Manchmal sind die Städte aus der zweiten Reihe die eigentlichen Superstars einer Destination. Wer an Marokko denkt, der fliegt vielleicht nach Casablanca, der Wirtschaftsmetropole des Landes, oder fährt nach Agadir mit seinen vielen Hotels und der guten touristischen Infrastruktur. Dann zieht natürlich Marrakech mit seinem Flair von 1001 Nacht die Touristen in Scharen an und das überaus coole Essaouira. El Jadida ist da oftmals nicht in der engeren Auswahl. Schade eigentlich, denn dieses kleine Städtchen hat unglaublich viel Charme und kann auf eine spannende Geschichte zurückblicken.
Mazagan – portugiesisches Erbe
Das heutige El Jadida ist ein beeindruckendes Zeugnis des portugiesischen Erbes in Marokko. Die Portugiesen wählten den Standort einst wegen der günstigen geografischen Lage aus und nutzen ihn als Stützpunkt auf dem Seeweg nach Indien. Hier konnte Proviant geladen und der Wasservorrat aufgestockt werden.
Die ersten Portugiesen siedelten sich um 1500 an der Atlantikküste an. Francisco und Diego de Arruda gründeten die Stadt Mazagan im Jahr 1506. Die Araber waren nicht begeistert, sondern antworteten mit Belagerung. 1541 machten die Portugiesen ihre Waffenkammer zum Regenwasserspeicher, um die arabische Belagerung zu überstehen. 1542 befestigten sie dann die Stadt, um sie vor arabischen Angriffen zu schützen. Erst 1769 endete die portugiesische Präsenz. Berberangriffe unter Führung von Sultan Sidi Mohamed Ben Abdallah zwangen die Portugiesen, das Hafenstädtchen aufzugeben und nach Brasilien zu gehen. Vor ihrem Abzug zerstörten sie jedoch das Innere der Stadt, die deshalb den neuen Namen Al Mahdouma bekam – die Ruine. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Städtchen zu El Jadida. Juden siedelten sich an, bauten eine Synagoge. Nach 1950 zogen Muslime zu. Zeugnis dieser Zeit ist die fünfeckige Moschee. Katholiken zogen in die früheren jüdischen Viertel. El Jadida, ein Schmelztiegel der Religionen und Kulturen.
Und am 30. Juni 2004 schließlich wurde die Cité portugaise, die portugiesische Altstadt, in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen – wegen ihrer Schlüsselstellung und der Vermittlerrolle zwischen den europäischen und der marokkanischen Kultur.
Innerhalb der Befestigungsanlagen von El Jadida
Was für heutige Besucher unglaublich sehenswert ist, das sind die wuchtigen Befestigungsanlagen aus dem 15. bis 18. Jahrhundert mit ihren Eckbastionen. Diese Militärarchitektur der Renaissance zeichnet sich durch vier dicke und äußerst solide Mauern aus, die das Gewicht der Stadt halten und zugleich dem Beschuss durch Kanonen standhalten mussten. Im Osten wacht die Bastion de l´Ange über der Einfahrt in den Hafen. Die Bastion Saint Sébastien schützt die Stadt im Norden, Saint- Antoine im Osten, Saint – Esprit im Süden. Die fünfte Bastion, die Bastion du Gouverneur, zerstörten die Portugiesen, als sie 1769 die Stadt verließen.
Die Befestigungsanlage war zu den drei Landseiten hin von einem mit Seewasser gefüllten Graben umgeben, und zwei Hängebrücken gewährten Zugang ins Innere.
Die Zisterne ist aktuell geschlossen, aber von früheren Reise kenne ich das gotische Gebäude aus dem 16. Jahrhundert mit seiner magische Lichtstimmung. Orson Welles machte die Zisterne zum Schauplatz seines Othello.
Wir laufen zunächst auf ein Gittertor zu, das zum Wasser führt und einen schönen Blick auf das Hafenbecken und die Fischerboote bietet. Der Hafen ist ein großer Spielplatz. An verschiedenen Stellen sehen wir Kinder und Jugendliche ins Wasser springen. Die Leichtigkeit des Sommers ist hier spürbar, auch im Herbst.
Die fünfeckige Moschee stammt aus den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts. Sie wurde auf die Order von Sultan Abderrahman Ben Hicham errichtet und sollte Muslime zur Ansiedlung ermutigen, genau zur Zeit der Restaurierung der portugiesischen Altstadt. Sie befindet sich auf dem zentralem Platz der portugiesischen Befestigung, unweit der Kirche.
Die Kirche in El Jadida, das ist die Eglise Notre-Dame de l´Assomption. Eine einschiffige Kirche, 44 x 12 Meter groß, mit Chor und Sakristei. Sie wurde eine Zeitlang als britisches Konsulat genutzt, und dann unter dem französischem Protektorat wieder als Kirche. Seit 1918 ist der Bau denkmalgeschützt.

Notre-Dame de l´Assomption – die Kirche in El Jadida, Marokko, kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken
El Jadida ist – wie eigentlich jede Stadt in Marokko – eine Stadt der Katzen. Überall sieht man diese eher dünnen Tiere, die sich gemütliche Plätze in der Sonne suchen – in Regalen, auf den Sitzen der omnipräsenten Mopeds oder auf den Mauern der Stadt.
El Jadida ist auch die Stadt der Streetart, und vor allem die farbenfrohen Schöpfungen von Ahmed Brush fallen uns auf.
Vor den Mauern der Stadt
Vor den Mauern der Cité Portuguaise kommt das zeitgenössische Marokko zum Vorschein. Das für Marokko ganz normale Verkehrsgewusel mit zum Teil abenteuerlich alt aussehenden Autos, Taxen und Linienbussen zwingt uns Fußgänger, ganz genau aufzupassen, bevor wir auch nur einen Fuß auf die Straße setzen. Vorbei an manchen Shops und kleinen Restaurants zieht es uns in eine der Einkaufsstraßen. Wenn wir vorhin noch einige Touristengruppen mit ihren Guides in der Altstadt gesehen haben – hier verirrt sich in aller Regel kaum ein Tourist. Alles ist laut, wuselig, dreckig – das pralle Leben.
Aber auch klassische Bauten wir das Théatre Mohamed Afifi prägen das Stadtbild. Sogar ein kleines Museum gibt es: der Espace de la Mémoire Historique de la Résistance et de la Libération. Thema dieses kleinen historischen Museums sind die französisch-marokkanischen Beziehungen während der Zeit des Protektorats und des Zweiten Weltkriegs sowie der Widerstand Marokkos gegen das Protektorat.
Wer Literatur mag, kennt vielleicht auch einen berühmten Sohn der Stadt: Driss Chraibi. Sein Buch Le passé simple von 1954 ist eine Abrechnung mit der traditionellen marokkanischen Gesellschaft. Es löste einen Skandal in Marokko aus und war bis 1977 verboten. La civilisation ma mère (dt. Die Zivilisation, Mutter) erschien 1972 – als erstes Buch, das Frauen in einer patriarchalischer Gesellschaft zum Thema machte. Gestorben ist Driss Chraibi 2007 in Crest. Der Autor hatte seit 1988 im Tal der Drôme gelebt, in diesem Tal der unabhängigen und kreativen Geister.
Strandleben in Haouzia
Liebhabern von Badeurlaub zieht es seit jeher an den feinsandigen Strand von Sidi Bouzid, wenige Kilometer südwestlich von El Jadida. Mir gefällt auch sehr gut der Strand von Haouzia, im Norden von El Jadida in Richtung Azemmour gelegen. Hier kann man dem Trubel der Stadt leicht entkommen. Haouzia ist nicht mehr als eine kleine ländliche Gemeinde, hat aber einen enormen Schatz vor der Haustür – den Atlantischen Ozean. Was für eine Weite!
Ein breiter Sandstrand breitet sich vor mir aus, ich genieße eine perfekte Aussicht auf die Wellen des Atlantiks und kaum ein Mensch ist zu sehen. Ein Paradies für Strandläufer und ruhebedürftige Großstadtmenschen. Hatte ich schon einmal erwähnt, dass ich mühelos einen ganzen Urlaub damit verbringen kann, nur am Strand entlangzulaufen?
Der Wind pfeift ganz ordentlich, als wir den Stand entlanglaufen. Ab und zu lässt sich ein Hund blicken, vor allem aber bevölkern Unmengen von Wasservögeln den Strand. Und dann galoppieren Pferde vorbei.
Die Zucht von Pferden wird in der Region um El Jadida groß geschrieben. Seit 2008 findet jeweils im Oktober der Salon du cheval statt, eine Pferdemesse, die unter der Schirmherrschaft des Königs steht. Schnelligkeit und Ausdauer der Pferde sowie die Geschicklichkeit der Reiter werden bei den Wettbewerben auf die Probe gestellt, und daneben gibt es eine klassische Messe mit Ausstellern aus der Welt der Pferdezucht und des Pferdesports sowie ein Programm mit verschiedenen Konferenzen.
Am Stand von Haouzia kann man auch außerhalb der Messezeiten junge Marokkaner beobachten, die die Pferde trainieren. Ich lerne, dass auch Pferde gerne baden gehen. Auch Touristen können Hotels buchen, die Ausflüge zu Pferd anbieten.
Südlich von El Jadida findet jedes Jahr im August die Moussem von Moulay Abdellah statt. Während sieben Tagen zeigen prachtvolle Reiterspiele das ganze Können der Pferde. Hauptakteure sind Stämme der Doukkala und des ganzen Königreichs.
Im Zephyr Mazagan
Unsere Unterkunft haben wir im Zephyr Magazin gefunden, einem 4 Sterne-Hotel, das kaum einen Wunsch offen lässt. Die Anlage ist ganz neu und die Zufahrt auf das Grundstück bzw. der Zugang von der Strandseite, wie in Marokko üblich, gut gesichert. Europäische Gäste finden ihr Glück vermutlich eher im Hotelbereich und genießen ihr Frühstück im Restaurant, während für marokkanische bzw. arabische Gäste Apartments mit mehreren Schlafzimmern und Küche zur Verfügung stehen. Der marokkanische Staat ermöglicht zum Beispiel seinen Lehrern und Lehrerinnen, hier günstig mit ihren Familien Urlaub zu machen.
Zwei schöne Pools stehen den Gästen zur Verfügung, dazu ein Fitness- und Wellnessbereich. Auch wenn es nicht auf der Karte steht: wir bekommen an der Bar auch Café cassé, starken Kaffee mit Milch und Milchschaum. Kann der Tag besser starten?
Neugierig geworden?
Falls ihr mehr über El Jadida, Haouzia und Marokko insgesamt wissen wollt, dann schaut auch auf der Website des Fremdenverkehrsamtes um.
Macht Lust auf mehr. Und sehr schöne Fotos!