Das Jahr 2025 steht in Aix-en-Provence ganz unter dem Zeichen von Paul Cézanne. Die Stadt feiert ihren berühmtesten Sohn mit einigen großen Ausstellungen und macht auch das Haus der Familie, das Jas de Bouffan, nach jahrelanger Renovierung der Öffentlichkeit zugänglich. Aber Kunst und Architektur sind nicht alles – es geht auch um die Landschaften, die Cézannes Werk prägten, und um den mythischen Berg, den er so oft festhielt – die Montagne Sainte-Victoire.
Auf den Spuren Cézannes durch Aix-en-Provence
Aix-en-Provence ist eine überaus elegante Stadt, die mich seit meinem allerersten Besuch immer wieder begeistert. Prächtige Architektur rund um den Cours Mirabeau, farbenfrohe provenzalische Märkte und das plätschernde Wasser der vielen Brunnen tragen zu einer Atmosphäre bei, die mich immer wieder verzaubert. Und erst die Museen – ein Traum! Château La Coste ist auch nicht weit.
Paul Cézanne begegnet man gleich unweit des Office de Tourisme. Die Bronzestatue ist ein Werk des niederländischen Künstlers Gabriel Sterk. Alle, die gerne individuell unterwegs sind, können den im Boden eingelassenen Platten mit einem großen C folgen und werden zu den Stätten geleitet, die in Cézannes Leben eine Rolle spielten. In einer Seitenstraße des Cours Mirabeau zum Beispiel liegt das Collège de Bourbon, das Cézanne zusammen mit seinem Freund Emile Zola besuchte. Oder man gelangt zur Universität von Aix, die zweitälteste Frankreichs. Cézanne studierte hier ein Jahr lang Jura, auf Wunsch seines Vaters. Doch es gibt noch viel mehr zu entdecken im Cézanne-Jahr.
Das Familienanwesen: Jas de Bouffan
Als wir auf das Grundstück kommen, brauchen wir noch etwas Phantasie, um uns vorstellen zu können, wie es hier Ende Juni aussehen soll. Noch ist es eine Baustelle, und überall steht schweres Baugerät herum. Absperrungen lenken unsere Schritte und das Haus können wir noch nicht betreten. Aber man ahnt, dass hier Großes geschieht. Gerüste sind aufgebaut und Handwerker wuseln umher. Nach jahrelangem Leerstand und anschließender Renovierung soll das Jas de Bouffan Ende Juni der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Gaspard Truphème ließ das Haus einst vom Architekten Georges Vallon, der auch für das Centre Caumont verantwortlich zeichnet, errichten. Es sollte den Reichtum des Bauherrn zeigen, gleichzeitig aber auch als Investment dienen – eine Sommerfrische, etwas außerhalb der Stadt gelegen.
Im Jahr 1859 erwarb Louis-Auguste Cézanne, Pauls Vater, das Haus. Er war vom Hutmacher zum Bankier geworden, hatte ergo ebenfalls einen gewissen Repräsentationsbedarf. Für Paul Cézanne sollte Jas de Bouffan während 40 Jahren zur Heimat werden, auch wenn sich sein künstlerisches Leben zwischen Paris und Aix-en-Provence teilte. 14 Hektar Land gehörten damals zum Besitz, der landwirtschaftlich genutzt wurde. Mandelbäume, Maulbeeren, Olivenbäume und Weinstöcke prägten das Bild. Cézanne fand hier seinen Spielplatz und sein Laboratorium. Er experimentiert mit der Kunst und verschiebt Grenzen, von den dunklen, fast Barock anmutenden Anfängen weit über den Impressionismus hinaus. Im ´Grand Salon´ finden sich direkt auf der Wand einige seiner frühen Werke, die erst 2023 entdeckt wurden. Wir können einen vorsichtigen Blick hineinwerfen und sehen, dass die Restaurierungsarbeiten in vollem Gange sind. Unter dem Dach richtete der Vater dem Sohn ein sonnendurchflutetes Atelier ein. Auch die Menschen rund um das Jas de Bouffan fanden Eingang in Cézannes Kunst – etwas die Bauern im berühmten Gemälde ´Die Kartenspieler´.
Cézannes Vater stirbt 1886 und das Haus geht in den Besitz von Paul und seinen Schwestern Marie und Rose über. Als auch die Mutter 1897 stirbt und Rose ihren Anteil am Erbe einfordert, wird das Haus verkauft. 2017 entscheidet die Stadt Aix, Jas de Bouffan in eine Cézanne-Stätte umzugestalten. Das Grundstück ist jetzt mit 5 Hektar deutlich kleiner und liegt inmitten der wachsenden Stadt. Auch der Park soll bald wieder so aussehen, wie er zu Cézannes Lebzeiten war.
Les Lauves – Cézannes letztes Atelier
Als die Zeit im Jas de Bouffan zu Ende geht, wird Les Lauves 1901 das letzte Atelier von Paul Cézanne. Der Künstler entdeckt das zum Verkauf stehende Grundstück durch Zufall und zeichnet selbst die Pläne für das Haus, das ganz seinen Bedürfnissen entspricht, mit einem Wohnraum im Erdgeschoss und einen 50 Quadratmeter großen Atelier im ersten Stock. Besuchern bietet sich ein unglaublicher Blick in seine künstlerische Welt – ein einziges Stillleben. Haus und Grundstück sind natürlich sehr viel kleiner als das Familienanwesen. Der Erhalt des Studios ist John Rewald und James Lord vom Cézanne-Erinnerungskomitee zu verdanken, die das Haus 1954 erwarben und dann der Universität Aix-Marseille schenkten. Im Sommer 1954 wurde es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und Ende Juni 2025 nach zweijähriger Renovierung neu eröffnet.
Die Bibémus-Steinbrüche
Der Zugang zu den einige Kilometer außerhalb von Aix gelegenen Bibémus-Steinbrüchen ist gut gesichert, aber zum Glück hat unser Guide Elodie Marie einen Schlüssel und kann uns einlassen in diese ganz magische Welt. 7 Hektar groß ist das Gelände. Vor rund 100.000 Jahren war hier ein Meer, und bis ins 18. Jahrhundert hinein wurde der Stein abgebaut, dessen warme Farben Aix-en-Provence prägen. Das Problem: der Stein erodiert schnell und ist daher nicht unbedingt zum Hausbau geeignet. Das enthaltene Wasser zieht zu viel Feuchtigkeit an. Aber die Farben leuchten! Der gelbe Stein in der Sonne, dazu das Grün der Pinien und der blaue Himmel der Provence – ich kann die Faszination, die Cézanne empfand, absolut nachvollziehen. Zwischen 1890 und 1904 genoss der hier Ruhe und Frieden, und natürlich den Ausblick auf die Montagne Sainte Victoire. Ein Bergmassiv von 1.000 Metern Höhe und 20 Kilometern Länge, auf dem Kamm ein Fernwanderweg – wer weiß, ob es ohne Cézanne solch eine Berühmtheit erlangt hätte. Ganze 87 Mal hat Cézanne die Montagne Sainte-Victoire gemalt. Je die Hälfte sind Aquarelle und Ölgemälde.
Heutige Besucher können bei einer Führung durch den Steinbruch Nachbildungen der Werke Cézannes genau an der Stelle entdecken, wo sie einst entstanden. Auch eine Hütte, mazé genannt, die einst Teil eines Bauernhofs war, kann man noch sehen. Cézanne hatte sie angemietet und fand hier die nötige Ruhe für seine Kunst.
Große Ausstellungen 2025
Auch eine herausragende Position schützt nicht vor Fehleinschätzungen – man könnte auch sagen, vor kapitaler Dummheit. Auguste Henri Modeste Pontier, der Direktor des Kunstmuseums in Aix-en-Provence, verkündete jedenfalls kurz nach dem Tod Cézannes ganz unbescheiden und lautstark, er werde verhindern, dass nur eins der Werke Cézannes ins Museum komme. Leider hat sich niemand getraut, ihm offen zu widersprechen, und so kommt es, dass die Werke, die 2025 in Aix-en-Provence zu sehen sind, als Leihgaben aus Museen und Privatsammlungen aus aller Welt stammen. Cézanne im Jas de Bouffan ist der Titel einer Ausstellung im Musée Granet. Eine Schau im Musée du Vieil Aix setzt sich mit Aix und Cézanne auseinander. Das Musée du Pavillon de Vendôme erinnert an eine Ausstellung des Jahres 1956, die anlässlich seines 50. Todestages 90 Werke vereinte. Das Gallifet Centre d´Art beschäftigt sich mit den Echos de Cézanne, also dem Einfluss Cézannes auf nachfolgende Künstlergenerationen.
Mit dem E-Bike rund um Aix-en-Provence
Man kann sich dem Universum Cézannes auch auf ganz andere Art nähern. Mit der Montagne Sainte-Victoire als Fixpunkt bietet sich eine Annäherung mit dem Rad an. Wir verlassen die Stadt und radeln durch Felder, die erahnen lassen, dass bald die Lavendelblüte beginnt. An den Rebstöcken zeigt sich frisches Grün, und im Hintergrund thront das Bergmassiv.
Wir machen uns nach einer ausgiebigen Tour auf den Rückweg nach Aix und gelangen zum Terrain des Peintres. Dieser Aussichtspunkt liegt rund 15 Gehminuten von Cézannes Atelier entfernt auf dem Gipfel des Hügels Les Lauves. Der Künstler kam oft hierher, um seine Staffelei aufzustellen, an seinem liebsten Ausblick auf die Montagne Sainte-Victoire. Zwischen 1902 und 1906 malte er 17 Aquarelle und 11 Ölgemälde seines Lieblingsbergs. Heutige Besucher können neun Reproduktionen seiner Werke mit dem Original vergleichen und den perfekten Platz für eine kleine Rast genießen.
Malen wie Cézanne – Atelier des Lodges Sainte-Victoire
In Le Tholonnet lässt sich die ganze Faszination der Provence fernab der Städte erleben. 35 Zimmer und drei Villen bieten die Lodges Sainte-Victoire ihren Gästen, dazu verschiedene Terrassen mit einem atemberaubendem Blick in die überbordende Natur. Provenzalischer Charme, gepaart mit zurückhaltendem Luxus und viel sanftem Licht. Ich möchte nie wieder weg.
Nach einer ganz hervorragenden Mahlzeit wartet eine besondere Herausforderung auf uns: im Atelier des Lodges liegt alles bereit, was wir für Aquarellmalerei benötigen. Ganz wagemutige Besucher können versuchen, sich mit Cézanne zu messen, und selbst kreativ werden. Leichte Panik steigt in mir auf, denn zuletzt habe ich in der Schulzeit zum Pinsel gegriffen. Aber der Mensch wächst mit seinen Herausforderungen und es ist auch einfach zu schön hier. Nur das Ergebnis meiner Malversuche erspare ich euch lieber.
Zum Cézanne-Menü in die Villa Gallici
Auch die Liebe zur Kunst geht durch den Magen – erst recht in Frankreich, wo die Gastronomie zum immateriellen Weltwerbe der UNESCO zählt. Was liegt also näher, als zum Cézanne-Jahr auch einen Wettbewerb zur Kreation eines Cézanne-Menüs auszurichten. Man kann zwar nur vermuten, was Cézannes Lieblingsgericht war, aber er hatte eine Vorliebe für die einfache und schmackhafte Küche der Provence. Kartoffelsalat mit Olivenöl zum Beispiel, Ente mit Oliven oder Stockfischmousse, und Äpfel natürlich. 16 Küchenchefs haben ihr persönliches Cézanne-Menü kreiert und sich der Jury gestellt. All diese Menüs können in Aix-en-Provence und Umgebung verkostet werden, und wir sind beim Sieger zu Gast, Christophe Gavot vom La Taula, dem Restaurant der Villa Gallici.
Was für ein Rahmen! Ein Landhaus aus dem 18. Jahrhundert, dem man von außen nicht ansieht, was sich im Inneren verbirgt. Der Charme der Provence verbindet sich hier mit barocker Üppigkeit und italienischem Dolce Vita. Wir nehmen auf der Terrasse Platz, in Sesseln, die so schwer sind, dass ich sie kaum alleine anheben kann.
Christophe Gavot zaubert seit 2003 in der Küche der Villa Gallici. Sehr sympathisch: er teilt seinen Sieg beim Wettbewerb mit seiner Brigade – Kochen als Gemeinschaftsprojekt. Während es im Wettbewerb Aufgabe war, ein Dreigangmenü zu kreieren, gibt es beim Meister auf der Terrasse natürlich einen Gruß aus der Küche und allerlei Aufmerksamkeiten. Als Vorspeise genießen wir Sardinen und Kabeljaubrandade, gefolgt von Dorade in Olivenöl, mit Fenchel, Artischocken und Tomaten. Und das Dessert setzt – wie könnte es anders sein – Äpfel perfekt in Szene.
Wo übernachten?
Das wäre es doch: Einmal direkt am Cours Mirabeau wohnen! Das geht in Haus Nummer 33, im Hotel Negrecoste. Das Haus kann auf einige Jahrhunderte Geschichte zurückblicken. Erbaut wurde es im 16. Jahrhundert. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kaufte es Monsieur Coste, um es später an seinen Restaurantleiter, Monsieur Negre, weiterzugeben. Der Name des Hotels, das heute von den drei Brüdern Quentin, Augustin und Valentin Dumousset geführt wird, ist eine Hommage an diese beiden prägenden Persönlichkeiten. 35 Zimmer in vier Kategorien sind über vier Etagen verteilt und bieten allen zeitgenössischen Komfort. Besonders schön sind natürlich die Zimmer in der obersten Etage, mit Blick auf die prachtvolle Architektur des Cours Mirabeau und das bunte Treiben an den Markttagen.
Neugierig geworden?
Falls ihr mehr über Paul Cézanne und sein Universum wissen wollt, dann schaut doch auf der Website Cézanne 2025 vorbei. Sie informiert in Französisch und Englisch über die Stätten und Ausstellungen. Ferner kann man Eintrittskarten online erwerben. Natürlich gibt es in Aix-en-Provence noch vieles mehr zu entdecken. Über die Highlights informiert die Seite des Tourismusbüros. Und für alle, die Französisch verstehen, hier noch ein Lesetipp: Mika Biermann, französischer Autor mit deutschen Wurzeln, gibt in dem schmalen Büchlein Trois jours dans la vie de Paul Cézanne seine ganz persönliche Sicht auf den Maler.
Offenlegung
Ich hatte das große Glück, für meinen Arbeitgeber eine kleine Gruppe deutscher Journalisten nach Aix-en-Provence begleiten zu dürfen. Unsere Gastgeber haben uns unglaublich verwöhnt und ein extrem reiches und inspirierendes Programm rund um Paul Cézanne zusammengestellt. Die beschriebenen Eindrücke sind meine eigenen.