Viel Leben am Wasser – am Flüsschen A

Heute sind entlang des Wassers einige Cafés und Bars zu finden, und es gibt genügend Sitzgelegenheiten, um die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Schiffegucken – eine meiner liebsten Beschäftigungen! Nicht weit von der Hoge und Lage der A entfernt, bietet auch eine schöne Parkanlage, der Noorderplantsoen, Ruhe und Entspannung. 

Natürlich ist auch die quirlige Binnenstadt absolut sehenswert. Der enorm große Marktplatz etwa mit seinen Fischbuden, zahlreiche Boutiquen und vor allem die Cafés üben eine magische Wirkung auf mich aus. Hier gibt es zum Beispiel eine Buchhandlung mit angeschlossenem Café oder auch ein Katzencafé, in dem man nicht nur gemütlich Kaffee trinken, sondern zugleich auch eine der hier lebenden Katzen kraulen kann. 

#Catcontent - Katzencafé in Groningen

#Catcontent – Katzencafé in Groningen

Eine Oase der Ruhe findet man im Prinsentuin, einem kleinen Garten in unmittelbarer Nachbarschaft des Martinitoren. Durch eine hohe Mauer von der Außenwelt abgetrennt, kann man hier eine kunstvoll angelegte Gartenanlage genießen. 

Prinsentuin Groningen

Prinsentuin Groningen

Der Garten befindet sich hinter dem Hotel Prinsenhof. In diesem Gebäude logierten seit dem Ende des 16. Jahrhunderts die Prinzen von Nassau. Statthalter Willem Frederik und seine Angetraute, Albertine Agnes, ließen den Garten im 17. Jahrhundert anlegen. Er verfiel irgendwann und man machte sich erst im 20. Jahrhundert daran, ihn anhand alter Pläne und Zeichnungen neu anzulegen. So wie einst nur der Adel, kann heute jeder die schattigen Laubengänge und die Blütenpracht genießen. 

Tschumipavillon, Groningen

Tschumipavillon, Groningen

Ach ja, Kunst im öffentlichen Raum gibt es auch – zum Beispiel den großartigen Tschumi-Pavillon auf dem Hereplein. Staunend laufe ich um das Werk, eine längliche Konstruktion aus Glas und Stahl. Ein Betonfundament gibt Standfestigkeit, aber am anderen Ende ragt es zwei Meter über dem Boden. 

Wo übernachten?

Eine moderne und zeitgemäße Unterkunft, die allen Komfort eines Hotels bietet, habe ich im Social Hub gefunden – Hotel, Studentenunterkunft und vorübergehende Heimat für Langzeitgäste. Im Erdgeschoss gibt es große Gemeinschaftsräume und ein Café, die Zimmer sind äußerst geräumig und bieten alles, was das Herz des Reisenden erfreut – inklusive Kaffeemaschine, Wasserkocher und WLAN. 

Lässiges Design - The Social Hub, Groningen

Lässiges Design – The Social Hub, Groningen

Der Charme eines Industriegebäudes, gepaart mit frischem Design – das findet sich natürlich auch im Frühstücksraum. Hier bot jeder Tag ein unterschiedliches Frühstückserlebnis. Ich gebe es zu: ich beobachte gerne Hotel- und Servicepersonal. Professionelle Deformation halt. Beim ersten Mal hatte eine gelernte Kraft Dienst. Ein Aufsteller wies darauf hin, dass man seine Zimmernummer kundtun solle, bevor man zum Buffet durchläuft. Alles war am Platz, die Donuts ordentlich nach Farben sortiert. Beim Abräumen der Tische hatte sie ein Tablett dabei und die Tische wurden ganz selbstverständlich abgewischt. An Tag 2 nahm ein junger Mann seinen Dienst deutlich lässiger. Die Donuts lagen in heillosem Durcheinander und beim geräuschvollen Abräumen der Tische habe ich angesichts seiner abenteuerlichen Turmbautechnik immer damit gerechnet, dass das Geschirr einen Abgang macht. Der Lappen kam quasi nicht zum Einsatz und auch die umgekippte Blumenvase an einem der Tische fand keine Beachtung. Und Tag 3? Da hatte ein junges Mädel Dienst und eindeutig mehr Interesse am Frühstückskoch als am Geschehen draußen im Frühstücksraum. Jeder konnte reinmarschieren und hätte sogar Stühle raustragen können, ohne dass dies aufgefallen wäre. Herrlich. 

Spätnachmittags am Wasser - Groningen

Spätnachmittags am Wasser – Groningen

Mehr wissen

Wenn ihr neugierig geworden seid auf Groningen, dann schaut euch doch einmal auf der Website des Tourismusverbandes um. Die Seite bietet eine Fülle an Ideen für die Stadt und das Umland. Natürlich gibt es auch eine Seite, die über das ganze Land informiert. Eins ist sicher: ich komme wieder und erkunde dann die Provinz Groningen bis hin zum Meer.

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3 Kommentare

  1. klingt großartig! mich hat die stadt bei einem kurzbesuch so gar nicht abgeholt, aber es war auch mächtig ungemütlich. dein beitrag macht lust auf einen 2. versuch. danke. lg dörte

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