Es soll ja Menschen geben, die wegen der weißen Strände oder der Naturerlebnisse nach Martinique kommen. Das sind natürlich gute Gründe, aber mich hat auch die Inselhauptstadt Fort-de-France immer magisch angezogen. Die Stadt ist karibisch-bunt, am manchen Stellen ziemlich heruntergekommen und zugleich unglaublich modern. Meine Spaziergänge durch die Stadt habe ich entweder morgens ganz früh gemacht, wenn ich – der Zeitverschiebung sei dank – schon um 4 Uhr wach war – oder auch in der größten Hitze des Tages. Fest steht: es ist zu jeder Tageszeit ein Erlebnis!
Kaiserlich wohnen: ´L´Impératrice´
Ein guter Standort und Ausgangspunkt für die Stadtbesichtigung ist das ´Hôtel Impératrice´, ein Haus, das viel Geschichte atmet. Man muss sich einige Schritte vom Haus entfernen, um zu erkennen, dass die modernistische Architektur der 1950er Jahre an die Form eines Ozeanriesen erinnert. Das Haus wurde tatsächlich gebaut, um den Kreuzfahrttouristen eine angemessene Unterkunft bieten zu können, und befindet sich noch heute im Familienbesitz.
Im Inneren versetzen einen viel Holz und kreolische Möbel in vergangene Zeiten. Die Zimmer sind alles andere modern, haben aber einen ganz besonderen Charme. Im ersten Stockwerk kann man im Restaurant ´Joséphine´ feineste Küche genießen. Beide Namen – ´Impératrice´ und ´Joséphine´ wurden übrigens gewählt, um Reisende aus Festlandfrankreich und Amerika anzulocken. Knarzendes Holz, tickende Uhren, sich drehende Ventilatoren… und das Personal hat viel Zeit. In der Karibik ticken die Uhren tatsächlich anders und hektische Europäer werden hier sehr schnell und wirkungsvoll in ihrem Tempo gebremst.
Ein idealer Ort, um sich zu akklimatisieren, ist die im Erdgeschoss gelegene Bar. Hier habe ich schon so mache Stunde verbracht, entweder mit einem leckeren Bier der Marke Lorraine oder mit einem Ti Punch, und das Treiben auf der Straße beobachtet. Das Hotel liegt direkt gegenüber des Parks ´La Savane´, dem zentralen Platz der Stadt. Von hier aus sind es nur wenige Schritte bis zur Statue der kopflosen Joséphine.
Ach, Joséphine!
Die Frau von Napoléon und Tochter eines Plantagenbesitzers hatte sich bei den Martiniquais äußerst unbeliebt gemacht, da sie sich vehement gegen die Abschaffung der Sklaverei gewehrt hat. Ihr Vater brauchte die billigen Arbeitskräfte auf seiner Zuckerrohrplantage… Da gab es nur eins: Kopf ab. Die Stadt ließ die Statue mehrmals wieder herrichten und die Farbschmierereien entfernen, aber die Wut in der Bevölkerung war größer. Auch eine Form der Erinnerungskultur.
Stätte des Wissens: die Bibliothèque Schoelcher
Ist das nicht ein prachtvolles Bauwerk? Die Statue der Joséphine im Rücken, muss man nur einen Zebrastreifen überqueren und schon steht man vor der Bibliothèque Schoelcher – für mich eine der schönsten Bibliotheken, die ich je gesehen habe. Erbaut wurde sie in den Jahren 1886 / 1887 nach den Plänen des Architekten Pierre-Henry Picq. Das Revolutionäre: Es handelt sich um eine Architektur in Fertigbauweise. Es ist die Zeit, in der auch der Eiffelturm erbaut wird, und die Bibliothek ist ein Metallskelettbau, der mit in Frankreich produzierten Fertigbauteilen vollendet wurde.
Victor Schoelcher wuchs in Paris auf, seine Eltern stammten aus dem Elsass. Während seiner Reisen lernte er die Sklaverei kennen und begann, sich publizitisch und politisch zu engagieren. Er ist als Abgeordneter der Nationalversammlung für Martinique der Initiator des Dekrets zur Abschaffung der Sklaverei von 1848. Schoelcher starb unverheiratet und kinderlos – seine reiche Bücherssammlung ging als Schenkung an den Generalrat von Martinique und bildet den Grundstock der Bibliothek. Seht ihr die Palme, rechts neben dem Portal? Das ist ein ´arbre du voyageur´, der ´Baum des Reisenden´. Lesen ist schließlich Reisen im Kopf.
Fort-de-France hat rund 100.000 Einwohner und ist damit eine der größten Städte der Karibik. 1902 wurde es zur Hauptstadt Martiniques, nachdem die alte Hauptstadt St. Pierre durch den Ausbruch der Montagne Pelée zerstört worden war. Am besten, man nimmt sich die Zeit, das Zentrum zu Fuß erkunden.
Die Kathedrale Saint-Louis
Da ist sie schon, die Kathedrale Saint-Louis, genau wie die Bibliothek ein Werk des Architekten Pierre-Henry Picq und ebenso ein Metallskelettbau. Es gab verschiedene Vorgängerbauten, die durch Brandschatzungen, Tsunamis oder Erdbeben zerstört wurden. Der heutige feuerfeste und erdbebensichere Bau stammt aus dem Jahr 1895 – unfassbar, dass Fort-de-France damals viel moderner war als Festlandfrankreich….
Die Kathedrale Saint-Louis verfügt über einen dreischiffigen Innenraum mit Rundbögenarkaden. Was mir unglaublich gut gefallen hat: die Fenster der Kathedrale stehen weit offen und es weht immer ein angenehmer Wind durch die heiligen Hallen. Und noch ein kleines Anekdötchen: die Kathedrale wurde mit einem Voodoo-Zauber belegt und aus diesem Grund gibt es kein Weihwasser in den Weihwasserbecken… Das tut der Frömmigkeit allerdings keinen Abbruch.
Die Markthalle von Fort-de-France
Nach so viel geistiger Nahrung verlangt auch der Körper nach seinem Recht. Also auf zum ´Marché couvert´, der großen Markthalle von Fort-de-France.
Diese Markthändlerin hat offenkundig viel Spaß bei Ihrer Arbeit. Man sollte als Besucher auf Martinique grundsätzlich nicht einfach drauflosfotografieren, sondern immer fragen, ob man ein Foto machen darf. Diese Händlerin hat gleich zugestimmt, und ich vermute, sie war schon vor der Linse vieler Touristen, die täglich die Markthallen stürmen. Das Angebot ist aber auch zu verführerisch! Das Obst ist vielleicht nicht so makellos wie das in unseren Supermärkten, aber der Geschmack ist einmalig.
In den Markthallen bekommt man alles, was das Herz begehrt: kreolische Gewürze wie die Mischungen für Colombo und die ´Sauce Chien´, Konfitüren, Rum in allen Darreichungsformen, Kräutertee… Man kann sogar Blumen vorbestellen, die dann pünktlich zum Abflug reisefertig verpackt an den Flughafen geliefert werden.
Chez Carole
Hungrige Marktbesucher tun gut daran, in den hinteren Bereich der Markthallen vorzudringen. Hier finden sich verschiedene kleine Restaurants – eher Imbißbuden mit dem Charme von Campingplätzen. Man sitzt auf Plastikstühlen an Tischen mit bunten Tischdecken und das Geschirr wirkt ein bisschen wie auf dem Flohmarkt zusammengekauft. Das Treiben der Markthalle dringt gedämpft durch. Und kaum haben wir Platz genommen, schon steht ein wohl temperierter Planteur vor uns – ohne Rum geht es auf Martinique nicht, und ich muss sagen, ich habe mich sehr schnell mit den lokalen Gewohnheiten vertraut gemacht. Die Karte ist überschaubar und bietet nur wenige Gerichte, allerdings für kleines Geld. Wir waren bei Carole zu Gast.
Carole ist für mich die Personifizierung positiver Energie. Sie wirbelt mit allerbester Laune um ihre Gäste herum, liest ihnen jeden Wunsch von den Augen ab und kocht ein sagenhaft gutes Colombo…. Oder Accras de morue – Stockfischbällchen, die auch gerne zum Apéritif gereicht werden. Unbedingt empfehlenswert!
Fort Saint-Louis
Zurück zum Wasser und zur Bucht von Fort-de-France, kann man das Fort Saint-Louis besuchen. Eine alte Militärbastion und noch heute Standort der französischen Marine.
Knapp anderthalb Stunden dauert die Führung durch das Fort, die Befestigungsanlagen und die französische Militärgeschichte normalerweise. Unser genialer Guide Maurice Ventose hat jedoch die Herausforderung angenommen, es in 45 Minuten zu schaffen – in perfektem Englisch und mit Fokus auf die wichtigsten Daten. Unglaublich, wie spannend Geschichte sein kann!
Martinique modern
Martinique kann aber auch ganz anders, nämlich supermodern. Im Simon Hôtel eröffnet sich die Welt der Business Class – ein elegantes 4 Sterne-Hotel, das allen Komfort bietet, und das in unmittelbarer Nachbarschaft der Tour Lumina, einem modernen Geschäftshaus, nur wenige Schritte von der Innenstadt und dem Kreuzfahrtterminal entfernt.
Auch wenn die Business-Eleganz nicht das ist, was ich auf Martinique erwarte: die Terrasse der ´Bolibar´ bietet einen phantastischen Ausblick über die Bucht von Fort-de-France. Und man kann hier ganz hervorragend speisen.
Vielleicht macht genau das den Reiz von Fort-de-France wie von Martinique insgesamt aus: das Nebeneinander von Alt und Neu und die wahnsinnige Mischung verschiedenster Einflüsse. Mich zieht es jedenfalls immer wieder zu den alten Bauwerken voller Geschichte.
Hôtel de Ville – Théâtre Aimé Césaire
Habt ihr den Namen Aimé Césaire schon einmal gehört? Ich bin ihm das erste Mal während meines Romanistikstudiums gegegnet, in einem Seminar über frankophone Literatur – er war, zusammen mit Léopold Sédar Senghor, der führende Vertreter des Konzepts der Négritude.
Auf Martinique ist er dann plötzlich auf andere Art präsent, nämlich als der vielleicht wichtigste Politiker der Insel im 20. Jahrhundert. Sobald ihr am internationalen Flughafen landet, trefft ihr auf seinen Namen. 1945 wurde Aimé Césaire zum Bürgermeister von Fort-de-France gewählt und er hatte dieses Amt sagenhafe 56 Jahre inne. Seine politische Heimat war immer links, da er bei linken Parteien die Interessen seiner Heimat am bestem vertreten sah. Kolonialismus und Imperialismus waren seine großen Themen auch als Schriftsteller. Im früheren Rathaus, das heute das Theater von Fort-de-France ist, kann man sein Arbeitszimmer besichtigen, jedoch nicht fotografieren. Aber lest einfach seine berühmte Rede ´Discours sur le colonialisme´ , dt. ´Über den Kolonialismus´.
Offenlegung: ich habe Fort-de-France mehrfach gemeinsam mit kleinen Gruppen von Journalisten und Bloggern besucht, die vom Comité Martiniquais du Tourisme empfangen wurden, und danke allen Guides und Begleitern für die spannenden Führungen und tiefen Einblicke. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.
Liebe Monika, ich weiß nicht, ob ich jemals dorthin kommen werde, aber dein Beitrag weckt auf jeden Fall Fernweh! Herzliche Grüße, Anne-Kathrin
Liebe Monika, ein toller Bericht, der die Vielseitigkeit von FdF sehr gut beschreibt und Lust gibt, die Stadt zu besuchen!
LG
Veronika
Danke, liebe Veronika! Ich würde zu gerne nochmal mit dir durch die Stadt bummeln, bei Carole lecker essen und dann noch irgendwo noch einen Rum trinken…
Hallo liebe Monika, ich hoffe Dir und Deiner Familie geht es soweit gut?! Ich kann mich nur meinen Vorgängern anschließen. Toller Bericht wie auch die Fotos. Hoffe, dass es mir mal gelingt, dorthin zu kommen. Die Natur soll dort auch wunderschön sein. Herzlichst et à bientôt (j’espère 🙂 Klaus mit Monika