Reisen in neuen Zeiten

Am Hafen von Horumersiel, WangerlandAm Hafen von Horumersiel, Wangerland

Es ist Sommer und Reisezeit. Gleichzeitig ist alles anders in diesem Jahr. Normalerweise wäre ich um diese Jahreszeit in Marokko – auf Familienbesuch in Casablanca und dann bei der touristischen Erkundung von Essaouira, Marrakech oder Agadir.

In Agadir, Marokko

In Agadir, Marokko

In diesem Jahr: Pustekusten. Die Grenzen sind dicht und das Auswärtige Amt warnt weiterhin vor nicht notwendigen Reisen nach Marokko. Der Luftraum über Marokko ist gesperrt und ebenso die Häfen. Abgesehen davon: es klingt nicht sehr ermutigend, was die Familie über die strenge Ausgangssperre erzählt. Nur jeweils eine Person darf das Haus verlassen, um notwendige Einkäufe zu erledigen. Ich will mir gar nicht vorstellen, was die Schließung der Hotels für die Wirtschaft des Landes bedeutet. Marokko ist Entwicklungsland und auf die Einnahmen aus dem Tourismus dringend angewiesen. Dabei geht es nicht nur um die Hotels und die Gastronomie, sondern auch um Heerscharen von Markt- und Straßenhändlern. In den vergangenen Jahren hat schon die Angst vor dem Islam bzw. Islamismus viele Menschen abgeschreckt, nach Marokko zu reisen. Und jetzt die Pandemie.

Passkontrolle! Am Hafen von Horumersiel

Passkontrolle! Am Hafen von Horumersiel

Urlaub oder Zuhause bleiben?

Was also tun mit den Urlaubswochen? Ich bin in der luxuriösen Situation, noch genügend Urlaub zu haben. Einigen Resturlaub habe ich zwar in den letzten Monaten abbauen können, aber es sind noch genügend Urlaubstage da, dass es auch für Herbstferien noch reicht. Schnell war klar, dass eine Luftveränderung dringend notwendig ist. Einige Wochen Homeoffice, die Rückkehr ins Büro und nicht zuletzt das enge Zusammensein mit der Familie haben Spuren hinterlassen. Abgesehen davon: die Natur rund um meinen Wohnort habe ich schon ausgiebiger erkundet, als ich es mir je vorstellen konnte. Davon habe ich hier geschrieben: Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss.

Nur wie sollte das Urlaubsziel beschaffen, wie der Urlaub organisiert sein?

  1. Keine Reise ins Ausland. Vielleicht ist es übertrieben, aber ich wollte nicht riskieren, bei einer erneuten Schließung der Grenzen irgendwo festzusitzen. Und nein, ich mache auch keinen Urlaub in dem Land, für das ich arbeite – ich muss schließlich auch einmal etwas anderes sehen.
  2. Keine Insel. Auch hier war meine Befürchtung, festzusitzen und gleichzeitig, die Destination mit der Situation überfordert zu sehen. Einfache Übung: die Zahl der Einwohner mit der Zahl der Touristen und der Zahl der Intensivbetten ins Verhältnis setzen.
  3. Anreise mit dem eigenen Auto. Vielleicht nicht ökologisch korrekt, aber es ist ein gutes Gefühl, autonom zu bleiben. Eine Zugreise ist sonst immer eine Option, aber ich habe keine Lust auf Diskussionen mit Maskenverweigerern.
  4. Ferienwohnung. So schön Hotels oder auch Bed & Breakfast sind und so sehr ich aufmerksame Gastgeber und guten Service genieße: in diesem Jahr ist größtmögliche Autonomie angesagt.
  5. Viel Wind. Jeder hat wahrscheinlich so seinen Spleen. Meine Idee: die Aerosole in Schach halten, d.h. ein Urlaubsziel finden, in dem es ordentlich windet. Keine Talsohle, keine stickige Stadt.

Beruflich reisen

Ein kurzer Rückblick auf den Juli: ich habe dienstlich unter anderem mit der Organisation von Pressereisen zu tun. Hier habe ich sehr unterschiedliche Positionen wahrgenommen. Es gibt Menschen, die genau wie früher auch reisen und offenkundig keine Bedenken haben, ins Flugzeug steigen. Es gibt andere, die lieber mit dem Zug fahren, auch über längere Strecken. Und wiederum andere, die sich einschränken und auf manche Reise lieber verzichten, auch, weil sie sich durch das Tragen einer Maske nicht einschränken lassen möchten.

Ich bin gespannt, wie sich die Situtation in der Zukunft entwickeln wird! Lieber in der Gruppe oder alleine bzw. mit der Familie? Wie wird die Anreise erfolgen? Der Anteil der Zugreisen wird sich sicher weiter vergrößern, wie es über die vergangenen Jahre schon zu beobachten war, aber ich glaube nicht, dass diejenigen, die beruflich reisen, auf den Flieger verzichten werden. Zeit ist Geld.

Endlich Urlaub!

Mein Urlaubsziel entspricht allen Klischees, die in diesem Sommer gültig sind. Ostfriesland war meine perfekte Wahl, also die deutsche Nordseeküste. Die Region hat es mir schon angetan, als ich vor einigen Jahren zum ersten Barcamp in Wilhelmshaven war und ich wollte unbedingt mehr sehen. Jetzt bot sich die perfekte Gelegenheit, und viel Deutschlandurlaub habe ich vorher tatsächlich nicht gemacht. Nichts lag für mich näher, als auf alte Barcampkontakte zu vertrauen, um die richtige Ferienwohnung zu finden. Mario Krar kenne ich seit Jahren – wir twittern uns beide bei Barcamps die Finger wund. Und Mario ist, gemeinsam mit seiner Frau, Inhaber des Hotel Leuchtfeuer in Horumersiel / Wangerland, vermittelt aber auch Ferienwohnungen. Ich weiß, dass er Gastgeber aus Überzeugung ist und sich viele Gedanken, um das Wohlergehen seiner Gäste macht. Die letzten Monate waren nicht einfach, und jetzt ist die Frage natürlich, ob alles gut geht mit dem Tourismus? Die Ferienwohnung war perfekt für uns – mitten im Ortszentrum, mit Blick auf den Dorfplatz.

Praxistest

Wir hatten uns vorgenommen, viel Zeit draußen zu verbringen – kein Problem an der Nordseeküste! Bei den morgendlichen Wanderungen auf der Düne waren nur wenige Nordic Walker oder Hundebesitzer unterwegs. Welche Erholung, nicht dauernd Menschen sehen zu müssen, sondern die Weite des Horizonts! Der Strand in Schillig war an heißen Tagen gut besucht, aber auch hier musste man nur einige Schritte vom Zentrum weggehen, um wieder genügend Freiraum um sich herum zu haben.

 

In der Gastronomie war in meiner Wahrnehmung alles im grünen Bereich. Viel Freiraum zwischen den Tischen in den Cafés und Teestuben, wobei wir wegen des schönen Wetters auch immer draußen gesessen haben. Die Gäste werden platziert, auch um dem Personal Zeit zu geben, die Tische zu desinifizieren, bevor neue Gäste sich setzen. Karten können über einen QR-Code abgerufen werden oder werden regelmäßig desinfiziert. Kontaktdaten werden notiert oder die Gäste füllen selber ein Formular aus. Nur einmal war die Liste recht schmuddelig, so dass ich dann lieber meinen eigenen Kuli genommen und quasi aus der Luft geschrieben habe, ohne das Papier zu berühren. Ob´s lesbar ist, das ist eine andere Frage… Überall steht Desinfektionsmittel zur Verfügung. Auch Masken wurden anstandslos getragen, vom Personal wie von den Gästen. Nur einmal, in der morgendlichen Warteschlange vor dem Bäcker, musste ich einen älteren Herrn darauf hinweisen, dass er zu nahe kommt. Er hat sich sofort entschuldigt und gesagt, dass es ihm noch schwer fällt, sich an die neuen Regeln zu gewöhnen. Wem nicht?

Im Hafen von Hooksiel, Wangerland

Im Hafen von Hooksiel, Wangerland

Meine Prognose: die Gastgeber, die sich in der Krise vorbildlich verhalten und es schaffen, ihren Gästen ein Gefühl der Sicherheit und Verbindlichkeit zu vermitteln, bleiben im Gedächtsnis ihrer Gäste fest verankert und werden auch in den kommenden Jahren profitieren. Die Ferienwohnung hätte ich zum Beispiel noch eine Woche vor der Anreise kostenfrei stornieren können und eine Anzahlung wurde auch nicht fällig. Für mich als Kunden ist das sehr angenehm. Auf die Erstattung für im Frühjahr gebuchte Flugtickets und Konzertkarten warte ich heute noch…

Mein Fazit

Eigentlich habe ich es ja immer geahnt, aber jetzt hat es sich kraftvoll bestätigt: man kann in Deutschland gut Urlaub machen! Es gibt so unheimlich viel zu entdecken, und vielleicht sollte man gar nicht warten, bis man alt und grau ist, bevor man sich auf Entdeckungsreise begibt. Sicher werden wir alle auch wieder auf Fernreise gehen, aber durch die Krise wurde mir wieder einmal bewusst, welches Angebot und welches Serviceniveau wir in Deutschland genießen können. Und wieviel entspannter ist es, nur eine relativ kurze Anreise zu haben. Ostfriesland wird mich bald wiedersehen, versprochen!

Ostfriesentee im Café Goldschein, Horumersiel

Ostfriesentee

Valerie Wagner hat zu einer Blogparade aufgerufen: Ändert sich das Reiseverhalten?  Unter dem Hashtag #Blogparade4Tourism geht es um die Frage, ob sich unser Reiseverhalten in der Zukunft ändert, sei es kurzfristig als Reaktion auf die Corona-Situation oder als langfristiges Überdenken dessen, was bisher als selbstverständlich hingenommen wurde.

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4 Kommentare

  1. Irgendwie lustig. Wir hatten zur Planung unseres Sommerurlaubs die selben Überlegungen 1-4…

    Und trotzdem wurde es mit Rügen eine Insel. Aber eben eine, die mit einer Brücke angebunden ist ans Festland.. Und auch nur sehr kurzfristig gebucht.

    Und ja. Meine Reisegewohnheiten ändern sich. Sehr sogar und dazu auch das gesamte Verhalten. Mindestens einmal dir die Woche musste für ein Stammtisch oder ähnliches stattfinden, um Menschen zu treffen. Und jetzt? Auf quasi Null zurück gefahren. Selbst einzelne Menschen nur noch in Ausnahmefällen…. Das einzige „Risiko“ seit Juli: wieder den monatlichen Schnitzel Stammtisch #SchnitzelS. Aber auch nur, wenn gutes Wetter ist und wir draussen sitzen können. Drinnen zu sitzen ist auf absehbare Zeit leider keine Option.

    Mein Blog leidet, ja. Nur wenige neue Geschichten. Aber so ist das eben. Ich mag nicht derjenige sein, an dem sich jemand ansteckt und unter schweren Folgen leiden muss. Auf gar, gar keinen Fall.

    • Lieber Hubert,

      du hast absolut recht, es ist schwierig im Moment. Dein Blog leidet und meins ist nur wegen Corona entstanden, weil ich endlich einmal die Zeit hatte, mich darum zu kümmern. An die Inseln, die über eine Brücke mit dem Festland verbunden sind, hatte ich tatsächlich gar nicht gedacht. Aber auch am Festland gibt es ja so viel zu entdecken. Die Auszeit hat gut getan, und wer weiß, wann die nächste Reise stattfinden kann. Es wird ja gerade alles wieder unsicherer.

  2. Liebe Monika, danke für Deinen Artikel.
    Deutschland hat so schöne Ecken – und Ostfriesland liebe ich besonders!
    Manchmal mache ich mir Gedanken, wie es weiter geht. Können wir nächstes Jahr wieder „normal“ verreisen und (Reise)Erlebnisse normal genießen? Aber was ist schon normal? Werden wir überhaupt wieder so unbeschwert reisen können wir vor Corona?

    • Danke für dein Feedback, liebe Tanja! Im Moment kann ich mir noch nicht vorstellen, dass wir jemals wieder so unbeschwert reisen wie vor Corona, aber ich gleibe optimistisch. Und vielleicht können wir ja einige positive Aspekte aus der Krise mitnehmen – mehr Hygiene, bargeldloses Zahlen, um nur einige Beispiele zu nennen. Ich frage mich, welche touristischen Leistungsträger die Krise überstehen?

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