Norwegen, dicke Bücher und Kunst: Knausgård sieht Munch

Der Blick in die Gastlandhalle - Ehrengast NorwegenDer Blick in die Gastlandhalle - Ehrengast Norwegen

Ich habe Norwegen für mich entdeckt! Nicht, dass ich nach Norwegen gereist wäre, nein, zunächst war da das Werk von Karl Ove Knausgård. Ein Zufallsfund beim Buchhändler meines Vertrauens, der meiner Vorliebe für dicke Bücher sehr entgegenkam. Ich konnte die Bände schlicht nicht mehr aus der Hand legen. Viele Hundert Seiten dieses autobiografischen Romanprojekts – die wörtliche Übersetzung des Titels „Min Kamp“ hat der deutsche Verlag aus guten Grund vermieden – habe ich verschlungen und mir dabei insgeheim wohl auch ein Bild vom Autor gemacht – introvertiert, geübt in der Selbstreflektion, nicht im Zentrum des Trubels stehend. Den Autor hatte ich für mich selber nur recht unpräzise als Skandinavier abgespeichert, aber das Aha-Erlebnis kam dann auf der Buchmesse 2019, dem wunderbaren Gastland Norwegen sei Dank.

Literatur von Karl Ove Knausgård

Literatur von Karl Ove Knausgård

Buchmesse 2019: Gastland Norwegen

Die Gastlandhalle Norwegens fand ich faszinierend, konnte die Stille allerdings morgens, vor der Öffnung der Messe genießen. Sehr licht, aber auch ein klein wenig düster und melancholisch. Schlichte geometrische Formen, die auf einzelne Themenbereiche hinwiesen. Ansonsten Weite – und Natur in Gestalt von einigen großformatigen Fotos.

 

Verteilt in der Halle standen Tische für verschiedene Themenbereiche – Natur, Klima, Reisen, Comics und andere. All jene, die sich nicht einfach treiben lassen wollten, konnten einen Orientierungsplan konsultieren, der die Wegweisungen der geometrischen Formen entschlüsselte. Sehr sympathisch die Idee, diese Skulpuren nach der Messe an Buchhandlungen zu verschenken, die sich um die norwegische Literatur verdient gemacht haben. Die Seitenwände der Halle waren durch große Spiegelwände ersetzt, so dass dem Blick keine Grenzen gesetzt wurden.

 

Knausgård war auf der Messe, reiste im Gefolge von Kronprinz Hakon (den habe ich gesehen!) und Mette-Marit, aber ich habe ihn leider verpasst. Schade, denn es ist ja immer die Frage, ob das Bild, das man sich von einem Menschen macht, auch mit der Realität übereinstimmt. Immerhin habe ich gelernt, dass das „a“ mit dem Kringel oben drauf wie ein „o“ ausgesprochen wird. Und ein Flyer ist mir in die Finger gekommen, mit dem Hinweis auf eine Ausstellung im K20 in Düsseldorf: „Edvard Munch, gesehen von Karl Ove Knausgård“. Was für eine großartige Idee, einen Künstler durch die Augen eines Schriftstellers neu zu entdecken!

K20 in Düsseldorf

K20 in Düsseldorf

Auf nach Düsseldorf!

Edvard Munch gehört zu den bedeutendsten Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts, ein Wegbereiter des Expressionismus. Karl Ove Knausgård hat Literatur und Kunstgeschichte studiert – er weiß also, was er tut, wenn er von Kunst spricht. Bereits im Jahr 2017 hatte er eine Munch-Ausstellung in Oslo kuratiert. In Düsseldorf, in der Kunstsammlung NRW, mutete er den Besuchern zu, sich direkt auf die Gemälde und Grafiken Munchs einzulassen: es gab keinerlei Bildunterschriften. Ich fand das großartig, denn wie oft ist man versucht, den Begleittext zu lesen anstatt sich mit dem Werk zu befassen. Jeder Besucher bekam eine Werkliste und konnte anhand der Nummerierung der Werke in den Sälen die Titel und technischen Daten nachschlagen. Konnte, musste aber nicht, und ich fand, es ging auch sehr gut ohne.

 

Die vier Bereiche der Ausstellung waren farblich unterschiedlich gestaltet und wurden jeweils von einem Zitat von Karl Ove Knausgård eingeleitet. Zum gelben Bereich ‚Die Anderen‘ war zu lesen: „Und darum geht es doch bei allem, nicht wahr? Um Gegenwart. Die Gegenwart eines Menschen, Gegenwart einer Landschaft, Gegenwart eines Raums, Gegenwart eines Baums. Und um die Gegenwart des Gemäldes, das den Menschen, die Landschaft, den Raum, den Baum hervorhebt.“

In weiteren Sälen ging es um Licht und Landschaft, den Wald sowie Chaos und Kraft.

 

„Der Schrei“ war übrigens nicht in Düsseldorf zu sehen. Ich habe ihn auch nicht vermisst, denn die Heiterkeit der später entstandenen, aber weitgehend unbekannten Werke war eine viel überraschendere Entdeckung. Munch und Knausgård – zwei ganz Große der norwegischen Kultur.

Die Ausstellung war im K20 in Düsseldorf bis zum 1. März 2020 zu sehen. Infos: www.kunstsammlung.de / und Rückblick: https://www.kunstsammlung.de/de/exhibitions/edvard-munch-gesehen-von-karl-ove-knausgard/. Die Bücher von Karl Ove Knausgård finden sich in jeder guten Buchhandlung.

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