Ru(h)mreiche Geschichte: Château Depaz

Château DepazChâteau Depaz

Habt ihr schon einmal Rum probiert? Ich kann mich aus meiner Kindheit noch an die Werbung für den guten Pott erinnern, den ich aber nie als hochwertiges Produkt wahrgenommen habe – eher als etwas, was man sich in den Tee kippt, wenn man sich eine Erkältung eingefangen hat.

Dabei ist Rum ein absolut faszinierendes Produkt! Die Herstellung ist eine Wissenschaft für sich und Rum kann unglaubliche Geschmacksnuancen entwickeln. Es gibt weißen Rum und braunen Rum, alten Rum, Rum aus blauem Zuckerrohr, Rum mit feinen Salzaromen… Der Rum aus Martinique gilt als der Beste der Welt, denn er wird alleine aus Zuckerrohrsaft vergoren. Dadurch ist er geschmacklich viel feiner als der Rum, für dessen Herstellung Zuckerrohrstangen zerquetscht werden. Der ´Rhum agricole de Martinique´ ist der einzige Rum weltweit, der die geschützte Herkunftsbezeichnung AOC – Appellation d´Origine Contrôlée – tragen darf. Damit werden seit 1996 Herkunft und Herstellungsweise garantiert. Besucher der Insel können sich auf die Suche nach ihrem persönlichen Favoriten machen. Und das ist garantiert eine lange Reise voller Erkenntnisse…

Château Depaz

Château Depaz

Château Depaz – die Mission von Victor Depaz

Elf funtionierende Destillerien gibt es auf Martinique noch und man sollte sie alle besuchen, denn keine gleicht der anderen, genauso wie kein Rum wie der andere schmeckt. Eine besonders schöne Adresse ist für mich das Château Depaz, nicht nur, weil es landschaftlich wunderschön gelegen ist, sondern auch, weil es sehr eng mit der Geschichte Martiniques verbunden ist.

Rhum Depaz

Rhum Depaz

Dieses Fäßchen fasst die Geschichte der Destillerie sehr gut zusammen. Rhum Depaz liegt im Norden Martiniques, wo ein tropisches Klima herrscht, am Fuß der Montagne Pelée. Die Böden sind hier sehr fruchtbar. Es sind junge Böden vulkanischen Ursprungs, mit viel wertvoller Vulkanasche. Zudem wird das Quellwasser genutzt, das vom Berg kommt.

Die Habitation La Montagne wurde 1651 durch Jacques Duparquet gegründet, dem ersten Gouverneur der Insel. Zunächst wurden hier Tabak und Indigo angebaut sowie Viehzucht betrieben, aber man erkannte schnell die Vorteile des Zuckerrohrs und konnte die Destillationstechnik verbessern. Mehrere Familien lebten und arbeiteten auf dem großen Gelände, darunter auch die Familie von Victor Depaz. Die wirtschaftliche Aktivität führte zu einem Aufschwung des Städtchens Saint-Pierre, wo der weltweit erste Hafen für Rum entstand. Das Leben im ´kleinen Paris der Antillen´ kam jedoch schlagartig zum Erliegen, als am 8. Mai 1902 der Vulkanausbruch der Montagne Pelée alles unter sich begrub. Nur ein Mensch überlebte die Katastrophe, gut eingeschlossen in einer Gefängniszelle. Die Inselhauptstadt wurde nach dem Vulkanausbruch nach Fort-de-France verlegt.

 

Victor Dupaz war zur Zeit des Vulkanausbruchs Student in Bordeaux. Plötzlich war er Waise und zudem finanziell ruiniert. Er ging nach Kanada, konnte sich aber gedanklich nicht von Martinique trennen. In der Habitation Périnelle hatte er seine Kindheit verbracht und nun begann er hier am 8. Mai 1917, genau fünf Jahre nach dem Vulkanausbruch, von Neuem mit der Rumdestillation. 521 Hektar war das bewirtschaftete Gelände insgesamt groß. 1922 gezog Depaz mit seiner Frau und stolzen elf Kindern das neu gebaute Wohnhaus der Familie, das Château Depaz.

Das Eßzimmer im Château Depaz

Das Eßzimmer im Château Depaz

Das Innere des Château Depaz wurde erst vor Kurzem aufwändig restauriert und das Gebäude wieder für Besucher zugänglich gemacht. Es ist die andere Seite der Geschichte, die hier erlebbar gemacht wird – die Geschichte der Nachfahren der Kolonialherren und Sklavenhalter. Der Reichtum der Rumproduzenten wird an der eleganten Einrichtung deutlich, aber es ist ganz klar, dass dieser Reichtum erwirtschaftet werden musste. Der Speisesaal hat beachtliche Dimensionen und bietet einen wunderschönen Ausblick auf das karibische Meer. Hier nahm die Familie die gemeinsamen Mahlzeiten ein, es wurden aber auch Besucher empfangen und sicherlich beeindruckt. Von außen strömt viel Licht in das Innere des Hauses, dessen Dekoration mit viel Sorgfalt ausgewählt wurde.

Nach dem Essen begab Victor Depaz sich mit seinen Gästen in den Rauchersalon – hier wurden Zigarren aus Kuba geraucht, natürlich Rum getrunken und dabei Geschäftliches besprochen.

Le fumoir - der Rauchersalon

Le fumoir – der Rauchersalon

Die Damen hatten ein eigenes Spielezimmer, in dem sie Kaffee oder Tee trinken sowie dem Dominospiel frönen konnten.

 

Der vieleicht schönste Raum des Hauses ist für mich das Arbeitszimmer von Victor Depaz mit einem überaus beeindruckenden Schreibtisch. Wer hätte nicht gerne einen solch stilvollen Arbeitsplatz?

Der Schreibtisch von Victor Depaz

Der Schreibtisch von Victor Depaz

Ich verneige mich in tiefer Ehrfurcht vor den Restauratoren, die im Château Depaz tätig waren. Das Schloss ist einfach wunderschön anzusehen und ich fühlte mich durch die sorgsam gewählte Ausstattung in alte Zeiten zurückversetzt. Und wer kann schon solchen alten Schreibmaschinen widerstehen?

 

Direkt neben dem Arbeitszimmer von Victor Depaz liegt die ´Salle des Archives´ und damit das Gedächtnis des Hauses. Hier werden Objekte rund um den Vulkanausbruch verwahrt sowie Pläne aus den 1920er Jahren, aus der Zeit des Baus des Château Depaz.

Die Rumdestillation

Nach dem Ganz durch das Innere der Villa kann man sich die Rumproduktion ansehen, was natürlich vor allem während der Erntezeit des Zuckerrohrs von März bis Juni interessant ist, wenn die Maschinen tatsächlich in Betrieb sind. Dies und die Anlagen sind auch sehenswert, für mich aber nicht das Highlight der Besichtigung bei Rhum Depaz. Es gibt andere Destillerien, die das Thema Destillation in lehrreichen Parcours sehr anschaulich darstellen. Bei Depaz empfehle ich euch eher, etwas Zeit in den wunderschönen Gärten zu verbringen.

 

Gärten am Fuß der Montagne Pelée

Das Château Depaz befindet sich in einer absolut traumhaften Lage, auf einer Anhöhe über Saint-Pierre, und bietet einen phantastischen Blick auf das karibischer Meer. Gleichzeitig kann man den Blick auf die Montagne Pelée genießen – wenn man denn etwas sieht, denn oftmals ist die Bergspitze im Dunst verborgen.

Blick auf die Montagne Pelée

Blick auf die Montagne Pelée

Sattes Grün und Wolkendrama – hier müsste man Gärtner sein! Der Himmel hat hier nur selten das klischeehafte Postkartenblau, aber die dramatisch aufgeplusterten Wolken sind ein Schauspiel für sich.

Köstlich speisen: Le Moulin à Cannes

Besichtigungen machen hungrig, aber man muss gar nicht weit laufen, um feine karibische Köstlichkeiten genießen zu können, denn direkt auf dem Gelände der Domaine Depaz erwartet die ´Moulin à Cannes´ hungige Besucher. Umgeben von ganz viel Grün kann man hier lokale Speisen verkosten – und natürlich einen Rum.

 

Die Liebe zu Martinique geht immer auch durch den Magen! Und zum Abschluß: einen Rhum Depaz…

 

Wer Lust auf die ruhm- und rumreiche Geschichte Martiniques bekommen hat, kann weitere Inspiration auf der Website des Château Depaz finden.

Offenlegung: ich habe das Château Depaz mehrfach gemeinsam mit kleinen Gruppen von Journalisten besucht, die vom Comité  Martiniquais du Tourisme empfangen wurden, und danke unseren Guides und Begleitern für die spannenden Führungen und tiefen Einblicke. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.

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2 Kommentare

  1. Petra Knecht

    Sehr interessant und passend. Es gäbe keinen Rum ohne die, die Arbeit gemacht haben – auch beiden Seiten der Gesellschaft. Der eine hätte seine Heimat vergessen können und wäre nie da Arbeitgeber geworden. Die anderen sind die, die sich benachteiligt fühlen und eigentlich gar nie arbeiten wollen.

    • Man muss sich bewusst machen, dass die Geschichte einen Nachhall hat. Noch heute gibt es spürbare Unterschiede zwischen den ‚béké‘, also den Nachfahren der einstigen Grundbesitzer, und der farbigen Bevölkerung, die weniger Chancen bzw. schlechtere Startbedingungen hat. Aber ich würde nie unterstellen, dass sie nie arbeiten wollen. Vielleicht sollten wir uns ja auch einmal zurücknehmen und uns fragen, ob die protestantische Arbeitsethik uns immer richtig geleitet hat.

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