Hand auf´s Herz: Wenn ich euch nach Louisiana frage, dann denkt ihr doch sicher an den Bundesstaat im Süden der Vereinigten Staaten mit den vielfältigen kulturellen Einflüssen aus dem französischen, spanischen, afrikanischen und karibischen Raum. Vielleich auch an New Orleans mit dem berühmten Mardi Gras, dem French Quarter und der Jazzmusik. Aber es gibt noch ein anderes Louisiana – in Dänemark, nicht weit von der Hauptstadt Kopenhagen entfernt.
Louisiana in Humlebaek
In Humlebaek, mit dem Zug rund eine dreiviertel Stunde von Kopenhagen entfernt, liegt vermutlich der Hund begraben. Zumindest der Bahnhof ist winzig klein. Und dort gibt es nur einen einzigen Wegweiser – den nach Louisiana, einem der bedeutendsten Museen für moderne Kunst in Nordeuropa. Mir wird schnell klar, dass hier eine Pilgerstätte für Kunstfans entstanden ist, denn ich stehe morgens, zur Öffnung des Museums, nicht alleine vor der Tür.
3 mal Louisa
Der Name des Museums geht auf den Vorbesitzer des 1855 erbauten Haupthauses zurück. Alexander Brun hatte drei Ehefrauen, die alle Louisa hießen. Wie praktisch – so musste er sich gar nicht umgewöhnen…. Brun war jedenfalls Offizier und königlicher Jagdverwalter. In Humlebaek wurde er zum Imker und Obstbauern. Er starb im Jahr 1893.
Der in eine Industriellenfamilie hineingeborene Gründer Knud W. Jensen hatte, ausgehend vom Haupthaus, die Vision, ein Museum mit Seele zu schaffen. Keinen elitären Ort der Kunstbetrachtung, sondern einen Ort, der die Kunst direkt zu den Besuchern sprechen lässt. 1958 wurde das private Museum schließlich eröffnet. Es sollte ursprünglich allein dänischen Künstlern Raum geben, denn deren Kunst war kaum in dänischen Museen vertreten. Schon bald kamen die Werke internationaler Künstler hinzu. Heute wird Louisiana als Stiftung geführt.
Die Sammlung umfasst heute rund 3.000 Werke, die allesamt nach 1945 entstanden. Sie konzentriert sich auf einige wichtige Strömungen: Nouveau Réalisme, Pop Art, deutsche Kunst der 1980er Jahre und Skulpturen des 20. Jahrhunderts. Jährlich werden mehrere Sonderausstellungen organisiert.
Louisiana Museum of Modern Art
Das Museumsgebäude besteht aus verschiedenen Flügeln, die alle miteinander verbunden sind. Alle Bauten und Erweiterungen wurden durch die Architekten Jorgen Bo und Vilhelm Wohlert geplant und ausgeführt. Mit etwas gutem Willen könnte man sagen, die Gebäude sind kreisförmig angelegt. Haupthaus und Einlass erfolgt durch die alte Patriziervilla. Der Nordflügel mit seinen Glaskorridoren wurde 1958 eröffnet. Der Westflügel entstand ab 1966. Der in die Erde abgesenkte Südflügel wurde 1982 ergänzt und der unterirdische Ostflügel folgte zehn Jahre später. Modernisiert wurde die gesamte Anlage in den Jahren 2003 bis 2006. Und was für ein prachtvolles Museum ist hier entstanden!
Und die Lage von Louisiana ist einmalig: eine traumhafte Hanglage am Meer, direkt am Öresund. Ich sehe einen Steg, der ins Meer hineinragt. Darauf haben es sich einige Jugendliche bequem gemacht. In wenigen Kilometern Entfernung kann ich Schweden erkennen. Die Kunstwerke befinden sich im Museum und auch im Park. Die einzelnen Teile des Museums sind sanft in die Landschaft integriert und es gibt mit der großen Terrasse viel Platz, den Blick auf das Meer zu genießen. Die Architektur, die Skulpturen und die Natur bilden ein harmonisches Ganzes. Hier kann man sich locker einen ganzen Tag aufhalten.
Franz Gertsch
Auf geht´s zum Ritt durch die moderne Kunst. Ich starte meine Reise im Westflügel und einer Ausstellung der Werke von Franz Gertsch. Und es geht gleich los mit den ganz großen Formaten. Bei den fotorealistischen Werken des Schweizer Künstlers bin ich versucht, zunächst einmal zu schauen, ob das überhaupt gemalt ist…. Ist es. Handwerklich perfekt und in einem enorm großen Raum perfekt inszeniert.
Bourgeois x Giacometti
Alberto Giacometti – noch ein Schweizer – ist einer meiner allerliebsten Künstler. An seinen spindeldürren Figuren kann ich mich kaum sattsehen. Sein Werk ist einer der Grundpfeiler der Sammlung in Louisiana und ich staune, wie viele Skulpturen hier zu sehen sind. Im Jahr 1965 war ihm eine große Ausstellung gewidmet.
Giacomettis Werk begegnet im Nordflügel einer monumentalen Spinne der französisch-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois. Ich muss sofort an die Spinne denken, die in Château La Coste nahe Aix-en-Provence über dem Wasser zu schweben scheint. Aber klar, Bourgeois gehört als die 4. Louise nach Dänemark.
Giacometti und Bourgeois kannten sich. Beide setzten sich mit dem menschlichen Körper und seiner Psyche auseinander, wenn auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise.
William Kentridge
Seit der großen Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus 2018 bin ich ein Fan der Werke des südafrikanischen Künstlers William Kentridge. Damals hatte ich noch kein Blog, sonst hätte ich mir wahrscheinlich die Finger wund geschrieben ob der spannenden und rätselhaften Werke. Kentridges Arbeiten und Installationen sind oft raumfüllend, und er nutzt alle künstlerischen Ausdrucksweisen – Musik und Oper, Zeichnungen, Film und Theater.
In Dänemark ist nun eins seiner Hauptwerke zu sehen – das großartige The Refusal of Time aus dem Jahr 2012. Ein äußerst komplexes Werk mit zahlreichen Anspielungen auf Geschichte und Philosophie, die Frühzeit des Kinos und Wissenschaft. Die schmerzhafte Geschichte Südafrikas mit der kolonialen Vergangenheit wird ebenso sichtbar gemacht wie die Rebellion gegen die Apartheid. Ein rätselhaftes Werk und das Nachdenken über die Vergänglichkeit der Zeit, schwarze Löcher und letztendlich den Tod.
Besucher in Louisiana können die Projektionen auf den Wänden der Halle entweder vom Rand aus betrachten, aber besser noch einen Platz auf einem der Stühle mitten im Raum finden, zwischen den Megaphonen und der Atemmaschine. Eintauchen in pulsierende Kunst, ganz wörtlich genommen. Hinreißend.
Kusama
Schlangestehen für Kunst? Gleaming Lights der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama ist eins der Lieblingswerke der Louisiana-Besucher und entsprechend braucht es etwas Geduld, bis man das Werk tatsächlich sehen kann. Nur jeweils vier Besucher werden für maximal eine Minute in den Raum gelassen, um die Kusama-Installation zu betrachten.
Sofort verliere ich jedes Gefühl für Dimensionen, bin umgeben von unzähligen Lichtern. Gerade vier mal vier Meter ist der Raum groß, erweckt aber den Eindruck immenser Größe. Die Decke, der Boden und die Wände sind mit Spiegeln bedeckt, die das Licht hunderter kleiner Pingpongball-Lampen reflektieren. Und die ändern zudem noch dauernd ihre Farbe. Pure Magie.
Im Skulpturengarten
Louisiana zu erleben, das heißt auch, einen ausgiebigen Spaziergang durch den Skulpturenpark zu unternehmen. Annähernd 50 Werke finden sich hier wie in die Landschaft gestreut. An manchen Werken kommt man schlicht nicht vorbei, weil sie einen sehr prominenten Platz gefunden haben.
Andere Werke liegen sehr viel versteckter, tief im Wald. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich auf die Suche zu machen nach verborgenen Schätzen. Ausgesprochen gut gefallen hat mir auch die Wechselwirkung von drinnen und draußen. Beim Gang durch das Museumsinnere hat man sehr oft einen Blick nach draußen, in die umgebende Natur, und erblickt dabei auch immer neue Kunstwerke.
Die jüngste Neuerwerbung ist Alicja Kwades Pars Pro Toto – acht große Steinskulpturen, die im Park liegen, als seine sie vom Himmel gefallen. Die blaue Kugel erinnert an die Erde, dann ist da Jupiter….
Neugierig geworden?
Falls ihr mehr über dieses überaus spannende Museum wissen wollt, dann schaut euch die Website von Louisiana an! Die Website ist in Dänisch und in Englisch verfügbar. Sie enthält viele Informationen zur Geschichte der Sammlung und zu den aktuellen Ausstellungen. Die Öffnungszeiten des Museums sind schlicht großartig, denn von Dienstag bis Freitag ist jeweils von 11 bis 22 Uhr geöffnet. Am Wochenende schließt Louisiana um 18 Uhr. Café und Museumsshop sind auch einen Besuch wert.
Louisiana liegt rund 35 Kilometer nördlich von Kopenhagen. Falls ihr für den Besuch der dänischen Hauptstadt die Copenhagen Card nutzt – diese gilt auch in Louisiana, d.h. die Bahnfahrt nach Humlebaek und auch der Eintritt ins Museum sind inklusive. Und wenn ihr nach dem Louisiana-Besuch noch Energie habt: Helsingor ist nur einen Katzensprung entfernt.
Monika, dein Artikel über das Louisiana Museum hat mich neugierig gemacht! Die Kombination aus Kunst, Architektur und der Lage direkt am Meer klingt fantastisch. Besonders spannend fand ich die Beschreibung der Werke von Gertsch, Giacometti, Bourgeois und Kentridge. Die Installation von Kusama scheint ein einzigartiges Erlebnis zu sein.
Dein Beitrag hat mich überzeugt: Louisiana steht bei meinem nächsten Dänemark-Trip auf dem Programm! Danke für die Inspiration!