Ein Tempel für die Literatur: die Stadtbibliothek Stuttgart

Stadtbibliothek Stuttgart - Entwurf von Architekt Eun Young YiStadtbibliothek Stuttgart - Entwurf von Architekt Eun Young Yi

Ist euch das auch schon einmal so ergangen: ihr seht ein Foto und denkt euch sofort, da muss ich auch hin!? Nachschauen, ob das Motiv in Wirklichkeit genau so phantastisch aussieht, wie es auf den Bildern scheint? So ging es mir mit Fotos, die ich von der Stadtbibliothek in Stuttgart gesehen hatte – ein ganz lichter, strahlender Kubus, der wie ein Magnet auf Fotofreaks zu wirken scheint.

Die Ankunft in Stuttgart ist schon seit Jahren kein Vergnügen, was an den Bauarbeiten zu Stuttgart 21 liegt, die die Stadt auf links drehen und Fußgängern einige Geduld abverlangen. Aber: die Stadtbibliothek ist tatsächlich sehr zentral gelegen und mit einem kurzen Fußmarsch vom Hauptbahnhof aus zu erreichen. Sie liegt im sogenannten Europaviertel, auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs.

Die Außenansicht mit arabischem Schriftzug

Die Außenansicht mit arabischem Schriftzug

Die Stadtbibliothek Stuttgart ist eine altehrwürdige Institution, die bereits 1901 gegründet wurde. Der Neubau am Mailänder Platz entstand nach einem Entwurf des koreanischen Architekten Eun Young Yi und wurde im Jahr 2011 eingeweiht. Ein monolithischer Klotz, dessen Berufung auf allen vier Seiten des Baus steht. Ich habe nur leichte Zweifel, ob sich die Hoffnung des Architekten, mit dem Bau einen neuen Mittelpunkt der modernen Gesellschaft zu schaffen, erfüllen.

Ich habe mir die Bibliohthek gleich morgens, direkt nach der Öffnung angesehen. Der Mann vom Sicherheitsdienst, den ich fragte, ob ich mir die Bibliothek ansehen könne, ohne Mitglied zu sein, wirkte noch nicht einmal überrascht – im Gegenteil, er schien stolz zu sein auf seinen besonderen Arbeitsplatz, denn er zog mich gleich in eine Ecke, wo Fotos der Bibliothek zu sehen waren. Und Informationen über die Besonderheiten und die Geschichte des Hauses sprudelten nur so aus ihm heraus. Er hatte natürlich auch dieses ganz besondere Foto parat – und den HInweis, dass man in den 8. Stock fahren muss, um die berühmte Aussicht zu haben.

Der Architekt ist ganz offensichtlich ein Freund von Symmetrie: der Bau ist 44 x 44 Meter groß und 40 Meter hoch. Die Fassade besteht aus 9 x 9 Meter großen Feldern aus Sichtbeton und Buntglas – und sind ein Grund, warum ich wohl eines Tages im Dunkeln wiederkommen muss… Sie sind nachts blau beleuchtet!

Im Erdgeschoss steht man – bevor man zu den Fahrstühlen gelangt – im leeren Herzen der Bibliothek. Wir großartig, dieses Nichts im Inneren auf 14 x 14 x 14 Metern, erhellt von einem Oberlicht. Eine unglaubliche Wohltat für die Augen und ein bisschen wie eine rituelle Reinigung, bevor man in die Welt der Literatur hinauffährt.

 

Das leere Herz der Bibliothek erstreckt sich über vier Stockwerke und darüber finden sich weitere vier Geschosse mit den Galerieebenen voller Bücherregalen. Den schönsten Ausblick hat man vom 8. Stockwerk aus, wo die Kunstabteilung untergebracht ist. Das Quadrat, das man unten sieht, ist das Oberlicht des leeren Herzens.

Der Ausblick vom 8. Stock

Der Ausblick vom 8. Stock

Über die paarweise angeordneten Freitreppen schwebt man in die untereren Stockwerke, und jeder Schritt bietet neue Perspektiven und Ausblicke, auf die Bücher wie auf die Architektur. Wunderschön.

 

Der Bau hat übrigens 79 Millionen Euro gekostet, was mir fast wie ein Schnäppchenpreis vorkommt. Rund 500.000 Medien kann man hier für einen lächerlichen Jahresbeitrag von 20 € bzw. 4 € pro Monat ausleihen oder vor Ort konsultieren. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf regionalen Autoren, aber insgesamt bleibt wohl kein Leserwunsch offen. Ich habe mich vor allem über die Leere gefreut, denn viele Besucher waren an diesem Morgen nicht dort.

Ein Ort zum Verweilen

Ein Ort zum Verweilen

Im Untergeschoss befinden sich Veranstaltungssäle.

 

Im Erdgeschoss hat man die Möglichkeit, virtuelle Lesungen zu erleben. Kopfhörer liegen bereit und man kann es sich vor den Bildschirmen bequem machen.

Laß dir vorlesen!

Laß dir vorlesen!

Ach ja, ein Café gibt es auch, und eine Dachterrasse, die allerdings keinen spektakulären Ausblick bietet. Aber die ganze Pracht des Baus liegt tatsächlich im Inneren, im leeren Herzen und auf den Flanierwegen zwischen den Etagen.

Blick auf´s Oberlicht

Blick auf´s Oberlicht

 

 

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2 Kommentare

  1. Liebe Monika,

    was fantastische Einblicke! Du hast mich gerade voller Inspiration staunend an der Tastatur meines PCs zurückgelassen. Lieben Dank für Deine Schilderungen: die Begeisterung schwappte zu mir über!

    Herzliche Grüße aus Frankfurt
    Daniel

    • Lieber Daniel, vielen Dank für deinen lieben Kommentar – mir ist das Herz aufgegangen! Ich nehme deine Worte als Ansporn für zukünftige Texte. Danke!

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