Kennt ihr auch diesen einen, ganz besonderen Ort? Einen Ort, der euch schon bei eurem ersten Besuch vollständig in seinen Bann gezogen hat und zu dem es euch immer wieder hin zieht? Seit ich zum ersten Mal dort war, beginnen meine Augen zu leuchten, sobald ich den Namen ´Château la Coste´ höre.
Es klingt zunächst ganz harmlos – ein Schloss oder ein Weingut, wie es gerade in Frankreich so viele gibt. Der Weinbau hat in der Provence eine lange Tradition und wird seit der römischen Zeit praktiziert. Die Steine, die man rund um das Château La Coste fand, wurden für die Anlage von Terrassen verwendet, auf denen heute die Rebstöcke stehen. Dadurch lässt sich auch der Name des Châteaus erklären. Aber es ist weit mehr, nämlich der Realität gewordene Traum eines absolut kunstverrückten Menschen, der in der Provence sein ganz persönliches Paradies geschaffen hat.
Patrick McKillen ist ein irischer Geschäftsmann – ein Hotelier und Immobilienmagnat, 1955 in Belfast geboren. Seine Schwester lebt noch heute in Aix-en-Provence und entdeckte einst das Weingut vor den Toren der Stadt. Paddy zögernte wohl nicht lange und kaufte es einer französischen Familie ab. Im Jahr 2011 öffnete er das Château la Coste mit 17 Kunstobjekten. Seither entwickelt es sich stetig weiter und heute kann man 37 Objekte auf einem ausgedehnten Gelände bewundern.
Hier geht meine Phantasie mit mir durch. Nicht nur, dass ein Weingut in einer der schönsten Lagen der Provence wahrscheinlich nicht ganz billig ist. Wie hat McKillen es geschafft, die größten Architekten und Künstler hierher zu locken? Das Prinzip ist recht einfach: die Künstler kommen in die Provence und suchen sich auf dem ausgedehnten Gelände den Ort aus, an dem sie Kunst schaffen möchten. Wichtig ist dabei der intensive Dialog der Kunstwerke mit der sie umgebenden Natur. Hat McKillen die Künstler oder zumindest das Material bezahlt? Woher hat er das viele Geld genommen? Auch die Angestellten des Châteaus können diese Fragen nicht beantworten. Sehr geheimnisvoll, aber eins ist klar: der Ort ist unbezahlbar.
Tadao Andos Kunstzentrum
Die Anfahrt zum Château la Coste lässt noch nicht ahnen, was den Besucher erwartet. Die Blicke sind gefangen von der wunderbaren provenzalischen Natur, von der üppigen Vegetation, die auch im Oktober noch sehr grün ist, und den Geräuschen der Zikaden. Aber schon das Tor an der Zufahrt zur Domaine und vor allem das Kunstzentrum lassen mein Herz höher schlagen: hier war Tadao Ando am Werk!
Tadao Ando ist ein Selfmade-Architekt; ursprünglich war er Tischler und Boxer, dazu ein glühender Bewunderer von Le Corbusier. Seine Architektur verbindet japanische Traditionen und Modernität. Sein Kunstzentrum ist kein protziger Bau, der seine Umgebung dominiert, ganz im Gegenteil: der Bau ist flach gehalten und fügt sich fast bescheiden in die Landschaft. Die schlichten Betonwände sind mit Löchern akzentuiert, und Licht und Wasser spielen eine bedeutende Rolle.
Es lohnt unbedingt, sich Zeit zu nehmen, den Bau, der zwischen 2007 und 2011 entstand, aus den verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten, denn überall bietet sich der Ausblick auf die provenzalische Landschaft. Wenn das Licht sich im Laufe des Tages verändert, dann erscheint auch der Bau plötzlich und im wahrsten Sinne des Wortes in einem ganz anderen Licht.
Louise Bourgeois´ Ode an ihre Mutter
Könnt ihr euch eine lauernde Spinne als Symbol für Mutterliebe vorstellen? Die ´Crouching Spider´ von Louise Bourgeois ist ein wahrer Blickfang, sobald man sich dem Kunstzentrum nähert. Sie scheint auf dem Wasser zu schweben und auf fette Beute zu lauern.
Louise Bourgeois schuf das Krabbeltier im Jahr 2003 und die Spinne kam 2010, nur zwei Tage vor dem Tod der Künstlerin, zum Château La Coste. Bourgeois war mit McKillen befreundet und hinterließ ihm eine ganze Garage voll mit Kunst. Die Spinne zeigt Muskeln, während die langen Spinnenbeine ungemein filigran wirken. Sie wirkt aggressiv und angriffslustig, hat zugleich aber auch eine beschützende Seite.
Für Louise Bourgeois ist die Spinne eine Hommage an ihre Mutter, die sie zugleich als ihre beste Freundin bezeichnet. Für mich scheint die Spinne eher wie das Sinnbild einer überhüteten Kindheit. Wahrscheinlich saß die Mutter wartend in der Küche, wenn die halbwüchsige Louise um 4 Uhr morgens angeschickert nach Hause kam… Schon spannend, was so in manchen Künstlerhirnen vor sich geht, oder?
Sean Scullys Boxen voller Luft
Sean Scully stelle ich mir als einen unglaublichen Spaßvogel vor. Der amerikanische Künstler, der in Dublin geboren wurde, packt einfach Luft in Boxen und nennt das dann ein Kunstwerk! Und ein monumentales Werk noch dazu, denn es ist drei Meter hoch und fünfzehn Meter lang.
Ein Monstrum aus Stahl, das sich durch die Wirkung von Licht und Schatten beständig verändert. Auch hier lohnt es sich, das Werk aus unterschiedlichsten Perspektiven zu betrachten – oder die Landschaft der Provence durch das Werk hindurch anzuschauen. Man kann auch in das Objekt hineingehen und die Spinnweben auch nächster Nähe betrachten.
Wall of Light Cubed
Der Spaß geht weiter bei Sean Scullys Wall of Light Cubed – mehr als 1.000 Tonnen grauer, blauer und roter Kalkstein sind hier zu einem monumentalen Werk aufgeschichtet. Der Stein stammt aus einem Steinbruch in Portugal und die große Kunst Scullys bestand darin, die einzelen Elemente aufeinander abzustimmen. Diese Arbeit nahm mehrere Wochen in Anspruch, bevor die Steine dann fein durchnummeriert nach Frankreich transportiert wurden. Abstrakter Expressionismus nennt man die Kunstrichtung, zu der sein Werk zählt. Sanfte Farben und einfache Formen zeigen eine phantastische Wirkung im sich verändernden Tageslicht.
Tungas Magnet
Dem fragilen Werk des brasilianischen Künstlers Tunga – mit vollem Namen Antonio José de Barros Carvalho e Mello Mourao – sollten sich Menschen mit Herzschrittmacher nur sehr vorsichtig nähern. Ein kraftvoller Magnet befindet sich hier in einem Gleichgewicht mit einem Glasprisma und großen Quarzstücken. Zahlreiche kleine Münzen kleben am Magneten und wir erleben, wie Besucher weitere Münzen hochwerfen, als ob sie das Kunstwerk vollenden wollten.
Kengo Kuma filtert das Licht
Kengo Kuma ist der Architekt des Konservatoriums, das in Aix-en-Provence das Herzstück eines ganz neuen Stadtviertels bildet, das auf einem alten industriell genutzten Gelände errichtet wurde.
Für das Château La Coste schuf er 2017 eine monumentale Holzarbeit mitten im Wald. 12 Tonnen Holz und 1,5 Tonnen Stahl wurden hier übereinander geschichtet, aber dennoch wirkt die Struktur unglaublich leicht. Die einzelnen Teile sind zwischen 1,5 und 11,5 Metern lang.
Auch hier umrunde ich das Kunstwerk gleich mehrfach, um es auf mich wirken zu lassen. Ein paar Tage vor unserem Besuch hat es geregnet und überall wachsen jetzt Pilze. Kunst und Natur bilden auch hier eine Einheit.
Richard Rogers Galerie mit Ausblick
Ich bin froh, dass ich Richard Rogers Galerie ebenerdig betreten habe! Ganz vorsichtig und auf Socken kann man sich dem Ende der Galerie nähern, um von einer kleinen Terrasse aus die Schönheit der provenzalischen Landschaft zu bestaunen. Hätte ich das Werk von unten gesehen, dann wäre mir wahrscheinlich sofort schlecht geworden, denn es schwebt fast vollständig in der Luft…
Knallig orangefarbene Stahltstreben leuchten vor dem blauen Himmel. Kein Wunder, denn Richard Rogers war einer der am Entwurf des Pariser Centre Pompidou beteiligten Architekten. Die Arbeit am Château la Coste bildet den fulminanten Schlusspunkt einer 40-jährigen Karriere.
In einem traditionellen Haus direkt neben der Galerie hat übrigens Francis Mallmann, ein argentinischer Küchenchef und Herr über eins der Restaurants der Domaine, sein Zuhause gefunden. Ob er sich über die trubelige Nachbarschaft mit den zahlreichen Besuchern der Galerie freut?
Andos Kapellchen
Die Struktur von The Chapel von Tadao Ando geht auf eine Kapelle aus dem 16. Jahrhundert zurück. Die Kapelle lag einst sehr einsam und wurde von der Bevölkerung zur Gottesverehrung aufgesucht. Zugleich machten Pilger auf ihrem Weg nach Santiago de Compostella an der Kapelle Station, denn sie lag am Jakobsweg.
Ando fand die Kapelle in Ruinen vor, wollte ihr aber neues Leben einhauchen. Er ließ sie restaurieren und umgab sie zugleich mit einer für ihn so charakteristischen Hülle. Wenn ihr die Kapelle betretet, dann schließt die schwere Holztür hinter euch! Nachdem eure Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben, seht ihr, dass natürliches Licht zwischen Mauerwerk und Dach eindringt. Pure Magie!
Der Blick von der Kapelle aus über die Rebstöcke ist absolut phantastisch! Und ein wunderbarer Ort für eine Pilgerrast.
Das rote Kreuz – La Grande Croix Rouge – , das von einer Wand geschützt zu sehen ist, ist ein Werk von Jean-Michel Othoniel. Das Murano-Glas erkennt man sofort! Ein knallig bunter Farbtupfer, der so gar nichts Religiöses hat.
Frank Gehrys Musikpavillon
Holz, Glas und Stahl, dazu eine ganz untypische Struktur, das ist der Pavillon de Musique von Frank O. Gehry. Gehry ist einer der renommiertesten Architekten der Welt. Er entwarf etwa das Guggenheim Museum in Bilbao oder die Fondation Vuitton in Paris. Und in der Provence gibt es dieses Werk, auf dem man sogar eine kleine Pause einlegen kann – mit Blick auf Olivenbäume.
Tom Shannon Spiegel-Oval
Tom Shannon lässt das Spielkind in mir erwachen. Eigentlich befasst Shannon sich beruflich eher mit technischen Fragen, aber dieses gewaltige Oval hat es in sich: man kann den Drop aus poliertem Stahl vorsichtig in Bewegung setzen und ihn um die eigene Achse eiern lassen. Die umstehenden mächtigen Bäume spiegeln sich im sich drehenden Oval.
Tadao Andos Kuben
Das Werk Four Cubes to Contemplate our Environment wurde zunächst in Washington präsentiert, bevor es in der Provence neu entstand. Ein Nachdenken über den Zustand unserer Natur und damit ein brandaktuelles Thema.
Einfache Formen und Materialien sind auch hier zentrales Merkmal. Zunächst umgibt einen vollständige Dunkelheit, wenn man das Objekt betritt, aber dann entfaltet sich im inneren Kern des Bauwerks wieder die magische Wirkung von Licht. Vier Kuben widmen sich der Verschwendung der natürlichen Ressourcen Wasser, den Treibhausgasen und der übergroßen Produktion von Müll. Der vierte Kubus ist leer und trägt die Inschrift ´Future´. Andos Wunsch ist, dass die Betrachter beim Blick in diese leere Box überlegen, was sie ganz persönlich tun können, um unser aller Zukunft zu verbessern.
Kulinarischer Genuss & feine Weine
Vielleicht habt ihr den Eindruck bekommen, das Château la Coste sei ausschließlich ein Ort der Kunst. Dabei habe ich euch noch längst nicht alles gezeigt. Es gibt auch Werke von Andy Goldsworthy, Per Kirkeby, Ai Weiwei, Michael Stipe (genau, der Sänger von R.E.M.) und anderen Künstlern zu sehen.
Auch wenn man stundenlang durch die Landschaft mit all den Zypressen, Pinien, Olivenbäume und Eichen spazieren kann und dabei immer neue Werke entdeckt – das Château la Coste ist vor allem auch ein Ort, an dem Wein produziert wird. Die Flächen sind 200 Hektar groß und der Lageplan, mit dem Besucher ausgestattet werden, verortet nicht nur die einzelnen Kunstwerke, sondern auch die Rebsorten – Cabernet Sauvignon, Syrah, Grenache, Vermentino, Sauvignon Blanc, Chardonnay und Cinsaut. Und die Weinblätter haben jeweils ganz charakteristische Formen. Macht euch auf Entdeckungsreise durch die Welt des Genusses!
Der im Château produzierte Wein trägt das Label AOP Côteaux d´Aix en Provence; seit 2009 sind die Weine biozertifiziert. Wundert es euch noch, dass die ebenerdig gelegenen, halbtonnenförmigen Weinkeller ein Werk von Jean Nouvel sind?
Für den Genuss stehen vier unterschiedliche Restaurants zur Verfügung. Wir haben es uns auf der ´Terrasse Provençale´ gemütlich gemacht. Diese Terrasse entspricht wirklich allen Klischees, die über die Provence im Umlauf sind – und es ist ein traumhaftes Fleckchen Erde! Die Farben des Südens, Licht und Schatten, dazu plätschert das Wasser im Brunnen.
Direkt an der Terrasse liegt auch der Eingang des argentinischen Restaurants von Küchenchef Francis Mallmann und der des Shops, in dem man die Produktion der Domaine erstehen kann.
Mittlerweile kann man auf Château la Coste auch übernachten, und zwar im Luxushotel Villa La Coste. Den Gästen fehlt es hier an nichts und auch Hubschrauberlandeplätze sind selbstredend vorhanden. Die Zimmer verfügen über einen eigenen Pool und man munkelt, dass Bono hier Stammgast sei. Irische Wurzeln verbinden…
Neugierig geworden?
Seid ihr neugierig geworden auf Château la Coste? Dann schaut euch doch einmal auf der Website dieses wunderbaren Ortes um! Das Château liegt in Le Puy-Sainte-Répérade, rund 15 Kilometer nördlich von Aix-en-Provence. Für den Besuch solltet ihr unbedingt einen ganzen Tag einplanen, denn es gibt so unglaublich viel zu sehen.
Der perfekte Soundtrack zu einem Besuch in Château la Coste ist für mich Till Brönners On Vacation. Das Album ist ganz in der Nähe, nämlich in Saint Rémy-de-Provence, entstanden und man spürt in der wunderbaren Musik von Till Brönner und Bob James die ganze Leichtigkeit des Sommers.
Informationen über einen Besuch in der Provence findet ihr auf den Websites der regionalen und départementalen Tourismusorganisationen Provence-Alpes-Côte d´Azur Tourisme und Bouches-du-Rhône-Tourisme. Wenn ihr mehr über das nahe Aix erfahren wollt, dann schaut beim Office de Tourisme d´Aix-en-Provence vorbei. Ideale Reisezeit sind entweder Frühjahr oder Herbst; die Hauptreisemonate Juli und August würde ich meiden. Es ist nicht nur zu voll, sondern auch zu heiß.
Offenlegung
Ich hatte das große Glück, Château la Coste im Rahmen einer Pressereise zu besuchen, zu der Provence-Alpes-Côte d´Azur Tourisme, Bouches-du-Rhône-Tourisme und das Office de Tourisme d´Aix-en-Provence eingeladen hatten; ich durfte eine Gruppe von Journalisten begleiten. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.
Wunderschöne Aufnahmen und ein fantastischer Artikel, liebe Monika! Da weiß ich schon, was ich bei meinem nächsten Besuch in Aix erleben möchte.